zum Hauptinhalt
Der Ami aus Zehlendorf. Earl Albers mit der jungen Doris Hillenbrand.

© Privat

Die Amerikaner in Berlin: Salut für den Sergeant

Der Klub für „German Youth Activities“ in Zehlendorf war 1946 der erste in Berlin. Nun ist sein Gründer Earl Albers, der den Kindern die Grundregeln der Demokratie beibrachte, gestorben. Am Dienstag wird er auf dem US-Nationalfriedhof Arlington mit militärischen Ehren begraben.

Das Zeitungspapier ist schon vergilbt und brüchig, man muss behutsam umblättern. Und wenngleich die Druckqualität nicht optimal ist, die Person auf Seite 4 der „Fackel“ vom 27. September 1947, der Sondernummer zum einjährigen Bestehen des amerikanischen GYA-Klubs in der Zehlendorfer Stubenrauchstraße, ist gut zu erkennen: ein junger US-Soldat, freundliches Gesicht, breites Lächeln. Das Foto zum Porträt, ach was, der Huldigung von Sgt. Earl Albers, Leiter des Klubs für „German Youth Activities“, mit der er von dem jugendlichen Redaktionsteam gepriesen wurde: „Immer freundlich und ruhig, niemals unbeherrscht, so kennen wir ihn, so kommt er uns entgegen, als Amerikaner, als Mensch, um uns jungen Deutschen zu helfen in den Wirrnissen und Nöten unserer Tage.“ Das mag heute etwas pathetisch klingen, zeigt aber, wie beliebt der damals 27-jährige Sergeant unter den Jugendlichen war; lässt ahnen, was er für sie bedeutete: Zukunft, Hoffnung auf ein anderes Leben als das, was nach dem Untergang des NS-Staates hinter ihnen lag.

Earl Albers, der am 23. Juli in einer Altersresidenz in Maryland starb und an diesem Dienstag auf dem US-Nationalfriedhof Arlington mit allen militärischen Ehren begraben wird, ist heute in Berlin weitgehend vergessen. Keine Schule ist nach ihm benannt worden wie nach Gail S. Halvorsen, dem Candy-Bomber der Luftbrücke. Aber die Bedeutung, die Albers während der zwei Jahre seiner Stationierung in Berlin für Tausende von Jugendlichen hatte, ist kaum geringer einzuschätzen, vielleicht sogar höher, gab er ihnen doch nicht nur Schokolade und die Möglichkeit, sich, dazu in warmen Räumen, zu entfalten, sondern half nebenbei, die Grundregeln der Demokratie zu erlernen.

Nehmen wir nur Claus-Dieter Hillenbrand, mittlerweile auch schon 83 Jahre alter Zehlendorfer. Im Club brachte er es damals sogar zum demokratisch von den Mitgliedern gewählten Präsidenten, zum Kopf des Councils, dessen Name denn auch neben dem von Albers unter der „Verfassung“ stand, die sich der Club gegeben hatte. Wie andere ehemalige Mitglieder hatte er über die Jahre lockeren Kontakt zu Albers gehalten und ihn 1998 noch einmal in die Stadt eingeladen.

Das zweite Klubhaus in der Zehlendorfer Stubenrauchstraße 9.
Das zweite Klubhaus in der Zehlendorfer Stubenrauchstraße 9.

© Thilo Rückeis

Damals erzählte Albers dem Tagesspiegel, wie es zum Club gekommen war. Im April 1946 war der Farmersohn aus Nebraska als Angehöriger des 3110 Signal Service Batallion in Berlin angekommen, hatte die Not und Hoffnungslosigkeit der zerbombten Stadt erlebt. Einmal sah er ein paar Jungen, die mit einem Bündel Lumpen Fußball spielten. Am nächsten Tag kam er zurück – mit einem echten Ball.

