zum Hauptinhalt
Soll wieder zur guten Stube im Kiez werden: Der Kranoldplatz in Lichterfelde.

© Anett Kirchner

Bürgerinitiative kämpft um Aufwertung des Kranoldplatzes: Einst die „Gute Stube“ von Lichterfelde-Ost

Als laut, baumlos und gefährlich erleben Anwohner den Kranoldplatz. Seit Jahren versucht eine Bürgerinitiative, den Platz in Lichterfelde aufzuwerten, doch ein Bürgerantrag stoppte das Unterfangen. Der Knackpunkt: Ein Wochenmarkt.

Kein Baum steht auf dem Kranoldplatz in Lichterfelde-Ost, deshalb gibt es hier auch keinen Schatten, geschweige denn Bänke zum Verweilen. Wer den Platz betritt, will schnell wieder weg. Es ist laut, quirlig und gefährlich. So empfinden es jedenfalls die Anwohner der Bürgerinitiative Kranoldplatz. Seit vier Jahren setzen sie sich für eine Aufwertung des Platzes ein, den sie als das Herz des Kiezes bezeichnen. Sie sammelten etwa 1400 Unterschriften von Bürgern und Geschäftsleuten, entwickelten Vorschläge zur Umgestaltung, sprachen mit Bezirkspolitikern. Doch ein Bürgerantrag, der Anfang des Jahres von den Bezirksverordneten beschlossen wurde, brachte die Initiative vorläufig zum Stehen. „Ein Nackenschlag, doch wir wollen nicht aufgeben“, sagen sie.

In dem Bürgerantrag steht, dass das Bezirksamt ersucht wird, sicherzustellen, dass keine baulichen Maßnahmen am und auf dem Kranoldplatz durchgeführt werden, die den Bestand des Wochenmarktes in seinem Umfang, seinem Angebot und seiner Zugänglichkeit zeitweise oder dauerhaft gefährden. Knackpunkt ist demnach der Wochenmarkt, der mittwochs und samstags auf dem Kranoldplatz stattfindet.

„Das ist der am besten laufende Markt im Bezirk, eine Art Aushängeschild“, erklärt Oliver Rolle, Bezirksverordneter der CDU. Deshalb spreche sich seine Fraktion für den Erhalt des Kranoldplatzes in der jetzigen Form aus. Eine umfassende Umgestaltung bedeute außerdem hohe Kosten, der Bezirk habe aber keinen finanziellen Spielraum, müsse hier andere Prioritäten setzen; etwa die Sanierung von Schulen.

Für Fahrradfahrer ist die Verkehrsführung besonders gefährlich, findet die Bürgerinitiative
Für Fahrradfahrer ist die Verkehrsführung besonders gefährlich, findet die Bürgerinitiative

© Anett Kirchner

So war es auch die CDU mit Cornelia Seibeld, von der die Initiative für den Bürgerantrag in der BVV ausging. Sie ist Mitglied des Abgeordnetenhauses und hat ihren Wahlbezirk in Steglitz-Zehlendorf. Unter dem Motto „Der Kranoldmarkt bleibt, wie er ist. Keine Reduzierung des Angebotes wegen Umbau oder Verschönerung“ sammelte sie 1100 gültige Unterschriften von Marktbesuchern. Auch wenn der Platz durchaus eine Aufwertung erfahren könne, wie sie auf ihrer Homepage mitteilt, wolle sie aber nicht, dass das mit dem Verlust an Marktständen und Parkplätzen einhergehe.

„Polemisch und scheinheilig“, finden das Jutta Goedicke, Jürgen Müller und Hans Boerner von der Bürgerinitiative. Denn das soll wohl den Eindruck erwecken, als ob sie den Wochenmarkt nicht mehr haben wollten. Das stimme aber nicht. „Wir gehen selbst hier einkaufen und wissen, wie beliebt der Markt im Kiez ist.“ Alle drei wohnen in der Nähe. Sie lieben und kennen den Stadtteil. Goedicke lebt seit 1985 hier, Müller seit 15 Jahren und Boerner seit 45 Jahren.

Sie sind überzeugt: Die Leute würden auch weiterhin hier einkaufen, wenn die Marktstände nach einer Umgestaltung an einer etwas anderen Stelle des Kranoldplatzes stünden. Für die Umbauzeit schlagen sie einen Übergangsstandort in der Nähe vor. „Wir haben das Gefühl, dass die Markthändler nicht bereit sind, ihre Stände auch nur einen Meter nach links oder rechts zu versetzen.“ Und mit einer so geringen Bereitschaft lasse sich nichts verändern. Vor allem, wenn man bedenke, dass der Markt lediglich zwei Mal pro Woche stattfindet. Sonst werde der Platz als Parkplatz genutzt.

