zum Hauptinhalt
Der Bierpinsel an der Schlossstraße, errichtet in den 70ern, heute knallbunt.

© Kirchner

Bierpinsel unter Denkmalschutz: Top of the Pop

Der Bierpinsel steht jetzt unter Denkmalschutz - und weckt Erinnerungen. Was haben Sie dort erlebt? Kommentieren und diskutieren Sie mit!

„Telespargel“, „Schwangere Auster“ – viele der angeblich dem Berliner Volksmund entsprungenen Gebäudespitznamen benutzen Berliner gar nicht. Anders der Bierpinsel: Der formschöne Turm in der Schloßstraße hatte seinen Namen schon bald nach seiner Eröffnung 1976 weg und behielt ihn stur, übrigens auch per Schild bestätigt. Ich war immer Bierpinsel-Fan, vor allem als ich ihm zu Fuße in der Schildhornstraße wohnte. Sein freundlicher Anblick entschädigte für den Lärm und die schlechte Luft durch die Autos, die die Joachim-Tiburtius-Brücke herabschossen und deren Fahrer die Schildhornstraße nicht als von Menschen bewohnt, sondern als Zubringer zwischen zwei Autobahnen ansahen; Krach und Tempo entsprechend der autogerechten Stadt.

Der Bierpinsel ist Pop. Als ich mich später für Berliner Architektur zu interessieren begann, las ich von der Pop-Architektur sowie deren Vertretern Ursulina Schüler-Witte und Ralf Schüler. Als Architekten des Bierpinsels hatten sie die großartige Gestaltungsidee, dessen rot-blauen Playmobil-Stil über die Tiburtiusbrücke bis in den U-Bahnhof Schloßstraße hinunterzuziehen. Unbedingt passend, dass es unter der Brücke einen empfehlenswerten Spielwarenladen gibt. Rainer Rümmler, als Berliner U-Bahn-Baumeister der Alfred Grenander der Mauerjahre, hat in ähnlichem Stil den U-Bahnhof Fehrbelliner Platz gestaltet und mit spielerischer Architektur einen Kontrast zum Nazibau drumherum geschaffen.

Seit 2006 steht der Bierpinsel nach mehreren Pleiten leer. Demnächst, in Berlin formulieren wir vorsichtig, soll das Bauwerk saniert und wieder eröffnet werden. Eigentlich war das für 2017 geplant, aber das wird jetzt etwas schwieriger wegen neuer Auflagen: Denn obendrein steht der Bierpinsel samt U-Bahnhof und Brücke – wie auch der U-Bahnhof Fehrbelliner Platz –, jetzt unter Denkmalschutz. Völlig verdient, wie ich finde. Und wenn er dereinst wieder öffnet, gebt ihm bitte seine ursprüngliche Farbe zurück. Markus Hesselmann

Bierkreisel

Anfang der achtziger Jahre zog ich nach Steglitz – ganz in die Nähe des „Steglitzer Kreisels“. Es waren nur ein paar Gehminuten hin zu diesem markanten Gebäude, das da bauchig direkt in Höhe des Autobahnzubringers auf seinem Turm thront. Genau so sieht doch ein Kreisel aus. Warum dieses doch verhältnismäßig kleine Bauwerk solch einen Skandal auslöste und etliche Abermillionen verschlungen hatte, war mir damals zwar ein Rätsel, aber für ausgeschlossen hielt ich es nicht in Berlin. Als ich dann in der Zeitung den echten Kreisel sah, war mir meine Naivität doch ein wenig peinlich. Sigrid Kneist

Steakpinsel

In den Bierpinsel ging man in den Achtzigern vor allem, wenn man ein zünftiges Steak mit tollem Ausblick über den Süden der Stadt genießen wollte. Die Fensterplätze waren immer zuerst besetzt, so musste man besonders am Wochenende etwas zeitiger kommen oder reservieren. Hatte man als Kreuzberger Lust auf ein gutes Stück Rindfleisch, fuhr man meistens eher in Richtung Ku’Damm in ein (süd-)amerikanisch klingendes Restaurant. Brauchte es jedoch mehr Ambiente, war der Bierpinsel gefragt. Etwas preiswerter als die meisten anderen bekannten Steakhäuser in der Stadt mit gemütlicher Beleuchtung und rustikal eingerichteten Möbeln, konnte damals kein anderes Steakhaus eine derart tolle Aussicht darbieten - und geschmeckt hat es dann auch noch. Atila Altun

Wie mit Muttern

Wenn schon Westen, dann muss er glitzern. So dachte ich nach dem Mauerfall, als ich als jugendlich-neugieriger Ost-Berliner an jeder S- und U-Bahnstation meiner mir unbekannten Stadt einmal ausstieg, um die große weite Welt im Nachbarkiez zu entdecken. Und was soll ich sagen: An der Schloßstraße glitzerte es. Hier in Steglitz trug ich mehr Westgeld in Klamottengeschäfte als am Ku'damm (ich hatte ja nicht so viel), hier ging ich mit meiner ersten Freundin aus West-Berlin im Eiscafé ein Bier trinken. Und mit meiner Mutter, mit der ich in der Vorweihnachtszeit auch noch als Student immer einen Einkaufsbummel machte, landete ich stets im Bierpinsel.

