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Ein Baum wie aus dem Bilderbuch. Die alte Eiche an der Rehwiese wirkt noch immer kraftvoll. Nur die Schmierereien auf der Bank passen nicht ganz zur Idylle.

© Cay Dobberke

Naturwunder in Nikolassee: Der Stamm-Baum an der Rehwiese

Mindestens 250 Jahre alt soll die mächtige Eiche sein, die sich am nördlichen Rand der Grünanlage 33 Meter hoch aus der Senke erhebt. Unsere Autorin macht immer wieder gerne einen Abstecher zu diesem Prachtexemplar.

Die Rehwiese, diese schmale anderthalb Kilometer lange Niederung, die sich von der Spanischen Allee bis zum Nikolassee hinzieht, ist ja ein kleines Paradies.  Außer Vogelgezwitscher hören Spaziergänger zumindest im Sommer keinen  Laut. Selbst an ihrem nördlichen Rand schluckt das üppige Grün jedes Autogeräusch, obwohl nur ein wenig Buschwerk die stark befahrene Spanische Allee von der Idylle trennt.

Kaum jemand, der hier, an der Bushaltestelle Rehwiese, auf den 112er wartet, was dauern kann, weil er nur alle 20 Minuten  kommt, ahnt, welchem Schatz er den Rücken zukehrt. Gleich hinter der Haltestelle erhebt sich aus der Senke eine mächtige Eiche. Eine Treppe führt hinunter zu diesem Prachtexemplar, das  aus dem Rahmen fällt und doch im Verborgenen gedeiht. Seit 35 Jahren zieht es mich öfter zu diesem Baum. Für mich ist er ein kleines Naturwunder denn er lässt kein Zeichen von Altersermüdung erkennen. Weder der umfangreiche Stamm noch das ausladende Geäst braucht Stützen.

Als mir vor Jahren ein Buch über seltene Bäume in die Hände fiel, war ich überrascht, auch „meine“ Eiche darin zu finden, ihr Alter war mit etwa 250 Jahren angegeben. Na schön, das ist nichts  gegen die „dicke Marie“, an der Großen Malche am Nordrand des Tegeler Sees. Die „dicke Marie“ soll 900 Jahre alt sein und gilt als der älteste Baum Berlins. Die Brüder Humboldt gaben ihr den Namen.  Auch Goethe hat sie 1778 bestaunt, als er bei den Humboldts im Schloss Tegel zu Gast war.

Um die Eiche auf der Rehwiese rankt sich keine Legende. Doch in aller Bescheidenheit kann auch sie eine Menge erzählen. 250 Jahre, du liebe Güte, das war die Zeit Friedrichs des Großen. Auf unsereinen wirkt sie sogar älter, vermutlich hat sie den richtigen Platz, sich so prächtig zu entfalten. Doch wer weiß, vielleicht war sie schon ein Bäumchen, als der Neffe des Alten Fritz, Friedrich Wilhelm II., 1792 die erste Chaussee in Preußen zwischen Berlin und Potsdam bauen ließ.

An den Zehlendorfer Ortsteil Nikolassee war damals natürlich noch längst nicht zu denken, weit und breit nichts als urwüchsige Natur, die sumpfige Rehwiese von Auenwald umgeben. Sie gehört ja zur Kette der Grunewaldseen zwischen  dem Halensee und Nikolassee; der Ursprung dieser Seenkette als eiszeitliches Zwischenurstromtal ist an der Senke der  Rehwiese abzulesen. Seit 1960 steht sie mitsamt dem Nikolassee, an dessen Ufer noch Reste des Auenwalds erkennbar sind, unter Naturschutz.

Erst seit 1901, als die Villenkolonie  Nikolassee entstand, hat man die Rehwiese weitgehend trockengelegt und an den Hängen zu beiden Seiten vornehme Landhäuser errichtet. Das heißt, als die Kolonisten kamen, hieß sie noch Kuhfenn, vermutlich, weil an den Hängen Rinder weideten. Doch eine Villa am Kuhfenn? Keine standesgemäße Adresse. So erhielt das Kuhfenn den poetischen Namen Rehwiese, was auch wegen des Wildbestandes nahe lag.

Vor „meiner“ Eiche steht eine weithin rot leuchtende Bank, die Spaziergänger zum Ausruhen einlädt, aber ich habe da noch nie jemanden sitzen sehen, Jetzt ist sie mit Graffiti bekleckert. Jedenfalls hat man hier einen reizenden Blick auf die Rehwiese in ganzer Länge, nichts als stille Natur, die Villen im Sommer wie hinter Laub versteckt.

Brigitte Grunert war langjährige landespolitische Chef-Korrespondentin des Tagesspiegels. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegels.

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