zum Hauptinhalt
Für die Löhleinstraße westlich der U-Bahntrasse regen die Grünen an, dass Radler auch in der Gegenrichtung fahren dürfen. Wie man sehe, sei genug Platz vorhanden. Die Piraten halten davon wenig.

© Cay Dobberke

Gastbeitrag der Piraten in Steglitz-Zehlendorf: „Grüne gefährden Radfahrer“

In der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Steglitz-Zehlendorf gibt es Streit um politische Anträge für Radfahrer in Dahlem. In diesem Gastbeitrag kritisiert die Piratenfraktion die Haltung der Grünen. Deren Antwort ist bereits im Zehlendorf Blog zu lesen.

Bereits im Dezember hatte die Piratenpartei vorgeschlagen, die Brümmerstraße zwischen Thielallee und Fabeckstraße zur Fahrradstraße zu machen, um dort die Sicherheit für die bis zu 1500 Radfahrern, die diesen Straßenabschnitt täglich befahren, zu erhöhen. Immerhin bewirbt unter der Überschrift „Von der historischen Mitte Berlins nach Preußens Arkadien“ die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt die Fahrradroute 1, die von Mitte bis Wannsee führt.

Insbesondere Touristen machen davon auch regen Gebrauch, liegt doch manche Berliner Sehenswürdigkeit auf der Strecke: Von der Baustelle des Humboldt-Forums über die Friedrichswerdersche Kirche, den Gendarmenmarkt, Checkpoint Charlie, Jüdisches Museum und vorbei am Rathaus Schöneberg erreichen die Radfahrer an der Domäne Dahlem Zehlendorf.

Doch dann beginnen die Probleme: Die Brümmerstraße ist so marode, dass die Fahrbahn eingeengt werden musste. Und nun ist die Straße so eng, dass ein einzelner Radfahrer von einem normalen Auto selbst bei großzügigster Auslegung der Abstandsregeln nicht mehr überholt werden kann.

Würde man diesen Abschnitt der Brümmerstraße nun zur Fahrradstraße erklären, würde dies für alle Beteiligten nur Vorteile bringen, denn für die Autofahrer ist eine einfache Umfahrung über Thielallee und Königin-Luise-Straße möglich. Und neben den Radfahrern, denen der Stress durch den drängelnden Autoverkehr genommen wird, profitieren auch die Anwohner vom Wegfall des Durchgangsverkehrs.

Die SPD unterstützte den Antrag der Piraten, mit den Stimmen der Grünen (die sich gern als die Partei der Radfahrer geriert) hätte der Antrag beschlossen werden können. Stattdessen trugen die Grünen zur Debatte den Hinweis bei, die Umwandlung der Brümmerstraße sei wegen der „größeren Beeinträchtigung des Autoverkehrs“ abzulehnen, während Piratenfraktionschef Eric Lüders – selber bekennender Autofahrer – dazu meinte: „Wenn sie mit dem Auto unterwegs sind, ist es relativ egal, ob sie 20 Meter weiter fahren müssen.“

Vorschläge sind kaum durchführbar

Manch Bürger wird sich verwundert die Augen gerieben haben, aber es ist wahr: Zusammen mit der CDU haben die Grünen gegen die Lösung gestimmt und als Stück aus dem Tollhaus einen „Alternativvorschlag“ eingebracht: Das Bezirksamt möge prüfen, ob den Radfahrern das Einbiegen in die Löhleinstraße entgegen der Fahrtrichtung erlaubt werden kann! Die Löhleinstraße mag weniger befahren sein als die Brümmerstraße, breiter ist sie nicht. Von der Brümmerstraße sagt auch der Antrag der Grünen selbst, dass sie zum sicheren Überholen eines Radfahrers zu eng ist – wie soll dann der sichere Verkehr von Autos und Radfahrern möglich sein, wenn zusätzlich noch Radverkehr in der Gegenrichtung stattfindet? Schon der gesunde Menschenverstand muss hier Zweifel anmelden.

Schmalspurbetrieb. Die Dahlemer Brümmerstraße ist stellenweise verengt, einen Radweg gibt es nicht – also kommen sich Autos und Radler oft nah.
Schmalspurbetrieb. Die Dahlemer Brümmerstraße ist stellenweise verengt, einen Radweg gibt es nicht – also kommen sich Autos und Radler oft nah.

© Cay Dobberke

Ähnlich verhält es sich mit dem zweiten Vorschlag, Radfahrern in der Brümmerstraße das Fahren auf dem für Autos gesperrten Seitenstreifen links(!) der Fahrbahn zu gestatten. Diese für Radfahrer wie Autofahrer ungewöhnliche Verkehrsführung kann in einer ohnehin schon bedenklich engen Straße nur zu einer zusätzlichen Gefährdung führen. Außerdem werden Radfahrer dadurch gezwungen, bei Rechtsabbiegen den Autoverkehr zu kreuzen. Sicher ist das ganz sicher nicht. Bei näherem Hinsehen sind die Vorschläge also kaum durchführbar und erhöhen sogar die Gefährdung der Radfahrer.

Trauriger Versuch, den Schein zu wahren

Ein grüner Ausrutscher? Mitnichten! Während die Grünen-Fraktion in Friedrichshain-Kreuzberg stolz auf ihren Antrag zur Einrichtung eines sogenannten „Coffeeshops“ zur kontrollierten Abgabe von Marihuana ist, versucht die Grünen-Fraktion in Steglitz-Zehlendorf einen entsprechenden Antrag der Piraten-Fraktion zum Scheitern zu bringen. Nun ist Zehlendorf nicht Kreuzberg. Aber ist grün in Zehlendorf noch grün? Wie will man das Anliegen einer Partei dem Wähler und der Wählerin vermitteln, wenn die eigenen Grundsätze immer wieder dem Machtspiel des Politikbetriebes geopfert werden müssen?

Politik ist bekanntermaßen die Kunst des Machbaren. Der Kompromiss, die Absprache und das politische Bündnis sind dabei legitime und manchmal notwendige Mittel zum Zweck. Aber welcher Zweck bleibt noch, wenn die eigenen Grundsätze und die eigene Identität aufgegeben werden müssen? Es bleibt der ehrenwerte, aber auch traurige Versuch, den Schein zu wahren.

Die Grünen haben es geschafft, sich in einem insgesamt eher bürgerlich-konservativen Bezirk wie Steglitz-Zehlendorf als starke politische Kraft zu etablieren. Das zeigt auch, dass Werte, die traditionell von den Grünen vertreten wurden, in der Mitte der Gesellschaft angekommen und von den Menschen in diesem Bezirk bejaht werden. Schade, dass die Grünen dies nicht zur Umsetzung dieser Grundsätze nutzen. Vielleicht muss sich dann jemand anderes ihrer annehmen.

Annette Pohlke, Pressesprecherin der Piraten-Fraktion in Steglitz-Zehlendorf.
Annette Pohlke, Pressesprecherin der Piraten-Fraktion in Steglitz-Zehlendorf.

© privat

Die Autorin ist Pressesprecherin der Piratenfraktion in der BVV Steglitz-Zehlendorf. Die Grünen-Fraktion hat mittlerweile mit einem Beitrag auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegels geantwortet. Generell steht der Blog als Diskussionsforum allen Parteien der BVV zur Verfügung, die Piraten waren nun die ersten, die sich getraut haben, einen Text zu veröffentlichen.

Annette Pohlke

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false