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Polizeipräsident Klaus Kandt, der selbst in Zehlendorf wohnt, versuchte den Bürgern auch zu sagen, dass sie für ihr Eigentum mit verantwortlich seien.

© Archivfoto: dpa

Hauseinbrüche: Kandt und Heilmann stellen sich Bürgern: Angriff auf die Zehlendorfer Intimsphäre

40 Einbrüche 2013 allein im Ortsteil Nikolassee, Tendenz steigend. Was der Polizeipräsident und der Justizsenator verunsicherten Bürgern in Steglitz-Zehlendorf auf einer Podiumsdiskussion zu sagen hatten. Ein Ortstermin.

Immer wenn an diesem späten Dienstagabend zwischen 20 und 22.15 Uhr einer der anwesenden Bürger das Wort ergriff, wurde es sehr still im Atrium der Dreilindengrundschule in Nikolassee. Viele der über 150 Besucher, die gekommen waren, um auf Initiative von Betroffenen und dem Bundestagsabgeordneten Karl-Georg Wellmann (CDU) über die zunehmende Einbruchskriminalität in Nikolassee zu diskutieren, sind nämlich bereits mehrfache Opfer. Und da gleich zu Beginn einer der Podiumsteilnehmer, der Leiter der Polizeidirektion 4, Andreas Pahl, offen erklärte, jeder Einbruch sei auch ein "Einbruch in die Intimsphäre" der Menschen, war die emotionale Ausgangslage an diesem Abend klar.

Doch obwohl der Steglitz-Zehlendorfer Direktkandidat Karl-Georg Wellmann bereits im Vorfeld "einen Anti-Einbruchs-Marathon und Power-Streifen mit Diensthunden" gefordert hatte, blieb der Abend insgesamt erstaunlich sachlich, Vorwurf und Lob von Seiten der Bürger an die Polizei hielten sich die Waage. Dennoch gab es sicherlich für viele an diesem Abend einige Momente, in denen sie nicht wussten, ob sie nun lachen oder weinen sollten.

Auch Ex-BND-Chef Hanning war anwesend

Das Podium war jedenfalls hochkarätig besetzt, denn neben Moderator Wellmann und Pahl saßen dort noch Justizsenator Thomas Heilmann (CDU), der eine gute Figur machte, und der Polizeipräsident Klaus Kandt, der manchmal ein wenig mürrisch und aufbrausend wirkte. Im Publikum saß unter anderen Prominenten, die hier zu Hause sind, auch der ehemalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND) und Staatssekretär im Bundesinnenministerium, August Hanning.

Eng zusammen rückten die Besucher, um den vier Männern auf dem Podium gedanklich zu folgen.
Eng zusammen rückten die Besucher, um den vier Männern auf dem Podium gedanklich zu folgen.

© ale

Einer dieser irritierenden Momente war gekommen, als Pahl den Bürgern eigentlich ein Kompliment machen wollte, sein Zahlenbeispiel aber unweigerlich Ernüchterung auslösen musste, was die eigenen Möglichkeiten der Polizei angeht. Generell werden in Berlin Einbrüche selten aufgeklärt, die Quote, sagte Pahl, liege zwischen 3,5 und 7 Prozent. Von diesen maximal sieben Prozent gehen wiederum 70 Prozent auf konkrete Hinweise der Bürger zurück. Jedenfalls in Steglitz-Zehlendorf, wie Pahl betonte, was er als Anreiz verstanden wissen wollte, möglichst weiterhin wachsam zu bleiben.

Bürger-Sprechrunde. In Nikolassee konnten viele Bürger über ihre Erfahrungen bei Einbrüchen und mit der Polizei berichten.
Bürger-Sprechrunde. In Nikolassee konnten viele Bürger über ihre Erfahrungen bei Einbrüchen und mit der Polizei berichten.

© ale

Tatsächlich ist es aber so, dass die Polizei sehr wenig Chancen hat, Täter bei der Tat zu ertappen oder diese zu verhindern. Wieder war es Pahl der ausführte, er habe einmal sogar seine gesamte Fahndungseinheit, die ihm in seinem Abschnitt zur Verfügung steht, in Zivil auf die Straße gebracht. 15 Leute für einen Quadratkilometer, 14 Tage lang. Das Ergebnis: Keine Festnahme, trotzdem, musste Pahl offen aussprechen, habe es drei Einbrüche gegeben.

Die nackten Zahlen sind erschreckend genug, aber die Erklärungen von Justiz und Polizei, warum das Problem so schwer in den Griff zu bekommen ist, sind nicht weniger unbefriedigend. In Deutschland ist die Zahl der Einbrüche insgesamt von 2008 bis 2012 um über 30 Prozent gestiegen, in Berlin in absoluten Zahlen von 8000 auf 12000. Allein in der Polizeidirektion 4, die Pahl leitet, und der nicht nur aus Steglitz-Zehlendorf, sondern auch aus Tempelhof-Schöneberg besteht, ist die Zahl von 1340 auf 2043 Einbrüche in Häuser und Wohnungen angewachsen. 2013 gab es allein im Ortsteil Nikolassee 40 Einbrüche, manche Bürger, die anwesend waren, berichten von bis zu 13 Einbrüchen in ihrer Straße, und so war ein Satz einer betroffenen Frau für alle verständlich, nämlich, dass man sich "sehr, sehr unsicher fühle".

