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Der Gesundheitspark auf dem Gelände des alten Oskar-Helene-Heims an der Clayallee.

© Cay Dobberke

Der Report vom Bau-Boom an der Clayallee: Willkommen in Neu-Zehlendorf

Alles ist neu, wird neu, wird anders. An der Clayallee rund um den U-Bahnhof Oskar-Helene-Heim entsteht eine Art Neu-Zehlendorf, eine Ministadt mit Wohnungen, Gewerbe und Gesundheitsbusiness. Unser Reporter hat sich umgeschaut, hier sind seine Eindrücke und Erlebnisse.

"Meine Güte, wie sich das Gebiet hier an der Clayallee so schnell verändert“, wundert sich der Kunde im Immobilienbüro an der neuen Truman Plaza. Er ist alter Zehlendorfer und ein wenig Wehmut schwingt mit. Die junge Frau hinterm Schreibtisch sieht ihn fast vorwurfsvoll an. „Ist doch gut so“, sagt sie, „hier fehlte doch Infrastruktur“. Widerspruch scheint zwecklos. Nun, da aber überall ringsum fast schon in den Maßen einer Kleinstadt gebaut wird, behält die Frau natürlich Recht. Jetzt, am kommenden Freitag, feiern sie bereits gut zweihundert Meter weiter auf einem Teil des einstigen Oskar-Helene-Heims ein erstes Richtfest für die schöne, neue Clayallee-Welt. „Eins – alles für die Gesundheit“ heißt das Projekt.

Sich an diesem Teil der Clayallee als Passant zurechtzufinden, ist nicht gerade einfach, das alte Oskar-Helene-Heim ist als Anker fürs Auge verschwunden, eine klägliche Trümmerwüste vor ein paar Wochen bleibt in Erinnerung. Überall wird nun gebaut, dazu gibt es noch einige medizinische Einrichtungen auf dem Gelände, die den Kahlschlag überstanden haben, Patienten und Bauarbeiter teilen sich Zufahrten. Was nicht alles ausgeschildert ist: Der onkologische Schwerpunkt oder das Zentrum für Sportmedizin in einem Sport-Gesundheitspark, und einiges mehr. Wer soll da noch die Übersicht behalten?

Das Wort krank will man nicht hören

Die Seniorenresidenz „Ayano“ ist schon jetzt eine Orientierungshilfe, halbwegs hochgezogen, gibt sie der Clayallee eine urbane Fassung, die sie nie hatte, die ihr aber steht. Und gleich nebenan will nun die OHA-Projektgesellschaft in aufgelockerter Bauart und eingebettet von neuem Grün einen Ort schaffen, an dem sich offenbar gern helfen und heilen lässt. Die Medizin wird sich also auf dem Standort des alten, fast legendären Krankenhauses Oskar-Helene-Heim ihren Platz behaupten. Aber das Wort „krank“ will man hier nicht gern hören.

Nein, „gesund“ klingt nun wirklich besser. Schon die Beschreibung des 40-Millionen-Euro-Vorhabens wirkt wie ein Jungbrunnen: Da ist von einem innovativen, ambulanten Gesundheitsstandort die Rede, von Prävention und umfassender fachärztlicher Betreuung bis zur Rehabilitation. Ärzte und anderes Personal sollen hier einmal interdisziplinär arbeiten, das Ganze als bundesweites Modellprojekt gelten. In vier Häusern werden etwa Einrichtungen für Orthopädie, Neurologie, Augenheilkunde oder auch Dermatologie geschaffen – die Ärzte der Umgebung wird’s nicht unbedingt freuen - dazu sollen Wellness, Fitness, Bodycare von MeridianSpa das Angebot auf dem Gelände abrunden. Auch an die Kleinen ist gedacht, mit der Kindertagesstätte Kiddies International.

Aber es kommen ja bald Tausende neuer Bewohner in die Gegend: Wurde nicht gerade nebenan erst auf dem Kerngelände der einstigen Klinik der Grundstein für den „Oskar-Helene-Park“ gelegt, für insgesamt 127 Miet- und Eigentumswohnungen, die in Doppel- und Reihenhäusern oder auf Etagen gebaut werden? Die Wohnkompanie ist Investorin, schon vor Baubeginn wurden 77 Mietwohnungen an die Ärzteversorgung Niedersachsen veräußert. An der Clayallee, wo nur die historische Direktorenvilla stehen geblieben ist, entstehen Reihenhäuser, das Projekt reicht im Westen bis an die ruhige Waltraudstraße, an der das Schwesternwohnheim erhalten bleibt. Nach Auskunft der Bauherren sollen 75 Prozent der Wohneinheiten schon verkauft worden sein.

