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"Zu unkonkret, zu abstrakt, zu viele Phrasen" - die Dezember-Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung

© Anett Kirchner

BVV Steglitz-Zehlendorf: neue Fraktionen profilieren sich: Zu unkonkret, zu abstrakt, zu viele Phrasen

Auf der letzten Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung in diesem Jahr ging es gestern Abend unter anderem auch um eine Große Anfrage zum Bau eines Tempohomes in der Lissabonallee, um die Servicekultur im Bezirksamt und Steglitz-Zehlendorf als „Fairtrade-Town“.

Während das Bezirksamt von Steglitz-Zehlendorf unvollständig ins nächste Jahr gehen wird, setzen die neuen Fraktionen in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) langsam ihre Duftmarken. Besonders FDP und AfD zeigten sich in der Sitzung am Mittwochabend im Bürgersaal des Rathauses Zehlendorf rührig. Meist gesehener Gast am Rednerpult war Kay Ehrhardt, Fraktionschef der FDP. Die Linken hingegen hielten sich eher zurück. Hans-Walter Krause machte deutlich, dass sich seine Partei nicht an dieser Profilierung jetzt am Anfang der Legislatur beteiligen wolle. Und CDU-Fraktionschef Torsten Hippe – erfahrener, alteingesessener Bezirksverordneter – kam in Anbetracht der geführten Diskussionen zu dem Schluss: zu unkonkret, zu abstrakt, zu viele Phrasen.

Doch von vorn: Bis auf weiteres wird das Bezirksamt von Steglitz-Zehlendorf mit einem Bezirksstadtrat weniger als vorgesehen arbeiten. Die Ressorts Jugend, Gesundheit und Integration übernimmt weiterhin Michael Karnetzki (SPD) in Vertretung. Denn nach der gescheiterten Wahl der SPD-Kandidatin, Franziska Drohsel, im November hat die Partei bislang keinen neuen Kandidaten gefunden. „Wir brauchen ein bisschen Zeit“, erläuterte der SPD-Kreischef Ruppert Stüwe im Vorfeld der BVV dem Tagesspiegel Steglitz-Zehlendorf. Man suche Jemanden, der mitten im Berufsleben stehe, Erfahrung in der Verwaltung habe, um das Amt auszufüllen, und der das Vertrauen in der Partei genieße. Wenn es nach dem Wunsch von Stüwe geht, „gerne eine Frau.“ Auf einen Monat früher oder später komme es jetzt nicht an. Denn die Kandidatin oder der Kandidat müsse zunächst noch eine Mehrheit in der Kreisdelegiertenversammlung bekommen. Angesichts der bevorstehenden Feiertage rechne er damit aber erst im Januar. „Und spätestens in der BVV im Februar kann dann die Wahl stattfinden“, versicherte Stüwe.  

Es gebe eine ganze Menge Ideen, aber man stehe noch am Anfang, sagte Cerstin Richter-Kotowski, CDU, hier am Rednerpult
Es gebe eine ganze Menge Ideen, aber man stehe noch am Anfang, sagte Cerstin Richter-Kotowski, CDU, hier am Rednerpult

© Anett Kirchner

So schien es, als ob sich die SPD-Fraktion aufgrund dieser ungeklärten Situation in der BVV-Sitzung am Mittwoch reservierter zeigte als sonst. Wenigstens zu Beginn stellte Isabel Miels, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende, eine Kleine Anfrage, in der sie wissen wollte, wann Steglitz-Zehlendorf eine „Fairtrade-Town“ würde. Die neue Grünen-Bezirksstadträtin Maren Schellenberg erklärte dazu, dass sie sich um das Thema kümmern und Anfang nächsten Jahres eine Steuerungsgruppe einrichten wolle. Bereits an dieser Stelle grätschte Kay Ehrhardt von der FDP dazwischen und erinnerte an die schwierige Personalsituation im Bezirksamt.

„Finden Sie, dass das die richtige Schwerpunktsetzung ist?“, fragte er und nahm das Thema im weiteren Verlauf der Sitzung noch einmal auf, als es um den „Anspruch an eine professionelle Servicekultur im Bezirksamt“ ging. Dazu hatte die FDP bereits im November eine Große Anfrage gestellt, die seinerzeit verschoben werden musste und jetzt noch einmal zur Diskussion stand. Es ging unter anderem um mögliche Zusammenhänge zwischen Kundenorientierung, Personalausstattung und Arbeitsbelastung. Mit Blick auf die umfangreiche, schriftliche Antwort (hier nachzulesen) durch die Bezirksbürgermeisterin, Cerstin Richter-Kotowski (CDU), zeigte sich die FDP höchst unzufrieden. „Ich bin über die Antwort enttäuscht“, erklärte Ehrhardt. Denn er erkenne keinerlei Leitbild des Bezirksamtes. Offenbar kümmere man sich lieber um die Frage, ob der Bezirk eine „Fairtrade-Town“ werde. Sein Fraktionskollege Rolf Breidenbach fügte hinzu, dass er eine Schlussfolgerung in den Ausführungen von Richter-Kotowski vermisse. „Das ist doch lediglich die Beschreibung eines Zustandes“, machte er deutlich.  

