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Die Katze schleicht sich davon, und manchmal kommt sie auch wieder. Auf jeden Fall führt sie Menschen zusammen, alte und junge, in Zehlendorf, wie unsere Autorin beschreibt.

© dpa

Großer Katzenjammer in Zehlendorf: Hausverwaltung: Tiere dürfen nicht aus der Wohnung

Zwei junge Katzen bringen mit ihrer Art Menschen zusammen, alte und junge, aber manche wollen nur ihre Ruhe. Und die Hausverwaltung sagt: Die Katzen dürfen nicht raus! Unsere Autorin hat die Geschichte für den Zehlendorf Blog aufgeschrieben.

Wir haben neue Nachbarn. Ein Geschwisterpaar. P&C. Zwei aufgeweckte junge Katzen, die seit Frühjahr dieses  Jahres die Garten in ihrer Nachbarschaft erkunden. Da gibt es andere Katzen, mit denen sie sich Revierkämpfe leisten. Da gibt es Kinder, mit denen sie spielen.  Da gibt es allein stehende, ältere Damen, die sich an der Agilität der Jungkatzen erfreuen. Da gibt es Nachbargrundstücke, deren Beete die Katzen faszinieren und in denen sie sich herumtollen und dabei manchmal vergessen, dass ihr Katzenklo eigentlich  zu Hause ist.

Die Tiere tragen zur Gemeinschaft über den Gartenzaun hinaus bei

P&C fördern die Nachbarschaftlichkeit, den Plausch über den Gartenzaun. Die gemeinsamen "Beerdigungen" der Beutetiere lassen die Stadtkinder wieder näher an die oft brutale Tierwelt heranrücken und die Themen Tod, Abschied und Trauer nehmen wieder Einzug in das Leben. Und da gibt es Nachbarn im Alter von 60plus, die in der großen BWV-Wohnanlage Ruhe haben möchten.

Kinder gibt es in dieser großen Wohnanlage wenig, obwohl Zehlendorf ein kinderreicher Bezirk ist. Insbesondere Grundschulen müssen beispielsweise Erweiterungsmaßnahmen vornehmen, um die steigende Anzahl der schulpflichtigen Kinder aufnehmen zu können.

Die wenigen Familien mit Kindern in der BWV-Wohnanlage haben sich vielleicht bewusst entschieden, in diesen großzügigen, mit viel Rasenfläche umgebenen Gebäudekomplex einzuziehen. Sogar die Möglichkeit, einen Garten anzumieten, besteht. Es gibt eine Bank auf der Rasenfläche, die zum Verweilen einlädt, die Generationen zusammenbringen könnte. Seit neun Jahren wohne ich mit meiner Familie im Haus nebenan und stelle rückblickend fest, dass ich in dieser Zeit vielleicht ein- zweimal habe Menschen dort sitzen sehen.

Unsere Autorin Stefanie Kämper
Unsere Autorin und Leserreporterin Stefanie Kämper

© privat

Gerade in den Sommermonaten begegnet man sich auf der Straße, beim Einkauf oder beim Herüberschauen, und für mich galten die Nachbarn von nebenan immer als überaus freundlich und offen. Nur zu Beginn unseres Einzugs, als unsere Kinder noch im Bobby-Car-Alter waren, wurden wir von einem Ehepaar ermahnt, bitte Flüsterräder an die roten Flitzer zu machen, dann könnten unsere Kinder auch auf dem Grundstück der BWV-Nachbarn fahren.

Hausverwaltung: Tiere nur in der Wohnung

P&C tragen zur Gemeinschaft über den Gartenzaun hinaus bei. Sie genießen ihre Freiheit in den Gärten der Clayallee, sie verbinden. Nun, wo sie es schaffen, ohne Hilfe aus dem Wohnungsfenster ein- und auszusteigen, sind sie frei! Doch jetzt bekam die Familie einen Brief der Hausverwaltung: Tiere dürfen in der BWV-Wohnanlage nur innerhalb der Wohnung leben. Das würde für P&C bedeuten, sie müssten zu Wohnungskatzen umfunktioniert werden. Sie dürfen keine Mäuse und Vögel mehr jagen. Sie müssen sich den menschlichen Bedürfnissen anpassen.

Eine Mieterin der Wohnanlage hat große Befürchtungen, dass  P&C den letzten Bestand der Vögel in Zehlendorf durch ihr Jagdverhalten ausrotten. Andere haben Angst, in  ihren angemieteten Gärten durch die ungebetenen Gäste in ihrer Privatheit gestört zu werden, sie womöglich von Bäumen herunterholen zu müssen. Nein, das passt nicht in ihre Welt. Die Planbarkeit und Absehbarkeit des Rentenalltags wird durchbrochen. Durchbrochen von lachenden, spielenden Kindern und herumstreunenden Katzenjungen.

Liebe Hausverwaltung, schön aufpassen, die Katze hat Euch im Blick
Liebe Hausverwaltung, schön aufpassen, die Katze hat Euch im Blick

© dpa

Die Familie von P&C ist verzweifelt. Hat bereits die Nachbarn in ihrem Haus gefragt, ob P&C stören. Alle Befragten verstehen die Frage gar nicht. Sie finden es schön, dass P&C so zugänglich sind, Leben in die Wohnanlage bringen. Die Tochter kann ihre Tränen kaum unterdrücken bei dem Gedanken, P&C müssten abgegeben werden. Doch Hausverwaltung nimmt die Beschwerden der Mitbewohner ernst und lässt nicht locker. Die Familie muss sich entscheiden: die freiheitsliebenden Katzen in die Wohnung einzusperren (ich habe die Berliner immer als überdurchschnittlich tierlieb erfahren …) oder der Quälerei der Gefangenschaft ein Ende zu setzen, in dem sie P&C abgeben.

Zeigt uns diese Geschichte aus dem Alltag Zehlendorfer Bürger, dass manche Menschen das sich selbst beengende Eigenwohl über das Gemeinwohl stellen?

Stefanie Kämper arbeitet als freie Dozentin für Palliative Care in Berlin und lebt mit ihrer Familie in Zehlendorf. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegels.

Stefanie Kämper

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