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Flüchtlinsgempfang in der ehemaligen Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne in Berlin mit Transparenten und Luftballons.

© dpa

Flüchtlinge in Deutschland: Unberechenbar hilfsbereit

Der Jubel und die Hilfsbereitschaft der Deutschen sind erstaunlich - findet unsere Autorin. Und sie freut sich darüber. Nur was passiert, wenn der Applaus in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten verhallt ist?

Wer hätte das vor wenigen Monaten gedacht? Deutschland reagiert überwältigend positiv, wenn Fremde ins Land kommen.

Bundesbürger bringen säckeweise Sachspenden an Bahnhöfe, Erstaufnahmelager, Zeltunterkünfte, schmieren stundenlang Brote oder nehmen gar Flüchtlinge bei sich zuhause auf. Allein auf den Aufruf der Steglitz-Zehlendorfer Jugendstadträtin Christa Markl-Vieto nach ehrenamtlichen Vormündern oder Pflegeeltern für minderjährige Flüchtlinge haben sich bis zum Dienstag mehr als 500 Menschen gemeldet! Dem zuständigen Jugendamt ist es jetzt sogar ein wenig peinlich, sagen zu müssen: Wir haben erst einmal genug, sonst kommen wir nicht hinterher.

Viele Deutsche zeigen in diesen Tagen und Wochen Hilfsbereitschaft – wie gerade nachts in Spandau. Sogar um drei Uhr morgens wurden ankommende Flüchtlinge mit Applaus begrüßt. Andere stecken Flüchtlingsunterkünfte an und lassen auch dieses Bild immer wieder aufflammen: das des hässlichen Deutschland.

Wie passt das zusammen?

Viele applaudieren wohl auch, weil sie vor dem, wie Bundespräsident Joachim Gauck es nannte, "Dunkeldeutschland" Angst haben und es anders machen wollen.

Denn auch wenn wir Jahrzehnte nach dem Holocaust geboren sind, tragen doch die meisten einen Schatten der kollektiven Erinnerung mit uns. Und dieser Schatten begleitet uns auch beim Umgang mit den Flüchtlingen.

Mein Eindruck: Viele von uns sind dankbar, nun mit Wärme, Herzlichkeit und jeder Form der materiellen Zuwendung das Bild des hässlichen Deutschland zu korrigieren. Ich freue mich, dass „Unberechenbarkeit“ in Bezug auf die Deutschen nun auch für positives Verhalten gilt.

Die Flüchtlinge sind dafür dankbar, viele sagen, sie „lieben Deutschland“. Da sind die Bilder Hunderter Migranten, die am Ostbahnhof in Budapest „Germany, Germany“ skandieren. Deutschland als Sehnsuchtsort, als das Land der herzlichen, offenen Gastgeber. Ist doch schön!

Bleibt nur zu hoffen, dass der Applaus und die offen zur Schau gestellte Freude nicht auf einem merkwürdigen Eventcharakter beruht und dass wir, wenn der Applaus verhallt ist, in ein paar Wochen, in einem Monat, im nächsten Jahr, nicht wieder das hässliche Deutschland sehen. Und dass die Ewiggestrigen endlich verstehen, dass das Gefühl von gesundem Stolz auf Hilfsbereitschaft, Herzlichkeit und Gastfreundschaft größer ist als Hass, Angst und Ablehnung.

Die Autorin schreibt für den Tagesspiegel und für Tagesspiegel Zehlendorf, das digitale Stadtteil- und Debattenportal aus dem Berliner Südwesten, auf dem dieser Text erscheint. Folgen Sie Maike Edda Raack auch auf Twitter.

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