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Sören Benn, Bezirksbürgermeister von Pankow.

© picture alliance/dpa

Update

Grün-Rot-Rot in Pankow geplatzt: SPD und Linke wollen Benn als Bürgermeister halten

Paukenschlag in Pankow: SPD und Linke brechen die Verhandlungen mit den überraschten Bezirks-Grünen ab. Nun steht ein Politkrimi an – mit der CDU in einer Schlüsselrolle.

Von Christian Hönicke

Im einwohnerstärksten Berliner Bezirk wird es wohl kein Grün-Rot-Rotes Bündnis geben. Die Verhandlungen in Pankow zwischen Grünen, Linkspartei und SPD über die Fortführung ihrer Zählgemeinschaft sind geplatzt. Obwohl die Grünen die meisten Wählerstimmen erhalten haben, wollen Linke und SPD in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) formal nicht weiter mit ihnen zusammenarbeiten.

Sie stiegen Ende vergangener Woche aus den Dreier-Verhandlungen aus und formierten sich als Duo mit dem Ziel, den Linkspolitiker Sören Benn als Bürgermeister wiederzuwählen. Er sei im Vergleich zur Grünen-Kandidatin Cordelia Koch „der bessere Bürgermeister“, teilte die Linkspartei mit. Einen entsprechenden Antrag stellten beide Parteien für die kommende BVV-Sitzung am 4. November. Dann will sich die neue BVV konstituieren und im Idealfall auch gleich das neue Bezirksamt inklusive Bürgermeister(in) wählen.

Die Grünen zeigten sich vom Scheitern der Verhandlungen überrascht. Durch das Wahlergebnis habe man "die erfolgreiche Zusammenarbeit von Bündnisgrünen, Linkspartei und SPD der vergangenen Wahlperiode bestätigt gesehen" und entsprechende Gespräche aufgenommen, sagte Cordelia Koch. "Doch leider hat sich die SPD aus den Gesprächen unerwartet zurückgezogen." Auch die Linkspartei habe dann bekundet, "an gemeinsamen Gesprächen derzeit kein Interesse zu haben".

Die Grünen seien "mit deutlichem Abstand stärkste Kraft in Pankow geworden", so Koch weiter. "Damit haben die Wählerinnen und Wähler uns einen eindeutigen Auftrag gegeben." Es sei in Pankow "gute Tradition, den Wählerwillen zu achten. Wir gehen davon aus, dass das so bleibt." Die bisherige Fraktionsvorsitzende wollte eigentlich als Grünen-Spitzenkandidatin ins Rathaus einziehen. Dafür hätte ein Bündnis mit der Linkspartei gereicht, das eine absolute Mehrheit in der BVV bedeutet hätte – allerdings nur mit einer Stimme.

Doch dazu kam es nicht. „Wir haben von Anfang an gesagt, dass uns diese denkbar knappste Mehrheit über die gesamte Legislatur nicht ausreicht“, erklärte Linken-Fraktionschef Matthias Zarbock dem Tagesspiegel. „Das Ziel war daher ein Vertrag über eine grün-rot-rote Zählgemeinschaft.“

[Dieser Text stammt aus dem Pankow-Newsletter vom Tagesspiegel. Den kompletten Pankow-Newsletter gibt es kostenlos unter leute.tagesspiegel.de]

Doch die Konflikte der alten Zählgemeinschaft hätten nicht ausgeräumt werden können. „Nach mehreren sehr offenen Gesprächen ist die SPD ausgestiegen“, so Zarbock. „Da wir Grün-Rot allein nicht wollen, war die Verhandlungsphase auch für uns beendet.“

SPD sieht nach Konflikten keine Vertrauensbasis mit Grünen

Nach den harten öffentlichen Streitereien der jüngsten Zeit mit den Grünen etwa um die Zukunft des Kinos Colosseum und des Jahn-Sportparks habe insbesondere der SPD „Vertrauen“ und „Verlässlichkeit“ gefehlt, so Zarbock. Das bestätigte die Pankower SPD in einer offiziellen Erklärung: "Das notwendige Vertrauen konnte nicht aufgebaut werden." In der vergangenen Wahlperiode habe die Zusammenarbeit "nicht optimal funktioniert".

