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Zwei ehemalige Lehrer am Arndt-Gymnasium haben ein Buch über ihren Arbeitsplatz geschrieben. Darin geht es vor allem um die Geschichte der Schule.

© Ina Czyborra

Buch über die Geschichte des Arndt-Gymnasiums Dahlem: Vom "Deutschen Oxford" zum Schwarzen Grund

Vor über 100 Jahren wurde das Arndt-Gymnasium Dahlem als privates elitäres Landschulheim gegründet; heute besuchen rund 700 Schülerinnen und Schüler die Schule. Jetzt gibt es ein Buch über die Geschichte des "Arndt", das unsere Autorin Ina Czyborra, die dort selbst zur Schule gegangen ist, gelesen hat.

Blonde Heino-Perücke und schwarze Sonnenbrille, ein Schüler wird auf den Schultern seiner Mitschüler über die Bühne der Aula des Dahlemer Arndt-Gymnasiums getragen. Es erklingen Lieder von Ernst Moritz Arndt, dem Namensgeber der Schule. Das ist meine Erinnerung an die damals umstrittene und zugleich umjubelte Revue zur 75-Jahr-Feier des humanistischen Gymnasiums 1983, die sich kritisch mit dem Namen und dem Programm der Schule auseinandersetzte.

Mittlerweile hat die Schule die 100-Jahr-Feier hinter sich und kürzlich erschien das Buch „Das Arndt-Gymnasium und die Richtersche Stiftung - Grundzüge ihrer Geschichte von den Anfängen bis 1981.“  Es wurde von Manfred Röhrich geschrieben und nach dessen plötzlichem Tod von Werner Weilhard vollendet. Beide Autoren sind ehemalige Lehrer am Arndt-Gymnasium, die ich aus meiner Schulzeit als prägende Persönlichkeiten in Erinnerung habe. Der Verein der Freunde des Arndt-Gymnasiums e.V. hat das Buch herausgegeben.

Das Arndt-Gymnasium als Teil eines "Deutschen Oxford"

Der Band ist im Wesentlichen eine sorgfältig recherchierte und mit zahlreichen Abbildungen versehene Chronik. Sie beginnt mit einer Einbettung der Gründungsgeschichte der Schule in die Dahlemer Geschichte, die um 1900 wesentlich mit der Aufteilung des Domänengeländes für eine Villenkolonie und mit der Ansiedlung von Wissenschaft im Rahmen der Idee eines „Deutschen Oxford“ verbunden war. Hier hätte ich mir gewünscht, dass die wichtige Rolle von Emmy Schweitzer Erwähnung gefunden hätte. Ohne ihren Einfluss wäre wahrscheinlich eine schachbrettartige Planierung Dahlems durchgeführt worden, der auch der Schwarze Grund, ein Teil des Thielparkes, als eiszeitliche Landschaft zum Opfer gefallen wäre. Dabei macht gerade der Schwarze Grund die Lage des Arndt-Gymnasiums reizvoll. Emmy Schweitzer hätte wirklich einen Straßennamen in Dahlem verdient.

"Adelige Landkinder, keine Intellektuellen!"

Ausführlich wird die Gründungsgeschichte und Gründungsidee von Johannes Richter, dem Initiator und Organisator des Arndt-Gymnasiums, im Buch geschildert - insbesondere seine reform-pädagogische Vision, die sich in dem spontanen Vorschlag für eine Namensgebung äußert. „Der Name Arndt bezeichnete den Jungenschlag, den man sich wünschte“, wird der ehemalige Direktor Wachsmuth der Schule zitiert, nämlich „adelige Landkinder, keine Intellektuellen!" Tatsächlich werden die Ideen Richters schon damals als eher rückständig belächelt. Die in der Gründungsrede der Schule von Martin Kremmer beschworene Biederkeit („starker, tapferer und biederer deutscher Mann“) ist in Berlin um 1900 nicht gerade en vogue. So wird die Schule und ihre „feuDahlemer“ Schülerschaft auch in der Presse durch den Kakao gezogen. Obwohl es sich um eine öffentliche Schule handelt, ist das Schulgeld von 140 Mark pro Jahr für den Großteil der Bevölkerung zu teuer – es handelt sich um ein Sechstel des damaligen durchschnittlichen Jahresverdiensts eines Arbeiters.

Die Autoren Röhrich und Weilhard schildern den Ausbau der Schule (unter anderem mit Schwimmbad), die Verleihung des Privilegs, auf dem Grunewaldsee rudern zu dürfen, die Gründung des Schüler-Rudervereins und den Beitritt zum heute noch erfolgreichen Dachverband „Schülerruderverband Wannsee“.

Als Idioten- und Junkerschule verschrien polarisiert das Arndt-Gymnasium und letztlich führt gerade das zu einer Welle von Anmeldungen.

