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Halt! Stefan Tischer stoppt einen Autofahrer um Kindern das Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen.

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Update

Verkehrssicherheit in Berlin: Lotsen auch an Spandauer Grundschule abgezogen

Die Werbellinsee-Schule in Schöneberg kapituliert nicht allein. Auch im Haselhorster Grützmacherweg gefährden rabiate Autofahrer Kinder und Jugendliche. Eltern fordern verkehrsberuhigende Maßnahmen.

Autos stehen im Halteverbot oder parken in zweiter Spur. Mit quietschenden Reifen und hoher Geschwindigkeit umkurvt ein Fahrzeuglenker die Pkw. An die Tempo-30-Regelung halten sich nur wenige Autofahrer hier im Grützmacherweg vor der Grundschule an der Pulvermühle. Eine Gruppe von Kindern steht am gegenüberliegenden Fahrbahnrand und weiß nicht, wie sie in dem Chaos über die Straße zum Unterricht kommen soll. Entschieden springt Stefan Tischer auf die Fahrbahn und stoppt mit erhobener Hand einen nahenden Klein-Lkw.

Die Schülerlotsen hat man – so wie an der Werbellinsee-Grundschule in Schöneberg – abgezogen, auf Rat der Polizei. Zu groß sei die Gefährdung gewesen, berichtet Gesamtelternvertreterin Nebi Sabani. Die Situation ist nicht neu. Die Tochter von Jessica Oehmke hatte noch Glück, ein bereits vor längerer Zeit heranrasender Pkw war unmittelbar vor ihrem Fuß zum Stehen gekommen, als sie Mitschülern über die Straße half.

Ein Teil der Probleme ist hausgemacht, weil weiter entfernt wohnende Eltern ihre Kinder oft in letzter Minute mit dem Auto zur Schule bringen und dabei oft mitten auf der Fahrbahn parken. Ein Vater umkurvte das Fußgänger-Schutzgitter vor der Schule sogar quer über den Gehsteig, berichtet Vize-Elternsprecherin Sibel Demir. Andere fahren auf das Schulgelände, um dann zurückzusetzen, ohne auf die anderen Kinder zu achten Andere Autofahrer aus diesem Teil der Spandauer Wasserstadt wollen am Morgen schnell zur Arbeit, rasen im Zickzackkurs an den parkenden Fahrzeugen vorbei.

Man sollte es den Eltern strikt verbieten, ihre Kinder bis vor die Schuleingangstür zu fahren. Meinetwegen können P+R-Parkplätze an nahegelegenen S- und U-Bahnhöfen genutzt werden, um die Kinder dort aussteigen zu lassen und die laufen dann die letzten paar Meter zur Schule zu Fuß.

schreibt NutzerIn thomasm

Auch Väter als Schülerlotsen wurden angepöbelt

Zeitweilig haben Stefan Tischer und andere Väter versucht, die Aufgabe der Schülerlotsen zu übernehmen. „Wenn man sich auf die Straße stellt halten die Leute schon an“, sagt er. Doch nicht selten wurde er von den Autofahrern angepöbelt. Nicht nur vor der Grundschule gibt es Probleme. Vor dem nahen Oberstufenzentrum, zwei Kitas und dem Spielhaus ist ein gefahrloses Überqueren der Fahrbahn ebenfalls kaum möglich.

Mehr als 100 Unterschriften hat man inzwischen unter der Überschrift „Sichere Straßen für unsere Kinder“ gesammelt, fordert Fahrbahn-Aufpflasterungen oder eine verkehrsberuhigte Zone. Doch bei den Behörden sei man bisher auf taube Ohren gestoßen, klagen die Elternvertreter. Immerhin lassen sich Polizei und Ordnungsamt jetzt häufiger vor der Schule sehen. Und zumindest angesichts der Uniformierten gehen die Autofahrer vom Gas.

Nebi Sabani (links) und Sibel Demir mit den Unterschriftenlisten vor dem Schulgebäude.
Nebi Sabani (links) und Sibel Demir mit den Unterschriftenlisten vor dem Schulgebäude.

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Bei der Politik scheint die Problematik angekommen zu sein. Am Mittwochmorgen machte sich der Spandauer Bundestagsabgeordnete Swen Schulz gemeinsam mit dem Bezirksverordneten Miodrag Nikolic (beide SPD) ein Bild von der Situation vor Ort. Bei einem Gespräch mit Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank (SPD) will Schulz jetzt ein Treffen aller betroffenen Einrichtungen und Behörden anregen, um eine Lösung zu finden.