Hier war es zwar nicht so hoch und hochwertig wie auf unserem Fernsehturm, aber mindestens ebenso liebenswert. Schon der Aufstieg auf der Wendeltreppe zeigte, dass West-Berlin auch liebenswert ranzig sein konnte, selbst an einer glitzernden Einkaufsstraße. Oben dann standen die Stühle eng genug beieinander, um auch die Gespräche der Tischnachbarn zu belauschen; der Kuchen war schön tantig-sahnig und das Publikum überraschend fluffig-flippig. Hier oben wirkte Berlin entspannt und charmant. Später, als der Bierpinsel dicht machte, wich ich mit meiner Mutter ins Café Kranzler aus. Aber was soll ich sagen: Glitzer ist auch nicht alles. Robert Ide

Stiller Ausblick

Endlich Halbzeit, endlich Fensterplatz (die waren ständig belegt). Kein Gequatsche, sogar Marcel Reif war stumm, – ja, auch so ein Idyll gab’s hier oben. Die Aussicht: herrlich, kein Blick auf öde Fliesen, alberne Werbung, schmutzige Aufkleber an Türinnenwänden. Stattdessen: Skyline Südwest mit Kreisel, Boulevard, glitzernden Kaufhäusern in der Dunkelheit. Ein stilles Örtchen, von dem man einen Blick hatte über Berlin, wo gab’s das schon? Dieses Herren-Pissoir mit breitem Fenster über dem Pinkelbec… „DAUERT’S NOCH LANG!?“ Dieser spezielle Panoramaplatz in 40 Meter Höhe war leider nach 60 Sekunden zu verlassen, dann drängelte einer von hinten, und manchmal waren’s die Fußballer von Hertha, die im schummerigen Bierpinsel heimlich ihr Bier tranken. Und wo die dann alle hinmussten, ist logisch. André Görke

Formgebungen und Materialien sind einmalig und Zeitgeschichte. [...] Steglitz wurde durch die Umgestaltung erst zu einem neuen Stadtzentrum. Diesen Bauten wohnt eine Vision der damaligen Vorstellungen einer modernen, flotten, sauberen und ordentlichen Stadt inne, die dann doch nie Wirklichkeit wurde.

schreibt NutzerIn siddharta

Kunstlederstühle und Schränke

Es ist nicht mehr ganz klar, ob es um ein Ruhr- oder Rheinderby ging, jedenfalls irgendwas mit Schalke, Dortmund, Köln oder Gladbach. Ein bleischwerer Sonntagspätnachmittag zu einer Zeit, als Sky Go nicht erfunden und eine Fußballkneipe mit Sendebereitschaft noch ein Geheimtipp war. Das Zauberwort lautete: Sportsbar, und eine solche hatte den Bierpinsel übernommen. Wenn die Erinnerung nicht trügt, die von den ersten frühen Getränken beeinträchtigt ist, wirkte der runde Raum etwas kühl, trotz des schummrigen Lichts, und wenn ich ihn zeichnen müsste, würde auf dem Papier eine Reihe dunkelroter Kunstlederstühle mit Messinggriffen zu sehen sein, aber außer uns kein Mensch. Das Spiel hatten wir ganz für uns, bis in die zweite Halbzeit hinein. Doch dann ging die Tür auf und ein paar Schränke mit Beinen im US-Outfit stiefelten rein. Sie mussten nicht mal Gewalt anwenden - wahrscheinlich nicht von selbst, aber doch wie selbstverständlich wechselte das Programm: von der grauen Bundesliga zum Vorglühen auf American Football. Natürlich sind wir nie wieder hin, und deshalb war es auch kaum überraschend, dass irgendwann die Meldung kam: Abpfiff für den Bierpinsel. Lorenz Maroldt

Und Sie, liebe Leserinnen, liebe Leser? Was sind Ihre Erinnerungen an den Bierpinsel? Haben Sie ihn auch schon mit dem Steglitzer Kreisel verwechselt? Welches der Restaurants und sonstigen Gastronomiebetriebe, die kamen und gingen, haben Sie dort besucht? Was würden Sie sich in einem wiedereröffneten Bierpinsel wünschen? Kommentieren und diskutieren Sie mit! Nutzen Sie dazu bitte die einfach zu bedienende Kommentarfunktion etwas weiter unten auf dieser Seite.

Zur Startseite