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Madonna bringt Zehlendorf ins Schwitzen. Am Donnerstag eröffnet Popsängerin Madonna ihren Fitnessklub Hard Candy in Berlin-Zehlendorf.

© AFP

Update

Madonna tanzt Zehlendorf vor: Pop-Ikone eröffnet Berliner Fitness-Club Hard Candy

Madonna hat auch mit 55 nicht aufgehört, sich zu bewegen – man weiß nur nicht, ob ihre Songs noch zum Tanzen animieren sollen oder das Tanzen als Workout zum ewig-gleichen Madonna-Fitnessaufruf geworden ist. In Zehlendorf mussten die Fans lange warten, bis sie ihren Star vor ihrem Fitness-Club Hard Candy feiern durften.

In Zehlendorf, Clayallee, ist es 20.14 Uhr, der Dauerregen hat Jasmin zugesetzt, und gleich fließen Tränen. „Ich will jetzt nach Hause, ich kenne diese Frau nicht, sie ist alt, und wenn sie noch kommt, kann ich sowieso nichts sehen.“ Jasmin ist 11, die Mutter guckt ernst, aber dann gehen plötzlich lauter Handys in die Luft, ein Kreischen beginnt, erste „Madonna“-Sprechchöre setzen ein. Jasmin hat verloren, die Queen of Pop ist tatsächlich in Dahlem angekommen, um, wie mehrfach versprochen, ihre erste Filiale in Deutschland aus ihrer „Hard-Candy“-Fitnesskette zu besuchen.

Hautenge Lederhose, figurbetonte schwarze Jacke, „sie sieht immer noch aus wie 1985 bei ’like a virgin“, sagt einer, der ziemlich nah an die Absperrung gekommen ist. Jasmin schmollt, die Mutter versucht Fotos zu machen. Im Soho-Hotel in Mitte war Madonna schon am Mittwoch eingetroffen, aber selbst die rund 50 geladenen Gäste im VIP-Raum an der alten Truman Plaza mussten sich gestern stundenlang gedulden, bis sie unter ihnen weilte, um einigen eine Art Privatstunde in Sachen „harder is better“ zu geben.

Ein älterer Herr wartete zweieinhalb Stunden - dann gab er auf

Zweimal ist Madonna bereits von den PR-Strategen avisiert worden, zweimal ist sie nicht gekommen, was den Fitness-Betreibern egal sein konnte, weil die für sie notwendige Berichterstattung trotzdem stattfand.

Oben im Trockenen wird Wein gereicht, im Freien haben die rund 160 Fans und Schaulustigen die Möglichkeit, vor dem Regen ins direkt benachbarte neue Reichelt zu flüchten und vom Café aus zuzuschauen, wie nichts passiert. Eine Verkäuferin, die direkt am Fenster ihren Arbeitsplatz hat, strahlt: „Ich bin doch mit Madonna aufgewachsen – musikalisch.“ Ein älterer Herr ist schon um 16 Uhr gekommen, „wollte schauen, wie so ein Star aussieht“, um 18.30 Uhr gibt er auf: „Sonst muss ich zum Arzt und sagen, war bei Madonna, bin erkältet.“

"Harder is better". Popsängerin Madonna eröffnet mit ihrer persönlichen Fitness-Trainerin Nicole Winhoffer ihr "Hard-Candy-Fitness-Studio" in Berlin-Zehlendorf.
"Harder is better". Popsängerin Madonna eröffnet mit ihrer persönlichen Fitness-Trainerin Nicole Winhoffer ihr "Hard-Candy-Fitness-Studio" in Berlin-Zehlendorf.

© dpa

Verzweifelt versuchten zwei Putzmänner am Abend den Roten Teppich trocken zu wischen, aber der Schwarze Himmel war gnadenlos. Schon morgens um 9 Uhr am Donnerstag hatte es geregnet, und der Teppich war nass, aber er war noch geschützt von einer Plastikplane. Alles war weiträumig abgesperrt, und der Reichelt deshalb nicht mehr über den Nebeneingang zu erreichen.

Eine Bühne war schon früh aufgebaut, schwarze Luftballons hingen an der Fassade und bis um 16 Uhr standen mehr Männer von der Security als Fans herum. Nichts deutet daraufhin, dass es hier irgendwann an diesem Mittwoch noch richtig voll werden könnte und dass eine Frau auftauchen sollte, die Pop-Geschichte geschrieben hat.