Die SPD würde in einer solchen Dreierkonstellation zudem "weder zur Mehrheitsbildung in der BVV Pankow gebraucht werden, noch im Bezirksamt". Mit der Linkspartei gebe es hingegen "weiterhin viele Gemeinsamkeiten und Vertrauen in die Zusammenarbeit".

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Die Grünen seien in den Verhandlungen zudem „nicht wirklich überzeugend“ aufgetreten und wären ihrem Führungsanspruch nicht gerecht geworden, erklärte der Linkspolitiker Zarbock. „Wir haben den Eindruck, die Grünen haben nicht ausreichend reflektiert, was wir in der Zählgemeinschaft vor allem durch das Handeln von Vollrad Kuhn wegtragen mussten.“

Die Amtsführung des grünen Bezirksstadtrats für Stadtentwicklung sei „eine Belastungsprobe“ für die Zählgemeinschaft gewesen. Die Linken werfen ihm den „falschen Umgang mit problematischen Bauvorhaben“ wie in der „Causa Colosseum“ vor, zudem „Zögerlichkeit“ bei der Ausübung des Vorkaufsrechts und „mangelnde Umsetzung von Beschlüssen der BVV“. Die Grünen halten das für vorgeschoben. "Vollrad Kuhn geht in seinen wohlverdienten Ruhestand", so Koch. "Die Argumentation macht keinen Sinn." Über die tatsächlichen Gründe "können wir nur mutmaßen".

Grüne hoffen auf Bündnis mit der CDU

Es gebe in jedem Fall „die größeren Schnittmengen inhaltlicher Natur“ und „das größere Vertrauen“ zwischen Linken und SPD, befand Zarbock. Dazu sehe die SPD Sören Benn nach Zarbocks Angaben als „ganz ausgezeichneten Bürgermeister“ und wolle ihn weiterhin unterstützen. „Sören Benn hat viele Konflikte, die von Vollrad Kuhn verursacht wurden, übernommen und moderiert“, so Zarbock. „Das hat die SPD außerordentlich richtig gefunden.“

Deshalb habe man nun den gemeinsamen Antrag zur Wahl Benns eingebracht. In der neuen Bezirksverordnetenversammlung kommt die Linkspartei auf zwölf Sitze, die SPD auf elf. Zur Wahl des Bürgermeisters reicht die einfache Mehrheit.

Die Grünen kommen allein nur auf 16 Stimmen und wollen die Tür zu Grün-Rot-Rot dem Vernehmen nach noch nicht vollständig zuschlagen. Allerdings haben sie sich nun parallel bereits der CDU (8 Sitze) zugewandt. "Wir reden grundsätzlich mit allen demokratischen Parteien", sagte Koch dazu. Beide Parteien zusammen kämen auf 24 Stimmen – eine mehr als das rot-rote Bündnis, aber keine absolute Mehrheit in der 55-sitzigen BVV.

In der BVV drohen nun wechselnde Mehrheiten

So stehen in Pankow nun instabile politische Verhältnisse an. Man stelle sich auf „wechselnde Mehrheiten“ in der neuen BVV ein, heißt es von Beteiligten. Dabei könnten auch die kleinen Fraktionen der AfD mit ihren 5 Stimmen und der FDP (3 Stimmen) im Zweifel den Ausschlag geben.

Eine Schlüsselposition für die Bildung einer einfachen Mehrheit zur Bürgermeisterwahl kommt nun insbesondere der CDU zu. Die Linkspartei geht davon aus, dass die CDU aufgrund der Parteivorgaben nicht für einen Linken-Kandidaten stimmen wird, hofft aber, dass sich die Union enthält. „Wir sind optimistisch, dass es reichen wird“, so Zarbock.

Ob die Union eher Koch oder Benn im Rathaus präferiert, wollte die neue CDU-Fraktionsvorsitzende Denise Bittner nicht sagen: „Das hat für uns beides Vor- und Nachteile.“ Man spreche im Moment mit den Grünen und der SPD „über Themen und Projekte, die wir voranbringen wollen. Aber Verhandlungen würde ich das jetzt nicht nennen.“ Sie hoffe, „dass wir bis zum 4. November irgendetwas auf die Reihe kriegen“.

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