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Die ehemalige Lungenklinik am Heckeshorn

© Thilo Rückeis

Update

Berlin-Wannsee: Anwohnerin klagt gegen Flüchtlingsunterkunft am Heckeshorn

Keiner kann genau sagen, wie viele Flüchtlinge nach Wannsee kommen. Eine Anwohnerin hat nun Klage gegen die Nutzung des ehemaligen Klinikareals am Heckeshorn als Flüchtlingsheim eingereicht.

In den letzten Wochen und Monaten oszillierten die Zahlennennungen zwischen 720, 1800 oder gar 3000 Flüchtlingen, die auf dem Gelände der ehemaligen Lungenklinik am Heckeshorn in Wannsee untergebracht werden sollen. Etwa 300 Flüchtlinge leben bereits auf dem Areal; Bürgermeister Norbert Kopp, CDU, hat zuletzt von insgesamt 1300 Flüchtlingen gesprochen, die im ehemaligen Klinikgebäude und in einem geplanten Modularbau untergebracht werden sollen. Eine Anwohnerin des Klinikgeländes erhebt nun grundsätzlich Klage gegen die Nutzung des Geländes als Flüchtlingsunterkunft.

In einer Pressemitteilung von ihrem Anwalt, Thomas Troidl, der die Klage beim Verwaltungsgericht gegen das Land Berlin eingereicht hat, heißt es: Die Klägerin wohne angrenzend an die ehemalige Klinik und sehe in den Bebauungsplänen ihren Rechtsanspruch auf „Abwehr gebietsfremder Nutzungen“ aus dem Bebauungsplan X-27 verletzt. Dieser lege das Areal als „Sondergebiet Klinik“ sowie das Gebiet Am Großen Wannsee als „allgemeines Wohngebiet“ fest. Andere Nutzungen seien daher unzulässig.

„Es gibt einen rechtlich vorgegebenen Rahmen, der hier nicht gewahrt wird“, sagt Troidl. „Wir wehren uns dagegen, dass es keine Baugenehmigung gibt, denn hier liegt nun eine Nutzungsänderung vor, die genehmigungspflichtig wäre. Der Bebauungsplan stellt ja auf reines Wohnen ab, und der würde mit einer Nutzung als Flüchtlingsunterkunft ausgehöhlt werden.“ Ein Bebauungsplan könne zwar auch geändert werden, aber dann müssten Anwohner einbezogen werden. Die Rechte der Anwohner dürfen jedenfalls nicht ausgehebelt werden.

Hinter dem Verfahren gegen das geplante Flüchtlingsheim steht die Initiative Wannsee 300. Da nur „Grundeigentümer im Plangebiet klagebefugt“ sind, klagt nun eine einzelne Anwohnerin, wie die Initiatoren in einer Email vom 18. Februar an ihre Unterstützer schreiben. Weil „das finanzielle Risiko für einen einzelnen Kläger viel zu hoch ist“, rufen sie darin ihre Mitstreiter auch zur finanziellen Unterstützung auf.

Laut Gottfried Aust von Wannsee 300 befürchten die Anwohner, dass der Senat das ehemalige Klinikgelände in „ein riesiges Flüchtlingslager für rund 1.800 Menschen oder mehr umwandelt“. Dafür soll Wald gerodet werden, um mehrstöckigen „Modularbauten“ Platz zu machen. „Wir sind dafür, die bereits am Standort Heckeshorn lebenden Flüchtlinge zu unterstützen und zu integrieren. Doch die geplante Massenunterbringung hier am äußersten Stadtrand von Berlin halten wir für alle Beteiligten für unzumutbar!“ Die jetzige Verkehrssituation vertrage keine zusätzlichen 1.800 Menschen. Zudem würde eine wirkliche Integration bei rund 700 direkten Anwohnern der Lungenklinik gegenüber rund 2.000 Flüchtlingen unmöglich, da die ehrenamtlichen und hauptberuflichen Helfer vor Ort völlig überfordert würden. „Die Folge wäre, dass zwangsläufig ein Stadtrandgetto entsteht."