So entstand eine lockere Sportgruppe – bis eines Tages zufällig General Lucius D. Clay, damals Stellvertretender Militärgouverneur der US-Besatzungszone, vorbeikam. Wegen des anfangs geltenden Fraternisierungsverbots befürchtete Albers Strafe, doch das Gegenteil geschah: Die US-Besatzungspolitik hatte sich, auch angesichts des sich abzeichnenden Kalten Krieges, gewandelt. Albers erhielt volle Unterstützung, wurde vom regulären Dienst freigestellt, weitere Soldaten wurden ihm zugewiesen – und als Klubquartier zwei beschlagnahmte Häuser in der Stubenrauchstraße, erst die Nr. 10, dann schräg gegenüber Haus Nr. 9, prächtige Villen, genug Platz für die Zehlendorfer Jugendlichen, die dort bald aus und ein gingen. Es war der erste GYA-Klub in Berlin, und er sollte unter der Leitung von Sgt. Earl Albers zum Vorbild werden für die anderen Klubs in der US-Zone und besonders die neun weiteren Einrichtungen in Berlin, darunter die in der Schützallee 27 und der Habelschwerter Allee 17.

Nicht nur demokratisch ging es dort zu, sondern auch gerecht, schließlich gab es ein eigenes Gericht, zuständig für die Alltagsreibereien der Untergruppen, sei es im Chemie- oder Briefmarkenklub, in der Modellier- oder der Nähgruppe, der Jazzband, der „Fackel“-Redaktion oder den vielen Sportgruppen. Für alle war Earl Albers zuverlässig da – ein wahrer Freund, der ja gar nicht so viel älter war als seine Schützlinge. „Aus unserer Sicht war er erwachsen, aber das hat dem guten Verhältnis nicht geschadet“, erinnert sich Claus-Dieter Hillenbrand.

Auch seine Schwester Doris war Mitglied, und für deren Leben sollte sich die Klubzeit besonders nachhaltig auswirken. Schon Eleanor Roosevelt, die Witwe des früheren US-Präsidenten, hatte den Klub durch Spendensammlungen unterstützt. Um der kleinen Doris einen Aufenthalt in den USA zu ermöglichen, wandte sich Albers an dessen Nachfolger Harry S. Truman persönlich – mit Erfolg. Aus den geplanten vier Jahren wurde ein ganzes Leben: Die Schülerin aus dem Zehlendorfer Droste-Hülshoff-Gymnasium wurde Stewardess bei PanAm und heiratete einen Amerikaner. Und ihre Tochter Karen Gallagher, mittlerweile Professorin an der Chapman University in Orange, Kalifornien, bereitete 2009 dort eine Ausstellung zum 20. Jahrestag des Mauerfalls vor, befragte ihre Mutter nach Berliner Erinnerungen – und stieß auf Albers und den Klub. Daraus entstand der Plan, den Sergeant und seine Berlin Kids, jedenfalls die, die es in die USA und Kanada verschlagen hatte, noch einmal zusammenzuführen – und zugleich den Studenten von damals zu berichten. Es wurde ein Abend der großen Gefühle mit einem Stück Berliner Mauer als Kulisse, Albers noch einmal in Uniform, salutierend, während die Nationalhymnen gespielt wurden und der deutsche Konsul den Federal Republic of Germany Friendship Award überreichte.

Informelle Ehrungen hatte Albers schon reichlich von seinen Schützlingen erhalten, Bekundungen unbefangener Sympathie, sei es, dass sie seinen Geburtstag feierten oder ihn, als das Gerücht seiner Versetzung auftauchte, umgehend befragten. Wiederholt wurde er in der Clubzeitung gepriesen und er dürfte der einzige US-Sergeant in Berlin gewesen sein, dem je ein langes Gedicht gewidmet wurde, von einem Nachwuchspoeten in der „Fackel“: „Stets war er erfüllt von Frohsinn und Lachen, / Von Singen und Spielen, die nur Freude machen. / Ein einziger Mann hat dies alles vollbracht; / Er hat aus Verblendeten Menschen gemacht (…) Three cheers for he fifty-seventh Signal Service Company’s Sergeant!“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false