Thomas Heilmann ist neuer Kreischef der CDU Steglitz-Zehlendorf. Er wurde mit über 85 Prozent der Stimmen gewählt.
Thomas Heilmann ist neuer Kreischef der CDU Steglitz-Zehlendorf. Er wurde mit über 85 Prozent der Stimmen gewählt.

© Kitty Kleist-Heinrich

Polizeipräsident Kandt gab sich wenig gefühlig, und vielleicht lag es daran, dass er und das Publikum an diesem Tag wohl die größte Distanz hatten. Manchmal gab Kandt den harten Hund und polterte, er sei schon auch zufrieden, wenn er die Täter nach Brandenburg verjage, das solle ihm dann auch Recht sein, obwohl er kurz zuvor noch von der Problematik gesprochen hatte, dass die Kriminalität sich oft im Speckgürtel abspiele, so dass man mit den Kollegen in Brandenburg gut zusammenarbeiten müsse.

Kandt fand auch, dass die Erwartungshaltung der Menschen insgesamt zu groß sei und dass sie nicht auf eine solche Veranstaltung gehen und erwarten könnten, einen Anweisungskatalog an die Hand zu bekommen, sondern eben selbst auch Verantwortung für ihr Eigentum tragen. "Die Polizei ist nicht ihr Wachschutz", sagte er an einer Stelle, was niemand im Raum erwartet hatte und die Aussage dementsprechend wiederum ein eher zwiespältiges Gefühl bei den Anwesenden hinterließ.

Karl-Georg Wellmann, CDU-Vorsitzender in Dahlem und Bundestagsabgeordneter sowie Mitglied der Evangelische Kirchengemeinde in Dahlem.
Karl-Georg Wellmann, CDU-Vorsitzender in Dahlem und Bundestagsabgeordneter sowie Mitglied der Evangelischen Kirchengemeinde in Dahlem.

© promo

Heilmann versuchte, die juristischen Fortschritte in Sachen Haftbefehl zu erläutern, weil die Täter meist "reisende Banden" seien und deshalb sehr schwer zu verfolgen und zu verhaften sind und erklärte, warum man in Fällen von geringem Schaden bestimmte Fahndungsmethoden wie die Funkzellenabfrage oder die Verfolgung von IP-Adressen nicht anwenden dürfe. Auch im Herausstellen der eigenen Leistungen ließ Heilmann nichts zu wünschen übrig, was indes für alle Teilnehmer gleichermaßen galt, der Justizsenator verpackte das Eigenlob nur am hübschesten.

Wellmann fragte zwischendurch, ob man nicht auch die Geheimdienste brauche, und man wusste nicht so recht, wie ernst er das wirklich meinte, aber selbst der Ex-BND-Chef im Publikum beließ es bei der Forderung, dass die Internet-Technik verbessert werden müsse und die Beamten dementsprechend auch geschult sein müssten. Hier gab wiederum Heilmann zu, dass die Staatsanwälte in Berlin "vor seinem Amtsantritt nicht online waren", was wiederum zu einigem Kopfschütteln im Publikum führte. Habe sich aber schon geändert, fügte der Justizsenator noch leicht gequält lächelnd hinzu.

Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der CDU-Dahlem, Karl-Georg Wellmann, Polizeipräsident Klaus Kandt, der Leiter der Polizeidirektion 4, Andreas Pahl, und Justizsenator und CDU-Kreischef von Steglitz-Zehlendorf, Thomas Heilmann (v.l.n.r.)
Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der CDU-Dahlem, Karl-Georg Wellmann, Polizeipräsident Klaus Kandt, der Leiter der Polizeidirektion 4, Andreas Pahl, und Justizsenator und CDU-Kreischef von Steglitz-Zehlendorf, Thomas Heilmann (v.l.n.r.)

© ale

Lösungen aber gab es, wohl naturgemäß, an diesem Abend nicht. Bei vielen blieb letztlich der Eindruck haften, man könne also sowieso nicht viel tun, wenn doch schon die Polizei sagt, mehr Beamte bringe gar nichts, weil die Kriminellen dann eben einen anderen Zeitpunkt und einen anderen Ort wählten. Wenn Nikolassee oder Wannsee für eine Weile dicht gemacht werde von der Polizei, dann gingen die eben nach Charlottenburg oder Grunewald. Flächendeckender Schutz sei nicht möglich.

Aus dem Publikum gab es einige erschütternde Berichte über die eigenen Erfahrungen mit der Polizei nach Einbrüchen, es gab aber auch andere Aussagen, die die Einsatzkräfte in höchsten Tönen lobten und sich "sicher und psychologisch gut betreut" gefühlt haben.

Erfreulich auch, dass hier niemand nach einer Bürgerwehr rief, obwohl doch einige davon berichten konnten, dass in ihrer Nachbarschaft solche Überlegungen existierten. August Hanning fand hinterher, dass hier ein interessiertes Bürgertum "weitestgehend brav und konstruktiv" diskutiert habe, aber alles in allem blieb bei den Teilnehmern wohl ein Eindruck haften, den ein Mann als "kein gutes Gefühl" formulierte.

Der Autor ist Redakteur für besondere Aufgaben im Tagesspiegel und hat den Zehlendorf Blog konzipiert. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin aus dem Südwesten.

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