Künftge Wohnungsbesitzer und Eigentümer können hier sagen, sie hätten eine Meise, so heißen die Haustypen, oder auch Drossel, Rotkehlchen und Buntspecht. Die Namen sollen beinahe rührend an den Wald erinnern, an die vielen Bäume, die hier auf dem Klinikgelände mal standen, im Februar letzten Jahres hatten die Fällungen begonnen, „unter Aufsicht der Naturschutzbehörde“, wie es beruhigend hieß. Gut 13 Jahre zuvor schon war das alte Krankenhaus am Waldrand fast verwaist, hatte mit seiner Einrichtung als Filmkulisse gedient, wie die frühere Lungenklinik Heckeshorn in Wannsee.

Die Erinnerung an das Grün - verblasst

Der Bezirk ist zufrieden, das auf dem Gelände nun auch die richtige Medizin wieder ihren angemessen Platz findet, wenn auch nur als kleiner Nachbar der großen Wohnsiedlung. „Wir entwickeln Lebensräume“, schwärmen die Investoren, im nächsten und übernächsten Jahr werden die Neubauten fertig sein. Die Gegend hat sich durch den Kahlschlag und die Sandwüsten schon jetzt so verändert, dass bei vielen Alteingesessenen die Erinnerung an das gewohnte Grün verblasst oder verklärt ist.

Auf dem früheren Volksfestgelände an der Clayallee erinnert nichts mehr an die wüst-idyllische Freifläche, dafür sind luxuriöse Stadtvillen mit über 120 Wohnungen weitgehend fertig oder noch im Bau, ein künstlicher See schlängelt sich durch das Gelände. Wie ein alter Hase wirkt nach gut einem Jahr das neue Nahversorgungszentrum, das alle Zehlendorfer Welt bis auf den Investor Stofanel weiterhin Truman-Plaza nennt, so wie hier bis 1994 die Amerikaner hier ihr altes Einkaufszentrum nannten.

Aber das Quartier auf dem Riesengelände heißt Fünf-Morgen-Dahlem Urban Village, und der Name mag wohl ein Lebensgefühl ausdrücken, das der Investor in etwa so erklärt: Die Zahl Fünf soll sich auf die chinesische Lehre der fünf Elemente Holz, Feuer, Wasser, Erde und Metall und fünf zugeordneten Himmelsrichtungen beziehen; Nord, Süd, Ost, West und – Mitte. Sie zeige sich durch den See, dessen Wasserarme sich in alle Richtungen ausdehnten. Und Morgen, das ist eben das alte Flächenmaß für eine Acker- und Weidefläche.

Acker- und Weidefläche - hier? Nein, dafür entwickeln sich jetzt "Lebensgefühle" und "Lebensräume" überall in diesem Bereich der Clayallee, etwa am einst so versteckten Am Hegewinkel, wo die exklusive Eigentumsanlage „dahlem paradise“ entsteht, mehr im Mittelpunkt sind „The Metroplitan Gardens“ im ehemaligen US-Hauptquartier, wo rund 200 Eigentumswohnungen entstehen.

Der Autor war lange Jahre Redakteur in der Berlin-Redaktion des Tagesspiegel. Er lebt in Zehlendorf.
Der Autor war lange Jahre Redakteur in der Berlin-Redaktion des Tagesspiegel. Er lebt in Zehlendorf.

© Mike Wolff

Das Gebiet verändert sich rasant, wie es scheint, beinahe täglich. „Meine Güte“, sagen deshalb die einen, die den leicht verschlafenen Reiz ihres Bezirks schätzten und um ihn fürchten, „ist doch gut so“, sagen die anderen und freuen sich auf mehr Leben, mehr Infrastruktur. Und dazu gehört eben auch ein neuer Gesundheitsstandort namens „Eins“.

Der Autor war lange Jahre Redakteur in der Berlin-Redaktion des Tagesspiegels und lebt in Zehlendorf. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegels.

Christian van Lessen

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