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Seit der Haushaltssperre von Anfang 2015 gingen der Musikschule hunderte Schüler verloren

© Anett Kirchner

Die Leo-Borchard-Musikschule kämpft weiter mit Problemen: "Zufriedenstellende Arbeit seit langem unmöglich"

Unser Gastautor unterrichtet seit Jahren an der Leo-Borchard-Musikschule in Steglitz-Zehlendorf. Die Software sei unzureichend, die Honorare schwankend - noch immer seien die Zustände an der Musikschule "überschattet", wie er schreibt.

Die Leo-Borchard-Musikschule feiert in diesem Jahr ihr 70jähriges Bestehen. Es ist schön und wichtig, ein Jubiläum zu feiern. Die aktuelle Situation der Musikschule aber wird von vielen unübersehbaren Problemen überschattet, die eine für alle Beteiligten zufriedenstellende Arbeit dieser Institution schon seit langem unmöglich machen.

1. Die Leo-Borchard-Musikschule Steglitz-Zehlendorf ist pleite für dieses Jahr

Diese Erkenntnis mussten die ca. 320 als Honorarkräfte beschäftigten Lehrkräfte und die Eltern und Schüler nach den Sommerferien gewinnen. Schwer angeschlagen durch die Haushaltssperre vom letzten Jahr, bei der die Musikschule mehr als 440.000 € einsparen musste und lange Zeit keine Schüler aufnehmen konnte, können nun die nächsten Schülerverträge erst frühestens im Dezember abgeschlossen werden. Selbst darüber gibt es seitens der Musikschule widersprüchliche Aussagen. Das bedeutet, dass für Schüler, die sich bis zum 01. Juli 2016 nicht angemeldet hatten, ein Vierteljahr lang kein Vertrag möglich ist.

Für nächstes Jahr sieht es dann ganz düster aus: die Musikschule wird mit ca. 850.000 € weniger Zuweisungen an Honorarmitteln auskommen müssen. Und so wie es aussieht, droht wieder eine Haushaltssperre für 2017, die zu weiteren Einsparungen führen wird. Schon jetzt ist klar, dass auch in der Kostenleistungsrechnung, die eine Vergleichsrechnung der Bezirke untereinander ist, nach der sich Mittel-Zuweisungen bemessen, die Musikschule in 2017 deutlich schlechter dastehen wird und dem Bezirk deutliche Verluste beim Budgetgewinn entstehen werden. Das heißt, die Einnahmen des Bezirks werden abermals sinken, was sich auch auf andere Bereiche im Kultursektor auswirken wird, denn normalerweise wird der von der Musikschule erzielte Budgetgewinn in alter Tradition auf die Ämter innerhalb des Ressorts Bildung-Kultur-Bürgerdienste verteilt, wovon jährlich Volkshochschule, Bibliotheken und Bürgerämter profitieren - nur nicht die Musikschule.  

Dirk Strakhof unterrichtet seit mehr als 30 Jahren an der Musikschule in Steglitz-Zehlendorf Kontrabass, E-Bass und Jazzensembles
Dirk Strakhof unterrichtet seit mehr als 30 Jahren an der Musikschule in Steglitz-Zehlendorf Kontrabass, E-Bass und Jazzensembles

© Manfred Pollert

Zusammen mit dem Verlust beim Budgetgewinn aus der Kostenleistungsrechnung ergibt sich ein Verlust von über 1 Million € für das kommende Jahr. In 2017 wird voraussichtlich der Senat die Haushaltsführung des Bezirks übernehmen, und ob in diesem Fall die Musikschule von der bezirklichen Haushaltssperre ausgenommen werden kann, ist fraglich. Den Fall der Senatsübernahme der bezirklichen Finanzverwaltung gab es bisher nämlich noch nicht.  

Wenn sich die neue Bezirksregierung und der Senat nicht massiv für die Musikschule einsetzen, droht sich die Abwärtsspirale mit allen zerstörerischen Konsequenzen noch zu beschleunigen. Sie ist in vollem Gang und kann nur durch vereinte Anstrengungen aller Parteien sowie einer Unterstützung durch den Senat aufgehalten werden.

