zum Hauptinhalt
Plattenbau. Am Donnerstag wurden mit Kokosmatten verkleidete Schallschutzelemente an die Stahlträger der Wand in Dahlem moniert. Eine Begrünung soll folgen.

© Cay Dobberke

Update

Lauter Streit um Lärm in Zehlendorf: Anti-Kindermauer wird auch Kletterwand

Die Debatte um die Lärmschutzwand an der alten Truman Plaza in Zehlendorf geht weiter. Die Bürger sind empört, der Bürgermeister schweigt, und die Grünen versuchen, den Streit zu versachlichen. Derweil wird die Mauer gebaut – sie soll schön grün werden.

Noch immer klingen die Proteste gegen die Schallschutzmauer um die Sportanlage an der Marshallstraße und am Tom-Sawyer-Weg gegenüber der ehemaligen Truman Plaza in Zehlendorf nicht ab. Mittlerweile stehen die ersten Wände, die künftige Bewohner der Luxuswohnsiedlung „Fünf Morgen Dahlem Urban Village“ vor dem Lärm spielender Kinder und Jugendlicher auf den drei kleinen Sportplätzen schützen soll. „Fünf Mauern Dahlem Urban Ghetto“ sei ein treffenderer Name für die entstehende Wohnanlage auf der Truman Plaza, kommentiert ein Tagesspiegel-Leser im Online-Forum wütend die fünf Meter hohe Mauer. Ein anderer fragt ironisch, ob ein eventueller Spielplatz innerhalb der Siedlung auch vermauert würde oder ob von vornherein nur kinderlose Paare und Alleinstehende einziehen dürften.

Nicht nur online war die Empörung nach den Berichten im Tagesspiegel groß. Es hagelte Vorwürfe von Bürgern ans Bezirksamt, doch trotz mehrfacher Nachfrage wollte sich Bürgermeister Norbert Kopp (CDU) nicht äußern. Er verwies nur auf die Zuständigkeit des Baustadtrats und schwieg.

Baustadtrat Norbert Schmidt (CDU) hatte vorher bereits zugegeben, die Wand wirke „massiv und brutal“, was sich durch eine geplante Begrünung jedoch ändern werde. Außerdem soll es eine 8,40 Meter lange und drei Meter hohe Kletterwand geben an einer Stelle, wo die Wand seitlich von der Marshallstraße wegführt.

In der schriftlichen Planung der Architekten, die dem Tagesspiegel vorliegt, heißt es: „Alle Wände sind als begrünte Systemwände vorgesehen. Deren Tragkonstruktion besteht aus verzinkten Stahlrahmen, die an senkrechten Stahlstützen befestigt sind. (...) Die zwischengespannten Stahlrahmen werden, als eigentliche Begrünungsfläche, durch Recyclingkunststoffrohre, die mit natürlichen Kokosfasern ummantelt sind, belegt. Zwischen Innen- und Außenseite der Wände wird eine Schalldämmplatte vorgesehen, die die erforderliche Geräuschabsorption leistet.“

Nach der Fertigstellung würden die vom Investor finanzierten Wände dem Bezirk übergeben, der die Grünpflege übernehme, teilte Stofanel auf Nachfrage mit. Dies entspreche dem Verursacherprinzip, die Geräusche kämen ja von einer Bezirkseinrichtung. In einem Workshop habe man sich auf eine „extensive“, aber „pflegeleichte“ Begrünung geeinigt.

Der Grünen-Kreisvorsitzende von Steglitz-Zehlendorf, Norbert Schellberg, sowie der Fraktionsvorsitzende Uwe Köhne bestätigten die Pläne für eine Kletterwand. Die Grünen, die im Bezirk mit der CDU eine Zählgemeinschaft bilden, versuchten, die Diskussion zu versachlichen.

Hier war die Sicht noch frei: Zwei junge Skater am Dienstag, als von der Lärmschutzwand erst die Stützen standen. Die beiden waren übrigens allein auf der Anlage.
Hier war die Sicht noch frei: Zwei junge Skater am Dienstag, als von der Lärmschutzwand erst die Stützen standen. Die beiden waren übrigens allein auf der Anlage.