Helmut Krech vom Ökumenischen Willkommensbündnis Wannsee (OEWW) sieht es gelassen: „Mögen sie klagen, aber ich finde das Signal, das Wannsee 300 damit aussendet, schade. In Wannsee haben wir eine gute Reputation, was die Integration von Flüchtlingen angeht. Wir haben 250 Freiwillige, die sich um die Flüchtlinge kümmern. Viele Unterstützer der Initiative Wannsee 300 unterstützen parallel auch das OEWW." Krech findet trotzdem, dass man die Sorgen ernst nehmen solle. "Denn gegen die Bildung von Banlieues wie in Frankreich bin ich auch. Wie viele genau kommen, steht ja anscheinend nicht fest. Ich fände es aber schade, wenn unsere Willkommenskultur hier in Wannsee nun von einer Empörungskultur abgelöst werden würde. Ich finde, es tut unserer Gesellschaft gut, sich mit Tugenden wie Barmherzigkeit zu beschäftigen.“

"Ich verbitte mir, nach Geld gegen ein Flüchtlingsheim gefragt zu werden"

Wie sehen das andere Anwohner der Flüchtlingsunterkunft? Eine blonde Dame sagt: „Ich bin eine der 1750 Einwohner in "unmittelbarer Umgebung", wie die Herren von Wannsee 300 immer so schön sagen. Ehrlich, ich verbitte mir eigentlich, nach Geld für eine Klage gegen ein Flüchtlingsheim gefragt zu werden.“

Eine ältere Dame, die gerade aus dem Bus direkt vor dem Eingang der ehemaligen Lungenklinik steigt, sagt mit Blick auf das Gelände: „Wo sonst sollen sie die Leute denn unterbringen? Also, ich habe von den Asylbewerbern noch nichts mitbekommen.“ Eine Klage würde sie deshalb auch nicht finanziell unterstützen. „Das Geld wäre doch bei den Flüchtlingen besser aufgehoben.“

Ein Passant mit Schäferhund meint: „Die Kläger haben doch nur Angst, dass ihre Grundstücke dann weniger wert sind. Dabei sind die Flüchtlinge doch aus der Hölle geflohen. Das ist doch absurd. Für mich einfach nicht nachvollziehbar.“

Ein anderer etwa 70-jähriger Passant in schwarzem Mantel und mit rotem Regenschirm sieht das anders. „Ich habe nichts gegen die Leute, die hier Schutz suchen, aber jetzt reicht es auch langsam. Ich finde es richtig, dass da jetzt ein Zeichen gesetzt wird.“

Was genau er mit dem Zeichen meint, lässt er offen, anscheinend will er im Regen schnell weiter.

Anwalt Troidl jedenfalls rechnet sich gute Chancen aus, "vergleichbar mit dem Parallelfall in Hamburg." Dort hatten im Vorort Harvestehude Mitte Dezember Anwohner den Einzug von Flüchtlingen in ein ehemaliges Bundeswehrgebäude einstweilig gestoppt. Die Begründung: Das Wohngebiet sei besonders geschützt.

Bei der Senatsverwaltung konnte man sich zu der Klage noch nicht äußern. Und der für den Bebauungsplan X-27 zuständige Bezirksstadtrat Frank Mückisch, CDU, war für den Tagesspiegel noch nicht zu erreichen. Allerdings sagt der Referent des Bezirksbürgermeisters Knopp, Gernot Mann: "Der Bebauungsplan setzt das Gebiet als Klinik fest, das stimmt, allerdings hat sich die Situation verändert: Der Bezirk ist nun nicht mehr für die Baugenehmigungen zuständig, sondern die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Was die Nutzung des Geländes angeht, wird es wohl so sein, dass dann subsumiert wird nach der Rechnung: Klinik ist gleich sozial und Flüchtlingsunterkunft ist auch sozial, also OK."

Auch der Bezirksbürgermeister halte übrigens Modularbauten auf dem Gelände für ungeeignet, maximal 700 Flüchtlinge seien wohl zu verkraften.

Die Autorin schreibt für den Tagesspiegel und für Tagesspiegel Zehlendorf, das digitale Stadtteil- und Debattenportal aus dem Berliner Südwesten, auf dem dieser Text erscheint.

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