2. Die Lehrkräfte sind Sklaven der neuen Musikschulsoftware

Ebenfalls nach den Sommerferien musste ein großer Teil der Lehrkräfte, der im Bereich Gruppenunterricht, Instrumentenkarussell und Kooperation mit den allgemeinbildenden Grundschulen tätig ist, feststellen, dass für sie durch eine sogenannte Vereinfachung des bürokratischen Aufwandes ein Einnahmeverlust von bis zu 1200 € im Jahr entsteht.

Der bezieht sich auf die Einnahmen aus den sogenannten "sonstigen Tätigkeiten", ein "Almosen" des Senats, mit dem die Lehrkräfte, vorausgesetzt, die Musikschulleitung spielt mit, beim Gruppenunterricht seit 2013 ihre Honorare um monatlich ca. 32 € erhöhen können pro 45 Minuten im Monat. U.a. die Vorbereitung des Unterrichtsraumes, Stühle rücken, Elterngespräche und Instrumentenwartung gehören zu diesen Tätigkeiten und es bedeutet im Klartext, dass die Lehrkräfte mal als Musikschullehrer und mal als Putzkraft bezahlt werden, je nachdem was sie gerade tun. Die Bearbeitung stellt aber mit der neuen Software MS-IT so einen großen Papierkrieg dar, dass die Bezahlung dieser Tätigkeiten von der Musikschule zu großen Teilen für diese Lehrer abgeschafft wurde. Die Vereinfachung führte also zu einer für die Lehrkräfte gravierenden und nicht hinnehmbaren Senkung des Einkommens. Darauf, dass den Lehrkräften durch die Vereinfachung der Abrechnung Einkommensverluste entstehen, ist bisher aber niemand gekommen, oder es wollte niemand wahrhaben.

Droht der Musikschule im Jahr 2017 eine erneute Haushaltssperre?
Droht der Musikschule im Jahr 2017 eine erneute Haushaltssperre?

© Anett Kirchner

Wie kann es sein, dass Gruppenunterricht und Ensemblearbeit genauso bezahlt werden wie Einzelunterricht? Die Arbeit mit Gruppen erfordert ein vielfaches an Vorbereitungszeit. Die Früchte dieser Arbeit ernten die Schüler, Politiker und die gesamte Öffentlichkeit in Konzerten, die suggerieren, dass die Musikschularbeit wunderbar funktioniere. Aber zu welchem Tarif und auf wessen Kosten?

3. Keine monatlich gleichbleibenden Honorare mehr

Die Lehrkräfte bekommen seit 2013 keine monatlich gleichbleibenden Honorare mehr, sondern unterschiedliche Beträge, die sich nach der Anzahl der gegebenen Stunden errechnet. Es könnte aber monatliche Abschlagszahlungen für die Lehrer geben, die vom Senat ausdrücklich als Möglichkeit vorgesehen sind - Wenn es nur nicht so viel Arbeit wäre! Die 2013 eingeführte Einzelabrechnung der Stunden stellt nach wie vor eine unglaublich stupide Arbeitsbelastung für alle Beteiligten dar. Alle hoffen auf die vom Senat versprochene online Bearbeitung, das heißt der direkten digitalen Dateneingabe durch die Lehrer, die in einigen Jahren kommen soll - der Flughafen lässt grüßen.

4. Mehr Verwaltungskräfte – besserer Service

Nach wie vor mangelt es an genügend Verwaltungskräften, was auch die Eltern immer wieder durch eingeschränkten Service zu spüren bekommen. Seit den Sommerferien arbeiten drei Mitarbeiter weniger in der Verwaltung.

5. Ausblick

Das ganze Dilemma ist vollständig nur auflösbar, wenn die Musikschullehrer zukünftig festangestellt werden. Alle "sonstigen Tätigkeiten" würden sich in Luft auflösen und inkl. der Vorbereitungszeit für den Unterricht Bestandteil der monatlichen Gehälter sein. Eine Musikschularbeit, in der die Lehrer wieder zu ihrer eigentlichen Arbeit zurückkehren können, ist dringender und wichtiger denn je. Die Aufgabe der neuen Bezirksregierung wird sein, den Abstieg der Musikschule mit allen Mitteln aufzuhalten und zusammen mit dem neuen Senat die Musikschule auf ein stabiles Fundament zu stellen.

Dirk Strakhof ist seit mehr als 30 Jahren Musikschullehrer in Steglitz-Zehlendorf und unterrichtet dort Kontrabass, E-Bass und Jazzensembles.

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Dirk Strakhof

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