Arne Friedrich war schon wieder da

Zweimal ist Madonna bereits von den PR-Strategen ihres Unternehmens avisiert gewesen, zweimal ist sie nicht gekommen, aber das war im Prinzip auch egal, denn die notwendige Berichterstattung findet bei einem Superstar automatisch statt. Das „Hard Candy“ in Zehlendorf ist das erste Fitness-Studio der Madonna-Kette, das in Deutschland aufmacht. Eigentlich ist der Klub mit 25-Meter-Schwimmbecken schon eröffnet worden, und Sportler wie der Ex--Fußballprofi Arne Friedrich oder Boxer Arthur Abraham waren zu Gast. Madonna fehlte.

Jetzt eröffnet man eben noch mal, und Arne Friedrich kam sogar nochmals vorbei. Einer der geladenen VIP-Gäste war trotzdem ratlos: "Passiert nichts hier, und die Gäste sind auch nicht wirklich prominent."

Wenn man sich bei den neuen, nicht-prominenten Mitgliedern umhörte, Bürger, die rund um das neue Areal "Five Morgen Dahlem Urban Village" von den Investoren Stefanel/Stoffel wohnen, gibt es wie immer in solchen Fällen beides: Schimpfen und Loben. Wenige meckern und sagen, dass das Studio seine Versprechen nicht halte, dass etwa gar keine amerikanischen Fitness-Trainer da seien, dass Vieles noch Baustelle sei, andere freuen sich über das Studio und sagen: „Alles absolut top, besser als Fitness-First.“

Madonna - in Zehlendorf präsent.
Madonna - in Zehlendorf präsent.

© ale/promo

„Time goes by so slowly“ – singt Madonna auf ihrem legendären Disco-Song „Hung up“, ein passender Titel für den gestrigen Tag. Im Video verschmilzt sie im rosafarbenen Workout-Dress zu einem einzigen Move. Wer den Song hört, kann nicht anders, als selbst zu zucken. Das war schon immer die Kunst Madonnas – Menschen zum Tanzen zu bringen und Spaß zu haben. Sie hört nicht auf, sich zu bewegen, auch mit 55 Jahren nicht, warum auch? Man weiß nur nicht mehr genau, ob ihre Songs noch zum Tanzen animieren sollen oder das Tanzen als Workout-Prozess und Fitness-Programm zum ewig-gleichen Madonna-Album mutiert sind. „Harder is better“ ist ihr Lebensprinzip geworden, dementsprechend arbeitet sie an ihrem Körper.

Zehlendorf wird sich anstrengen müssen für "no sweat, no candy"

Diese Körperbotschaft „Hard Candy“ gibt es schon an einigen Orten, wie Santiago de Chile, Moskau oder St. Petersburg. Dort hatte Madonna 2012 noch ein anderes, in Russland wirklich mutiges Anliegen verkündet. Sie hatte sich bei einem Konzert für die Rechte von Lesben und Schwulen eingesetzt. Madonna könnte auch im fortgeschrittenen Alter und trotz der Fitness- Besessenheit („I’m hung up“) mehr sein als eine „Queen of Pop“ und vor allem mehr als ein Fitness-Guru. Man würde ihr zuhören, sie ist noch immer eine Ikone, sie müsste nur mal stehen bleiben und einen anderen Sound finden.

Der Autor ist Redakteur für besondere Aufgaben im Tagesspiegel.
Der Autor ist Redakteur für besondere Aufgaben im Tagesspiegel.

© Kai-Uwe Heinrich

Seit Mittwoch und noch bis Freitagfrüh haben die frischgeworbenen Mitglieder übrigens gar keinen Zutritt in ihren Klub – aus Sicherheitsgründen. Die gestrige Show war eine Exklusiv-Veranstaltung für einige Auserwählte, die sich bei einem Vortanzen qualifiziert hatten. Eine, die gescheitert ist, sagt mit einer gewissen Erleichterung: „Am Ende waren nur die Profis übrig.“ Zehlendorf wird sich anstrengen müssen, um Madonnas Motto zu leben: „No sweat, no candy.“

Der Autor ist Redakteur für besondere Aufgaben im Tagesspiegel, der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin dieser Zeitung.

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