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In der Juli-BVV ging es in einer Großen Anfrage um die maroden Schulen

© Anett Kirchner

BVV-Sitzung im Juli in Steglitz-Zehlendorf: „Die Bezirke werden mit Almosen abgespeist“

Die letzte BVV vor der Sommerpause und vor der BVV-Wahl im September nutzten einige Verordnete, um sich zu verabschieden, andere für Wahlkampfreden. Dabei ging es vor allem um die maroden Schulen im Bezirk.

„Das Thema Bildung ist viel zu wichtig, als dass es sich als Wahlkampfthema eignen würde!“ Uwe Köhne, eigentlich ein Mann der leisen Töne, war sichtlich aufgebracht, als er das gestern in der monatlichen Sitzung der Bezirksverordneten im Rathaus Zehlendorf sagte. Er stützte die Hände fest auf das Rednerpult und schaute über seine Brille eindringlich in die Runde. Plötzlich war es still. Einige schauten zu Boden, als schämten sie sich. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen fuhr fort und erklärte, dass er jahrelang mit ausländischen Studierenden am Studienkolleg gearbeitet und gesehen habe, was es bedeute, wenn Bildung in anderen Ländern nicht funktioniere. „Ich möchte nicht, dass es bei uns so weit kommt“, sagte er. Vernünftige, gut ausgestattete Schulen, in denen sich Schüler wohl fühlten, seien unabdingbar.

Anlass seines Plädoyers war eine erneute Diskussion zu dem Sanierungsstau an den Schulen im Bezirk. Die CDU-Fraktion hatte dazu eine Große Anfrage gestellt und die schwarz-grüne Zählgemeinschaft brachte einen Antrag mit der Forderung ein: „Transparenz zum Zustand der Schulen noch vor den Wahlen.“ Auch die CDU könne sich hier nicht ganz aus der Verantwortung ziehen, fügte Uwe Köhne hinzu und ging damit auf seine Vorrednerin Cerstin Richter-Kotowski ein.

Dann verabschiedete er sich. Dies sei seine letzte Rede in der BVV - nach zehn Jahren. Er kandidiere nicht wieder. Ungewohnt lange, laut und vereint applaudierten ihm die Bezirksverordneten. „Wir haben dich immer verstanden, wenngleich wir nicht immer einer Meinung waren“, fasste Bezirksvorsteher René Rögner-Francke (CDU) zusammen und wünschte ihm alles Gute in allen Bereichen.

Nicht wirklich zum Lachen: Die Mädchentoilette im UG des Beethoven-Gymnasiums: Stützen tragen die nicht mehr selbsttragende Decke
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© privat

Zuvor nutzte die Spitzenkandidatin der CDU für die BVV-Wahl und Bezirksbürgermeisterkandidatin, Cerstin Richter-Kotowski, die Gelegenheit, Stellung zum Sanierungsstau zu nehmen. Seit zehn Jahren ist sie als Bezirksstadträtin in Steglitz-Zehlendorf unter anderem für Bildung zuständig. Der berlinweite Gebäudescan, also die Ermittlung der Höhe des Sanierungsbedarfs an den Schulen, habe für den Bezirk aktuell eine Summe von 457 Millionen Euro ergeben. „Mich hat das nicht überrascht“, machte sie deutlich. Denn schon vor zwei Jahren habe sie dem Senat einen Sanierungsbedarf von 410 Millionen Euro gemeldet. Für diese waghalsige, unkonkrete Aussage sei sie damals scharf kritisiert worden.

„Weil ich nicht ernst genommen wurde, haben wir zwei Jahre verschenkt“, sagte sie offen heraus. Daraufhin gab es viel Applaus aus den eigenen Reihen. Von SPD und Piraten erntete sie Kopfschütteln. Zwar sei ein Anfang inzwischen gemacht, ergänzte Richter-Kotowski, immerhin gebe es zusätzliches Personal im Bereich Hochbauservice und im Schulamt, aber das „ist ein Tropfen auf dem heißen Stein.“ Die Bezirke würden regelmäßig mit Almosen abgespeist, seien jahrelang kaputt gespart worden. Ohne mehr Personal und mehr finanzielle Unterstützung sei das Problem mit dem Sanierungsstau nicht zu lösen.

Mach Dir ein Bild. So oder so ähnlich sieht es nicht nur an einer Schule in Berlin aus...
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© Tsp

„Vielen Dank für diese Wahlkampfrede zu dieser bestellten Großen Anfrage!“ Offenkundig gereizt machte sich Norbert Buchta, der SPD-Fraktionsvorsitzende, seinem Ärger Luft. Hier werde ständig gefordert, dass der Senat mehr Geld geben solle. Stattdessen schlug er vor, gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Schuldzuweisungen seien zumindest keine. Und es werde ständig von Sparwahn gesprochen. Dabei erinnerte er, dass in den 1990er Jahren ein schwarz-roter Senat in politischer Verantwortung gewesen sei. Und in dieser Zeit habe der „Sparwahn“ begonnen. Es folgte ein lang anhaltendes Lachen im Rathaussaal, das nur durch die Klingel des Bezirksvorstehers unterbrochen werden konnte.

„Ich verstehe, dass sie das an dieser Stelle vergessen haben“, konterte Buchta, adressiert in Richtung CDU. Zwar sei in den letzten Jahren in Bezug auf die Beseitigung des Sanierungsbedarfs nicht jede Schraube richtig gedreht worden, gab er zu, aber es reiche eben nicht, auf den rot-roten Senat (2002 bis 2011) zu schimpfen. Immerhin habe die Berliner SPD jetzt ein Arbeitspapier vorgelegt, wie man in den nächsten Jahren bei dem Thema vorankommen will. Und er fügte hinzu: „Wir müssen gemeinsam eine Strategie entwickeln, wie wir diese gewaltige Aufgabe, vor der wir stehen, meistern.“ Deshalb falle der Wahlkampf hier aus.

"Wahlkampf ist gut"

Warum eigentlich? Wahlkampf hin oder her? Nicht bei Bildung? „Ich kann das nicht nachvollziehen“, äußerte sich Eric Lüders, Spitzenkandidat der Piraten bei der Wahl zur BVV und Fraktionsvorsitzender. „Wahlkampf ist gut. Das ist Demokratie!“ Wichtig hierbei sei, dass es um Inhalte gehe, also nicht, dass man beispielsweise nur sage: die SPD sei schlimm. Daraufhin erklärte Lüders, dass es beim Abbau des Sanierungsstaus auch auf bezirklicher Ebene durchaus Möglichkeiten gegeben hätte, etwas zu bewirken. Beispiel: Geschäftsbereiche zusammenlegen, um effektiver zu sein.

Ferner setze er sich dafür ein, dass die Bauvorhaben zur Sanierung der Schulen auf Bezirksebene blieben. Er zweifle, dass es das Land besser könne. „Ich kenne keinen Bezirk, der Bauvorhaben derart in den Sand gesetzt hat, wie das Land“, machte er deutlich und sprach zum Schluss noch die gewünschte Transparenz in dem CDU-Antrag an: „Hier fehlt mir die Öffentlichkeit, also die Bürger.“ Auch die sollten die Daten zum Sanierungsbedarf einsehen können. „Wenn Sie das ändern, sind wir dabei“, erklärte er. Deshalb und auf Wunsch der SPD wurde der Antrag gestern zunächst in den Schulausschuss überwiesen. Zum Ärger der CDU-Fraktion, die ihn offensichtlich gern noch vor der Wahl beschlossen hätte. Sie nannte das ein „unsinniges, politisches Manöver“. 

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