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Luftbild. Die Fabeckstraße 62 und das Gelände, auf dem das ehemalige US Hospital steht. Hier soll das Technologie- und Gründungszentrum entstehen.

© google maps

Neues Berliner Gründungszentrum rückt näher: Große Koalition für Standort Dahlem

Nach TU und Humboldt Universität soll nun auch die FU ein Gründungszentrum bekommen. Nach langem Zögern wollen die Abgeordneten sowie der Senat grünes Licht geben - als ein Beispiel für die neue Liegenschaftspolitik Berlins, die nicht mehr nur auf hohe Immobilienerlöse aus ist.

„Chic“ und „Big“ oder auch „Tib“ und „OWZ“ – die Namen sind ein bisschen gruselig, gehören aber weder einem verkleideten Halloween-Kind noch einem arbeitslosen Zirkus-Clown. Es sind die Namen von einigen Berliner Gründerzentren, von denen das „OWZ“, das Internationale Gründerzentrum in Adlershof, das wohl bekannteste und - über Deutschland hinaus - erfolgreichste ist. 2014 wird nun sehr wahrscheinlich ein weiteres Technologie- und Gründungszentrum dazu kommen, angebunden an die Freie Universität (FU) in Dahlem und getragen von einer Viel-Parteien-Koalition und vielen interessierten Unternehmen.

Zurzeit laufen die parlamentarischen Beratungen für den Doppelhaushalt 2014/15, und die Abgeordneten sowie die Vertreter der Senatsebene sind optimistisch, dass die notwendigen Mittel für das Projekt eingestellt werden. Der Staatssekretär für Wirtschaft, Technologie und Forschung, Henner Bunde (CDU), sagte dem Tagesspiegel: „Das Technologie- und Gründungszentrum ist ein gutes Beispiel für unsere neue Liegenschaftspolitik, in der wir nicht mehr nur auf möglichst hohe Erlöse durch den Verkauf von Immobilien aus sind, sondern eine nachhaltige Wirtschaftspolitik machen, um junge Unternehmen zu fördern und langfristig an uns zu binden. Diese Stadtrendite wird uns länger Einnahmen garantieren, als ein einmaliger Verkauf.“

Finanzsenator Nußbaum will Einnahmen sehen

Zuletzt hatte sich nur noch Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) skeptisch gezeigt. Zum einen waren die Einnahmen aus dem Verkauf des ehemaligen US-Militärhospitals an der Dahlemer Fabeckstraße 62 für die Sanierung und Erweiterung der Charité eingeplant, denn das Gebäude ist eine alte Liegenschaft der Charité, und Nußbaum pochte auf das Geld. Doch nun sollen statt der als Verkaufserlös errechneten 9,2 Millionen Euro andere Einnahmen gefunden werden und ein Modell, mit dem auch Nußbaum leben kann. Alle Beteiligten sind sich einig, dass dies gelingen werde.

Staatssekretär Henner Bunde bei seinem Impulsreferat am Mittwochabend bei den 10. Steglitz-Zehlendorfer Wirtschaftsgesprächen der Grünen im Gutshaus Steglitz.
Staatssekretär Henner Bunde bei seinem Impulsreferat am Mittwochabend bei den 10. Steglitz-Zehlendorfer Wirtschaftsgesprächen der Grünen im Gutshaus Steglitz.

© Tonka Wojahn

Die Nußbaum-Forderung nach den 9,2 Millionen ist deshalb nun auch laut Staatssekretär Henner Bunde vom Tisch und wird im Hauptausschuss gar nicht mehr besprochen. Auch der SPD-Haushaltsexperte und Mitglied im Hauptausschuss, Andy Jauch, sagte dem Tagesspiegel: „Es gibt Konsens zwischen SPD, CDU und auch der Grünen über das Vorhaben, ich sehe da überhaupt keine Probleme, auch wenn noch einige Details zu besprechen sind. Es geht letztlich um das wichtige Vorhaben, „universitäre Forschung wirtschaftlich nutzbar zu machen“.

Nußbaums Verwaltung hat immer betont, dass man nicht grundsätzlich gegen eine Übernahme des Grundstücks durch den Bezirk oder eine Übertragung an das Technologie- und Gründerzentrum sei. Eine Einigung steht kurz bevor.