Der Kranoldplatz ist das Herz des Kiezes, sagen die engagierten Bürger
Der Kranoldplatz ist das Herz des Kiezes, sagen die engagierten Bürger

© Anett Kirchner

Konkrete Vorschläge für den Umbau haben die Anwohner auf einer Webseite formuliert. So wünschen sie sich unter anderem eine andere Verkehrsführung am Kranoldplatz, weil es dort besonders für Fahrradfahrer und Fußgänger gefährlich sei. Um den Platz aufzuwerten, schlagen sie vor, eine Reihe an Bäumen zu pflanzen, ein einheitliches Niveau mit den angrenzenden Straßen und eine verkehrsberuhigte Zone zu schaffen.

„Kleine Schritte wären schön, wenn zum Beispiel ein erster Baum gepflanzt würde“, beschreibt Jutta Goedicke. Am Geld soll es nicht scheitern, denn viele Ärzte und Geschäftsleute hätten schon ihre Bereitschaft zum Spenden angekündigt. Hoffnung setzt die Bürgerinitiative jetzt noch in die Fraktion der Grünen von Steglitz-Zehlendorf. „Sie sind die einzigen, die uns unterstützen“, erzählt Jürgen Müller.

Gleichwohl haben auch die Grünen dem BVV-Bürgerantrag zugestimmt. „Wir teilen die Ziele der engagierten Bürger, sehen die Forderungen für den Platz und die Kreuzungen als recht realistisch an“, erklärt Bernd Steinhoff, Sprecher für Bauen, Wohnen und Verkehr. Dem stünde auch der aktuelle Beschluss nicht entgegen. Der Kranoldplatz sei einst die „Gute Stube“ von Lichterfelde-Ost gewesen und jetzt zu einer Abstellkammer für Pkw heruntergekommen.

Jeweils mittwochs und samstags findet hier ein Wochenmarkt statt
Jeweils mittwochs und samstags findet hier ein Wochenmarkt statt

© Anett Kirchner

„Die Menschen sollen sich hier wieder wohl fühlen“, findet Steinhoff. Für die Zeit des Umbaus sei ihm wichtig, dass der Wochenmarkt auf dem Platz bleibe und kein Ersatzstandort erforderlich sei. Er schlägt zwei Bauabschnitte vor; einmal auf der westlichen und einmal auf der östlichen Platzhälfte. Der Markt könne jeweils auf der anderen Platzhälfte und in den angrenzenden Straßen stattfinden; werde flächenmäßig dann nicht eingeschränkt. Nach einer Kostenschätzung der Grünen würde der Umbau, einschließlich der Änderung der Verkehrsführung, etwa 700.000 Euro kosten.

Die BVV-Fraktion der SPD in Steglitz-Zehlendorf hingegen steht einer größeren Umgestaltung kritisch gegenüber und verweist auf Erfahrungen mit dem Umbau des Ludwig-Beck-Platzes in Lichterfelde-West. „Während dieser Zeit konnten die Markthändler auf dem Platz ihren Handel nicht betreiben, haben sich umorientiert oder das Geschäft aufgegeben“, erinnert Isabel Miels (SPD). Heute seien auf dem Ludwig-Beck-Platz nur noch wenige Händler vertreten. Ein Umbau des Kranoldplatzes ohne erhebliche Verluste für die Händler vor Ort sei daher nicht möglich. „Die Händler fürchten aus unserer Sicht zu recht um ihre Existenz.“

(v.li.) Hans Boerner, Jutta Goedicke und Jürgen Müller von der Bürgerinitiative
(v.li.) Hans Boerner, Jutta Goedicke und Jürgen Müller von der Bürgerinitiative

© Anett Kirchner

Es gebe in der Tat einladendere Orte als den Kranoldplatz, bestätigt Miels. Die Flächen an der Lankwitzer Straße seien durch den verkehrsbedingten Lärm und die Abgase nicht zum gemütlichen Verweilen geeignet. „Dazu laden eher der Platz hinter dem Bahnhof am Jungfernstieg oder der Platz vor der Petruskirche ein“, schlägt sie vor. Es könne auch geprüft werden, ob vor dem Haus Lankwitzer Straße 1 ein Baum gepflanzt und eine Bank aufgestellt werden könne. Aus ihrer Sicht mögen die Menschen hier ihren Kranoldplatz so, wie er ist. „Dem schließen wir uns an, deshalb möchten wir nicht, dass an ihm herumexperimentiert wird.“

Auch die Piraten in der BVV von Steglitz-Zehlendorf sind skeptisch, lehnen eine Umgestaltung zwar nicht generell ab, sehen aber im Augenblick keine Möglichkeit für den Umbau; vor allem mit Blick auf die aktuelle Haushaltslage. „Der Markt soll nicht gefährdet werden und die finanzielle Lage im Bezirk zwingt zu klaren Prioritätensetzungen“, sagt der Fraktionsvorsitzende Eric Lüders. Was in diesem Rahmen möglich und sinnvoll sei, unterstützten die Piraten.

Der Text erscheint auf Tagesspiegel Steglitz-Zehlendorf, dem digitalen Stadtteil- und Debattenportal aus dem Südwesten. Folgen Sie der Redaktion Steglitz-Zehlendorf gerne auch auf Twitter.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false