Hakenkreuz-Schmiererein, Koedukation und der "Neubau"

Die Chronik führt weiter durch die Kriegsjahre: Kaum hat der erste Abiturjahrgang 1914 bestanden, wird ein großer Teil der Schüler und Lehrer zum Wehrdienst einberufen oder sie melden sich freiwillig. Das Ende des Kaiserreiches und die Ausrufung der Republik werden mit Schock erlebt. Es folgen das Wachstum der Schule, Erfolge im Rudern, ein neuer realgymnasialer Zweig. Zwischen den Kriegen entwickelt sich die Schule in deutlicher Distanz zur Weimarer Republik und im Jahr 1933 treten viele Schüler der Hitlerjugend bei. Trotzdem bietet die eher „kaiserliche Gesinnung“ auch nichtarischen Schülern einen gewissen Schutz. Leider bleibt offen, was das in letzter Konsequenz bedeutet hat. Eine AG der Schule will aber demnächst dieser Frage nachgehen und das Schicksal jüdischer Schüler/innen untersuchen.

Ab 1939 fallen bereits kurz nach Kriegsbeginn etliche Schüler, einige Gebäude werden zerbombt und 1943 wird auch das Schulgebäude schwer getroffen. Zwei Jahre lang gibt es keinen Unterricht. Nach dem Krieg ist die „Zielgruppe“ der Schule quasi vernichtet. Zunächst wird die Schule eine zwölfjährige Einheitsschule mit Koedukation nach dem Schulgesetz für Groß-Berlin. Im Jahr 1947 findet sie ihren Platz bei der Neuordnung des Berliner Schulwesens als Oberschule des wissenschaftlichen Zweigs - seit 1952 mit dem neu eingeführten 13. Schuljahr. Als 1956 der Förderverein gegründet wird, gibt es bereits eine Ruderriege für Mädchen und im Jahr 1958 sind schon sieben von 32 Lehrkräften Frauen und 140 von 540 Schülern Mädchen. Die nahe gelegene Gertraudenschule für Mädchen leidet an Nachfrageschwund und wird letztlich geschlossen. Heute ist in dem Gebäude die Gail S. Halvorsen Sekundarschule. Es folgen die 68er-Jahre - auch am Arndt-Gymnasium werden die Schüler/innen unruhig - und die Oberstufenreform. Der „Neubau“, der wohl bis heute so heißt, entsteht 1975. Es kommt zu einer Schulreform, die Mitbestimmungsrechte und Meinungsfreiheit fördert. Es gibt Hakenkreuz-Schmierereien und Antifa sowie Renovierungsarbeiten.

Mit dem Jahr 1981 endet das Buch

Hier beginnt meine aktive Erinnerung an das Arndt-Gymnasium; 1978 bin ich dort eingeschult worden. Im Jahr 1981 wurde die schon lange notleidende Richtersche Stiftung geschlossen und auch das Buch endet an diesem Zeitpunkt.

Mir hat es Spaß gemacht, mich 30 Jahre nach dem Abi am Arndt noch einmal mit der Geschichte der Schule auseinanderzusetzen. Ich finde es schade, dass die letzten 30 Jahre in der Chronik fehlen, obgleich sie vielleicht weniger spektakulär sind als die Ereignisse nach der Jahrhundertwende, während der Weltkriege und in der Nachkriegszeit. Für Ehemalige, aktive und zukünftige Schüler/innen und Eltern ist es sicher schön, diese kompakte Darstellung zur Hand zu haben. Ich finde auch die zahlreichen historischen Aufnahmen sehr spannend, die man zum Teil nicht ohne Mühe im heutigen Stadtbild wieder finden kann. Das Buch hält sich mit Bewertungen weitestgehend zurück. Das finde ich schade, aber es lässt vor allem die historischen Aussagen und Texte sprechen und viel Raum für eigene Gedanken, Nachforschungen und Diskussionen. Vielleicht gibt es irgendwann ja einen zweiten Band.

Die Autorin Ina Czyborra hat vor 30 Jahren Abitur am Arndt-Gymansium Dahlem gemacht. Heute geht eines ihrer drei Kinder auf die Schule.
Die Autorin Ina Czyborra hat vor 30 Jahren Abitur am Arndt-Gymansium Dahlem gemacht. Heute geht eines ihrer drei Kinder auf die Schule.

© privat

Die Autorin entschied sich vor 36 Jahren wegen der alten Sprachen Latein und Alt-Griechisch für das "Arndt", denn sie wusste schon früh, was sie studieren will: Archäologie. Nach abgeschlossenem Studium an der Freien Universität Berlin ist sie heute vor allem als Frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus aktiv. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegels.

Das Buch „Das Arndt-Gymnasium und die Richtersche Stiftung - Grundzüge ihrer Geschichte von den Anfängen bis 1981" kann für 15 Euro auf Anfrage im Sekretariat des Arndt-Gymnasiums Dahlem unter 030/8315052 erworben werden. Weitere Bestellungen können auch per Post an "Freunde des Arndt-Gymnasiums e.V. Königin-Luise-Straße 80-84 in 14195 Berlin" oder per E-Mail an "alte-arndter@web.de" gerichtet werden.

Ina Czyborra

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