Bürgermeister Kleebank hatte zuvor auf Tagesspiegel-Anfrage erklärt, dass die vor fast allen Spandauer Schulen vorhandenen Tempo-30-Zonen regelmäßig von der Polizei überwacht werden und der Einsatz von Schülerlotsen in der Verantwortung der einzelnen Bildungsstätten liege, die bisher keine Vorfälle gemeldet hätten. Er habe allerdings von einem Problemfall gehört, der dem Schulamt noch nicht bekannt war und dem er nachgehen wolle. Später twitterte der Bürgermeister: "Falls überhöhte Geschwindigkeit das Problem ist, bin ich für fest installierte Blitzer vor den Schulen."

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„Es wird auch weiterhin nötig sein, sich die verkehrliche Situation vor den Schulen gemeinsam mit den Lehrern, den Elternvertretern, den Schülern und der Polizei anzuschauen und bei Bedarf durch bauliche oder auch straßenverkehrsbehördliche Maßnahmen anzupassen“, sagte Baustadtrat Frank Bewig (CDU) dem Tagesspiegel. „Bereits in den vergangenen Jahren hat der Bezirk eine Vielzahl von schulwegsichernde Maßnahmen durchgeführt, wie zum Beispiel die Anlegung von Fußgängerüberwegen, die Umgestaltung des Straßenraumes in verkehrsberuhigte Bereiche oder Fußgängerzonen und die Aufstellung der Dialog-Displays und Verkehrszeichen "Achtung Kinder" sowie Fahrbahnmarkierungen der Ziffer "30". Es kann aber nicht sein, dass wir auf Grund einiger unverantwortlich handelnder Verkehrssünder nun den Verkehr der Mehrheit massiv einschränken. Vielmehr muss durch Schwerpunktkontrollen vor Schulen durch die Polizei Recht durchgesetzt werden.“

Spandaus Grüne fordern in einem Antrag in der kommenden Bezirksverordnetenversammlung die Einrichtung von Eltern-Kurzzeitparkplätzen, die sich mindestens 250 Meter vom Eingang der jeweiligen Schule entfernt befinden.

Ordnungsstadtrat: Eltern verursachen die meisten Unfälle

Er habe bereits im vergangenen Herbst alle Spandauer Grundschulen um die Meldung von Verkehrsproblemen gebeten, aber nur teilweise einen Rücklauf erhalten, teilte der für Ordnungsamt und Straßenverkehrsbehörde zuständige Stadtrat Stephan Machulik (SPD) mit. Das Hauptproblem sieht er in der großen Zahl von "Helikoptereltern, die ihre Kinder am liebsten bis in die Klasse fahren wollen". Denn die meisten Unfälle vor Schulen werden nach seinen Angaben durch Fahrzeuge von Müttern und Vätern verursacht.

Das alltägliche Verkehrschaos im Grützmacherweg.
Das alltägliche Verkehrschaos im Grützmacherweg.

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Auch Machulik sieht insbesondere bei den Schulen, die an Neben- oder Stichstraßen liegen, eine Lösung in Elternparkplätzen, die einen Rest-Schulweg ohne notwendige Überquerung von Fahrbahnen erlauben. Die sollen demnächst für die Linden-Grundschule am Nennhauser Damm eingerichtet werden. Für die Grundschule an der Pulvermühle sollen zusätzliche Parkverbote und eine Veränderung von Sichtbeziehungen angeordnet werden, doch will sich der Stadtrat jetzt erst noch einmal mit den Elternvertretern abstimmen.

Schwierige Abstimmung bei Schulen an Durchgangsstraßen

Auch für die Grundschulen am Eichenwald und am Weinmeisterhorn, die beide an Stichstraßen liegen, die keinen Begegnungsverkehr erlauben, wird nach Lösungen gesucht. Für die Robert-Reinick-Grundschule in Siemensstadt, die zu Spandau gehört aber auf Charlottenburger Gelände liegt, wird die Reaktivierung eines ehemaligen Schulparkplatzes als Wendeschleife erwogen.

Problematischer seien Veränderungen im Bereich von Schulen, die an Straßen mit übergeordnetem Verkehr liegen, so Machulik. Dazu zählen die Klosterfeld-Grundschule an der Seegefelder Straße, die Charlie-Rivel-Grundschule an der Flankenschanze und die Bernhard-Lichtenberg-Grundschule am Hohenzollernring. Weil hier die der zuständigen Senatsverwaltung unterstehende Verkehrslenkung Berlin mitzureden habe, gebe es "noch sehr viel Gesprächsbedarf".

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