Thema für eine Doktorarbeit.

Daraufhin reagierte die Bezirksbürgermeisterin mit der Bitte, dem Bezirksamt doch wie üblich zunächst einmal die ersten 100 Tage Zeit zu geben. „Es gibt eine ganze Menge Ideen, aber wir stehen noch am Anfang“, sagte sie. Außerdem sei die Zeit im November viel zu knapp gewesen und das Thema viel zu komplex, um es angemessen in einer Großen Anfrage beantworten zu können. Torsten Hippe sprang Richter-Kotowski zur Seite, in dem er bestätigte, dass es unmöglich sei, in einer Woche auf diese Anfrage zu antworten. „Das ist ein Thema für eine Doktorarbeit.“

Da platzte Kay Ehrhardt fast der Kragen, denn er erinnerte, dass die Bezirksbürgermeisterin nicht neu im Bezirksamt sei, sondern gerade der Bereich Bürgerdienste jahrelang in ihre Zuständigkeit gefallen sei. „Wenn Sie jetzt erst erkennen, was zu tun ist, dann tut es mir leid“, konterte er.

Ähnlich aufgeladen ging die Sitzung in die Schlussrunde, als eine Große Anfrage der AfD-Fraktion – ebenfalls aus der November-BVV verschoben – diskutiert wurde. Thema: der „Informationsanspruch der Bürger bei der Entscheidung, den Sportplatz an der Lissabonallee mit Tempohomes für Flüchtlinge zu bebauen“. Bezirksstadtrat Michael Karnetzki, SPD, vorübergehend für Integration zuständig, hatte schriftlich dazu Stellung genommen (hier nachzulesen).

Geht es um die Einhaltung der Formalien oder um eine vernünftige Lösung?

Zu diesen Ausführungen erklärte der AfD-Fraktionschef Peer Döhnert, dass er den Eindruck habe, dass hier bewusst falsche Meldungen in die Öffentlichkeit gesetzt würden. Denn die Informationsveranstaltung für die Bürger am 8. November sei nicht, wie versprochen, vom Bezirksamt initiiert worden. „Ich erkenne keinen Willen, die Bürger über den Sachstand zur Unterbringung von Flüchtlingen an der Lissabonallee zu informieren“, sagte Döhnert.

Darauf reagierte Hans-Walter Krause von den Linken, mit dem Argument, dass die ganze Politik der AfD auf dem Frust und der Angst der Bürger aufgebaut sei. Und Torsten Hippe (CDU) gab zu seinem eigenen Erstaunen zu, dass er hier gezwungen werde, Michael Karnetzki zu verteidigen. „Ich selbst war in der Veranstaltung und das Bezirksamt war anwesend und hat Rede und Antwort gestanden.“ Ihn ärgere, dass man sich hier nicht mit der Sache auseinandersetze, beispielsweise, dass die Abstände der geplanten Unterkünfte zu nah an der Wohnbebauung seien. „Unkonkrete Phrasen helfen nicht weiter“, resümierte Hippe.

Michael Karnetzki spielte den Ball an die AfD zurück, in dem er sagte, dass sie mit unwahren Aussagen operieren würden. Denn es sei bekannt und habe sich bewährt, dass derartige Informationsveranstaltungen für die Anwohner von den jeweiligen Stadtteilzentren, in diesem konkreten Fall vom Verein Mittelhof, organisiert würden. Susanne Mertens von den Grünen setzte dann einen Schlusspunkt in der Debatte. „Geht es hier eigentlich um die Einhaltung der Formalien oder um eine vernünftige Lösung?“, gab sie zu Bedenken. Alle Beteiligten müssten jetzt nach vorn schauen und nicht diskutieren, wer, was, wann falsch gemacht habe.

Der Text erscheint auf dem Onlineauftritt von Tagesspiegel Steglitz-Zehlendorf. Folgen Sie der Redaktion Steglitz-Zehlendorf gerne auch auf Twitter und Facebook.

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