© Cay Dobberke

Schellberg wies darauf hin, dass es „rein rechtlich nicht um Kinderlärm, sondern um Sportlärm“ gehe. Köhne erklärte, nur eine solche Mauer sichere die Sportplätze: „Ohne die Wand besteht die Gefahr, dass die Anwohner gegen den entstehenden Lärm klagen.“ Ein Lärmschutzgutachten, vom Investor in Auftrag gegeben, war zum Ergebnis gekommen: zu laut. Insbesondere auf der Skaterbahn, die zur Sportanlage gehört, würden Jugendliche mit Skateboards und Mountainbikes zu viel Lärm verursachen. „Um die Bahn zu retten, gibt's die Wand“, so Schellberg.

Bisher hat sich noch niemand beschwert

Tatsächlich hatte sich jedoch nie ein Anwohner beschwert. Ein Tagesspiegel-Leser vermutet in einem Kommentar sogar, die Schallschutzwand sei der Beginn einer Sichtschutzwand: „Die Luxushäuser stehen mit großen Fenstern versehen relativ nah an der Straße. Es wird mit Sicherheit zusätzlich eine Sichtschutzmaßnahme geben. Der Bau einer Mauer bietet sich geradezu dafür an.“

Fraktionschef Köhne sagt, dass die bisherigen Anwohner nicht so nah an der Sportanlage wohnten wie zukünftige Bewohner der Villensiedlung. Deshalb habe es bisher keine Beschwerden gegeben.

Eric Lüders von den Piraten bezieht ebenfalls Stellung: Den Kommunalpolitiker stört es, dass die Wand auf öffentlichem Grund und nicht auf dem Grundstück des Investors Stofanel errichtet wird. „Der Sportplatz war zuerst da. Man hätte sich vor dem Bau der Luxuswohnsiedlungen überlegen müssen, ob man überhaupt so nah ran bauen darf und soll.“

Viele Tagesspiegel-Leser stimmen Lüders zu. „Wer zuerst da war, soll das Recht haben, die Bedingungen einer Einigung zu diktieren“, schreibt einer. „Die Mauer sollte um die Luxusanlage herum gebaut werden.“ Grünen-Politiker Schellberg ist der gleichen Meinung: „Ich persönlich hätte eine Einigung mit dem Investor auf größeren Abstand der Wohnungen zur Sportanlage noch besser gefunden als die jetzige Errichtung einer Schallschutzwand.“

Das Thema wird auch die BVV beschäftigen

Im Stadtplanungsausschuss soll das Thema im Juli zur Sprache kommen. Auf dem rund 5,6 Hektar großen Stofanel-Grundstück wird ein Ensemble aus freistehenden Villen sowie Doppel- und Mehrfamilienhäusern gebaut. Das Unternehmen sieht darin ausdrücklich keine Luxusbebauung. In einem Interview mit dem Zehlendorf Blog sagte der Investor: „Unsere Projekte, die wir gebaut haben, sind keine Luxusprojekte. In Berlin galten vor fünf Jahren Preise von 3000 Euro pro Quadratmeter als Luxus. In anderen Städten würde man bei solchen Preisen niemals über Luxus reden. Berlin war so billig, dass sich der Geist noch nicht daran gewöhnt hat. Wir sind jetzt erst am Beginn einer Entwicklung.“

Eine geplante Kita wird gebaut, versichert der Investor

Unterdessen haben Tagesspiegel-Leser bezweifelt, dass Stofanel die im städtebaulichen Vertrag vereinbarte neue Kindertagesstätte mit rund 50 Plätzen im Randbereich der Truman Plaza am Hüttenweg bauen werde. Dazu gab es am Freitag eine Klarstellung von Ludwig-Maximilian Stoffel, der die Firma mit seiner Frau Giovanna führt: „Wir wollen die Kita auf jeden Fall.“

Die Autoren arbeiten für den Tagesspiegel, der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin der Zeitung aus dem Südwesten Berlins.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false