zum Hauptinhalt
Obdach gesucht. Am Lageso kommen Flüchtlinge schwer bepackt an – und machen sich auf den Weg in Unterkünfte. Warum einige von ihnen eine Adresse mitten im Grunewald genannt bekamen, will das Lageso nun aufklären.

© dpa

Lageso schickt Flüchtlinge in den Grunewald: So finster und so bitterkalt

Flüchtlinge irren abends im Grunewald umher, weil sie beim Lageso eine falsche Adresse genannt bekamen. Eine Studentin hilft ihnen, ihre Unterkunft zu finden – und stößt danach bei der Polizei auf Unglauben.

Hüttenweg 160, 14193 Berlin, ist eine urwüchsige Adresse. Tannen ragen in die Höhe, tote Baumstämme und Äste liegen wie beim Mikado auf dem Waldboden, die Blätter der Birken sind gelb. Hier ist raue Natur, der Grunewald. Hier ist nicht: ein Flüchtlingsheim.

Doch die fünf Flüchtlinge, die am Donnerstag gegen 18.30 Uhr hier standen, mit ratlosem Gesicht, die hatten einen Zettel in der Hand. Ausgestellt vom Lageso, dem Landesamt für Gesundheit und Soziales. „Zuständige Aufnahmeeinrichtung – Hüttenweg 160, 14193 Berlin“, stand auf dem Papier. Das Waldstück in der Nähe der Autobahnabfahrt Hüttenweg. Eine gewaltige Panne des Lageso.

Franziska Becker (Name geändert), eine 24-jährige Studentin, traf zufällig auf die ratlose Gruppe. Sie joggte gerade nach Hause, als sie das Quintett sah. Ein älterer Mann mit einem Motorroller kümmerte sich auch schon um sie. „Wie die Flüchtlinge hergekommen sind, weiß ich nicht“, sagt Franziska Becker. Mit dem Taxi, zu Fuß, alles möglich. „Nur einer sprach gebrochen Englisch.“

Polizei glaubte ihr nicht

In der einsetzenden Dunkelheit fanden die beiden Helfer mit Hilfe eines Smartphones heraus, dass in der Nähe tatsächlich Flüchtlingsheime sind, drei sogar. Franziska Becker, so erzählt sie es, habe dann zwei Taxis gerufen. Der Mann mit dem Roller gab ihr 50 Euro, damit sie die Fuhren bezahlen könne.

Und noch während sie mit dem Flüchtlingen am Wald stand, sei schon das nächste Taxi gekommen. Mit vier Flüchtlingen, die alle Zettel in der Hand hielten mit der Adresse: Hüttenweg 160. „Dann sind alle Taxis zu einem Flüchtlingsheim in der Nähe gefahren“, sagt Franziska Becker. Sie saß in einem der Autos.

Gar nicht so knapp daneben. Am (ziemlich langen) Hüttenweg gibt es zwar durchaus Flüchtlingsunterkünfte. Bei dieser Hausnummer allerdings nicht.
Gar nicht so knapp daneben. Am (ziemlich langen) Hüttenweg gibt es zwar durchaus Flüchtlingsunterkünfte. Bei dieser Hausnummer allerdings nicht.

© fmb

Im Heim seien die Flüchtlinge dann aufgenommen worden. Franziska Becker lief dann nach Hause, zog sich um und fuhr mit ihrem Auto zur Polizei. Sie hatte den Verdacht, dass noch mehr Flüchtlinge mit der falschen Adresse im Wald landen würden. Doch die Polizei habe ihr nicht geglaubt, sie habe ja keine Beweise gehabt. Daraufhin fuhr die nun wütende 24-Jährige nochmal zum Flüchtlingsheim, machte ein Foto von der Adresse und fuhr wieder zur Polizei. Beamte riefen beim Lageso an und schilderten den Sachverhalt.

Lageso will Sachverhalt nachgehen

Eine Pressesprecherin der Polizei bestätigte dem Tagesspiegel nach Rückfrage bei der betreffenden Polizeiwache, dass eine Frau mit dem Foto der falschen Adresse und der Bitte um Kontaktaufnahme mit dem Lageso am Donnerstagabend aufgetaucht sei. Regina Kneiding, die Pressesprecherin des Senats für Gesundheit und Soziales, sagte dem Tagesspiegel: „Das Lageso wird dem Sachverhalt umgehend nachgehen und ihn aufklären. Sollte es Irritationen gegeben haben, wird das Lageso sie ausräumen.“

Als Franziska Becker auf dem Heimweg wieder an der Autobahnabfahrt Hüttenweg vorbeikam, es war gegen 22 Uhr, also längst dunkel, sah sie schon das nächste Taxi mit Flüchtlingen. Der Taxifahrer habe ihr gesagt, er suche den Hüttenweg 160, er habe schon das Taxameter ausgeschaltet, weil er nichts finde. Franziska Becker konnte helfen, die Suche hatte ein Ende.

Zur Startseite