Der Einzelplan 13, der das Thema umfasst, soll nun Mitte November in der 2. Lesung im Hauptausschuss abgesegnet werden. Bis dahin wird die Senatsverwaltung für Wirtschaft dem Ausschuss auch einen Bericht vorgelegt haben, in dem die Argumente und Kriterien für ein weiteres Technologie- und Gründungszentrum dargelegt werden. Im Hauptausschuss ist auch der Finanzsenator durch seinen Staatssekretär vertreten, sollte Nußbaum dann immer noch nicht überzeugt sein, heißt es aus der SPD und CDU, werde man den Druck erhöhen müssen. Außerdem sei es letztlich nicht Nußbaum, der entscheide, sagt ein hoher CDU-Beamter.

Jochen Brückmann von der IHK, Bereichsleiter für Infrastruktur und Stadtentwicklung.
Jochen Brückmann von der IHK, Bereichsleiter für Infrastruktur und Stadtentwicklung.

© promo

Auch bei den 10. Steglitz-Zehlendorfer Wirtschaftsgesprächen der Grünen im Südwesten wurde am Mittwochabend engagiert über das Thema diskutiert. Bunde betonte auch auf dieser Veranstaltung, dass der Senat das Vorhaben unterstütze und ihm einen „hohen Stellenwert“ beimesse. Allerdings erfuhren die Beteiligten auch, dass der Flächennutzungsplan noch verändert werden müsse, was wiederum eine zeitlang dauern werde. Bisher ist die Fläche für Wohnbebauung vorgesehen, Krankenhäuser, wie das alte US-Hospital fallen formal in den Bereich Wohnbebauung. Nun muss das Gelände umgewidmet werden, der Bezirk muss dafür den Senator für Stadtentwicklung auffordern.

Aus alt mach neu. Aus dem alten US-Hospital an der Fabeckstraße 62 in Zehlendorf soll ein Technologie- und Gründungszentrum entstehen
Aus alt mach neu. Aus dem alten US-Hospital an der Fabeckstraße 62 in Zehlendorf soll ein Technologie- und Gründungszentrum entstehen, vor allem die Freie Universität und der Bezirk haben ein großes Interesse an dem Projekt.

© RMSW

In der schwarz-grünen Zählgemeinschaft im Bezirk gibt es nach wie vor die Befürchtung, die SPD könnte auf dem 50000 Quadratmeter großen Gelände Wohnungen bauen wollen. Deshalb hat der Bezirk auf diesem Gelände Wohnbebauung ausgeschlossen.

Eines der Unternehmen, die auf das Zentrum warten, ist die Laser- und Medizin-Technologie GmbH, deren Geschäftsführerin Kirsten Guthmann-Scholz sagte, man warte auf den "Prinzen, der uns wachküsst". Damit meinte die Prokuristin nicht die eigenen Produkte für die Biomedizinische Optik und die Angewandte Lasertechnik, denn die sind erfolgreich, sondern das Umfeld des Standortes. „Wir brauchen bald Planungssicherheit, sonst müssen wir wieder zurück nach Adlershof.“

Nicole Ludwig, seit 2004 Grüne, seit 2011 für ihre Partei im Abgeordnetenhaus, wo sie unter anderem im Hauptausschuss sitzt. Sie ist Sprecherin für Wirtschaft, Haushalt und Tourismus.
Nicole Ludwig, seit 2004 Grüne, seit 2011 für ihre Partei im Abgeordnetenhaus, wo sie unter anderem im Hauptausschuss sitzt. Sie ist Sprecherin für Wirtschaft, Haushalt und Tourismus.

© promo

Auch der Vertreter der Berliner Industrie- und Handelskammer, Jochen Brückmann, sprach sich auf dem Podium im Gutshaus Steglitz für das Zentrum aus, ließ aber auch durchblicken, dass die IHK es nicht für einen Automatismus halte, immer den gleichen Betreiber für solche Gründungszentren auszuwählen. Brückmann betonte gleichzeitig, er wolle überhaupt keine Betreiberdebatte und die landeseigene Innovations-Zentrum Berlin Management GmbH (IZBM) halte er auch für kompetent und gut, aber Ausschreibungen für solche Projekte seien auch möglich.

Brückmann forderte generell ein systematischen Abgleich verschiedener Orte, die als Standort in Frage kommen, um eine Art Ranking festlegen zu können. Außerdem müsse man bei einem solchen Vorhaben genau kommunizieren können, welche Stärken der Standort habe. Die Stärken in Dahlem würden aufgrund der direkten Anbindung an die FU auf der Hand liegen, deshalb stehe einer positive Beurteilung des Standortes aus Sicht der IHK auch nichts im Wege.

Wortmeldung aus dem Publikum. Der Projektmanager vom Regionalmanagement Südwest, Klaus-M. Grünke, erklärt seine Sicht der Dinge und mahnt zur Eile.
Wortmeldung aus dem Publikum. Der Projektmanager vom Regionalmanagement Südwest, Klaus-M. Grünke, erklärt seine Sicht der Dinge und mahnt zur Eile.

© Tonka Wojahn

Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Nicole Ludwig, forderte Staatssekretär Bunde auf, das Thema innerhalb der großen Koalition nicht zum Streitpunkt werden zu lassen, man müsse jetzt Tempo machen und dürfe nicht zögern. Ludwig wies auch daraufhin, dass Steglitz-Zehlendorf genug Wohnungen habe, aber zu wenig Gewerbefläche, deshalb sei es an dieser Stelle auch sinnvoll, Gewerbe anzusiedeln.

Nach der TU und der Humboldt-Universität würde damit auch die dritte große Berliner Uni ein Gründungszentrum bekommen, die Grünen im Bezirk verweisen darauf, dass die Ausgangsbedingungen auch deshalb gut seien, weil der "Wissenschaftscampus Berlin Südwest nach München und Dresden der drittgrößte Wissenschaftsstandort in Deutschland" sei.

Kürzlich hatte sich auch FU-Präsident Peter-André Alt im Tagesspiegel deutlich positioniert: "Wir unterstützen den Gedanken eines Technologie- und Gründungszentrums nachdrücklich." Aus FU-Sicht mache der Standort Sinn, weil dort, wie Alt sagt, "alle Voraussetzungen für Forschung und Infrastruktur gegeben" seien. "Wir wollen dort nicht nur Gründer, sondern auch etablierte Firmen ansiedeln. Und ich sehe dafür sehr gute Chancen."

Kirsten Guthmann-Scholz, Geschäftsführerin der Laser- und Medizin-Technologie GmbH.
Kirsten Guthmann-Scholz, Geschäftsführerin der Laser- und Medizin-Technologie GmbH.

© LMTB

Reinhard Baumgarten, der Leiter des Projektes Regionalmanagement Berlin-Südwest (RMSW), deren Hauptanliegen das Gründungszentrum ist, sagte dem Tagesspiegel: "Im Vergleich zu anderen Standorten und anderen Universitäten ist der Südwesten ein weißer Fleck. Dabei ist die Basis für wirtschaftliches Handeln und für ein solches Zentrum hier besonders gut." Das Regionalmanagement hat nachrechnen lassen und genügend Studien gefunden, die belegen, dass sich ein solches Technologie- und Gründungszentrum auch rechnet. Seit 1998 haben sich laut RMSW "150 Unternehmen aus den Forschungseinrichtungen des Berliner Südwestens ausgegründet. Von ihnen haben 129 Unternehmen über 1000 Arbeitsplätze geschaffen. 70 Prozent sind aus der FU hervorgegangen".

Jährlicher Verlust von 650 000 Euro

Auf der Grünen-Veranstaltung fand auch Klaus-M. Grünke vom Regionalmanagement Südwest deutliche Worte in Richtung Senat: "Ich kann nicht verstehe, warum solche Entscheidungsprozesse so lange dauern." Die "Blockade" koste dem Land Geld. Nach Angaben des Regionalmanagements macht der landeseigene Liegenschaftsfonds mit der Immobilie mit dem nur teilweise vermieteten 50 000 Quadratmeter großen Grundstück mit 14 000 Quadratmetern nutzbarer Fläche in dem Gebäude jährlich einen Verlust von 650 000 Euro.

Die Drei vom Regionalmanagement Berlin Südwest (RMSW). Klaus-M. Grünke (Projektleitung), Reinhard Baumgarten (Projektmanagement), Sebastian Clausert (Projektcontrolling), v.l.n.r.
Die Drei vom Regionalmanagement Berlin Südwest (RMSW). Klaus-M. Grünke (Projektleitung), Reinhard Baumgarten (Projektmanagement), Sebastian Clausert (Projektcontrolling), v.l.n.r.

© promo

Das Regionalmanagement Südwest wird übrigens aus Mitteln von Bund, Stadt und Bezirk finanziert und soll die Politik explizit bei der Ansiedlungspolitik beraten und unterstützen. Auch die potenzielle Betreibergesellschaft ist eine landeseigene Tochter. Bevor die RMSW ihre vom Steuerzahler mitbezahlte Arbeit aufnahm, war es der Politik offenbar nicht möglich, die Pläne, die es seit vielen Jahren gibt, selbst umzusetzen. Vielleicht sprach IHK-Mann Jochen Brückmann am Mittwochabend auch deshalb, wenn auch scherzhaft, von der "monolithischen Berliner Politik".

Der Autor ist Redakteur für besondere Aufgaben im Tagesspiegel. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin dieser Zeitung.

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