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Aufregung um die Schaukästen. Warum die BVV in Steglitz-Zehlendorf vor allem über leere Kästen redetete, berichtet unsere Bloggerin, die dabei war.

© Anett Kirchner

Oktober-BVV in Steglitz-Zehlendorf: Und dann griff der Bürgermeister ein...

Während die Schulleiter in Steglitz-Zehlendorf Brandbriefe schreiben, weil sie den Zustand der Schulen nicht mehr hinnehmen wollen, debattieren die Bezirksverordneten über die neuen Schaukästen am Rathaus. Das regt dann sogar den Bürgermeister auf.

Nicht die Flüchtlingssituation, nicht die maroden Schulen und der Sanierungsstau - eine scheinbar unscheinbare, kleine Anfrage zur Neugestaltung der acht Schaukästen am Rathausgebäude in Zehlendorf hat in der Sitzung der Bezirksverordneten am Mittwochabend für Aufregung gesorgt. Selbst Bürgermeister Norbert Kopp (CDU) meldete sich spontan zu Wort. „Ich möchte nicht, dass hier der Eindruck entsteht, dass sich das Bezirksamt mit Lappalien beschäftigt“, machte er klar.

Die drängenden Themen, wie Schulsanierungen oder die Suche nach neuen Flüchtlingsunterkünften, wurden wortlos in die Ausschüsse überwiesen. Es wurde auch keine Große Anfrage gestellt, was normalerweise vor allem für die Opposition ein gutes Instrument ist, um über wichtige Themen zu debattieren und zu hören, was die schwarz-grüne Zählgemeinschaft im Bezirksamt zu sagen hat.

In Erklärungsnot war allerdings wieder einmal Michael Karnetzki (SPD), Bezirksstadtrat für Immobilien und Verkehr. Dabei hat er im Moment vermutlich andere Sorgen. Schon in der vorangegangenen Bezirksverordnetenversammlung (BVV) im September musste er sich gegen die Grünen wehren, die ihm vorwarfen, eine Million Euro zu verschenken. Vor allem aber liegt Karnetzki jetzt ein Brandbrief aller Gymnasialschulleiter aus dem Bezirk vor, die vom Stadtrat verlangen, dass er ein Konzept vorlegt, "das geeignet ist, den schlimmsten Sanierungsstau abzubauen". In dem Brief schreiben die Direktoren, sie seien "höchst beunruhigt über die unhaltbaren Zustände", und sie warnen vor "akuten Gefahren für Schüler und Personal".

In der Kritik: Michael Karnetzki, stellvertretender Bezirksbürgermeister und Bezirksstadtrat für die Abteilung Immobilien und Verkehr.
In der Kritik: Michael Karnetzki, stellvertretender Bezirksbürgermeister und Bezirksstadtrat für die Abteilung Immobilien und Verkehr.

© promo

Aber das alles war kein Thema, vielleicht weil die BVV öffentlich ist? Für die SPD war es aber auch kein Thema, warum sich offensichtlich die Schulstadträtin und die schwarz-grüne Zählgemeinschaft immer gern hinter dem sozialdemokratischen Stadtrat verstecken, wenn es darum geht, öffentlich über Probleme im Bezirk zu sprechen. Allerdings, erfuhr der Zehlendorf Blog aus gut unterrichteten Kreisen, dass Karnetzki selbst bei den Sozialdemokraten mittlerweile höchst umstritten sei. Karnetzki hat in einem Gespräch mit den Direktoren in der letzten Woche darauf verwiesen, dass das Schulamt einen "Objektverwalter" habe, der eigentlich über alle Missstände Bescheid wissen müsste. Er, Karnetzki, wüsste das nicht.

Der Rahmen in Hammerschlag anthrazit

Es ging also um Schaukästen: Die kleine Anfrage stellte die CDU-Bezirksverordnete Brigitte Schmidt. Sie wollte wissen, seit wann und warum die Schaukästen am Rathaus Zehlendorf verwaist sind? Denn dort, wo eigentlich Informationen zu den Behörden hängen sollten, ist seit geraumer Zeit nur gähnende Leere. Michael Karnetzki erklärte, dass sich das Bezirksamt etwa seit einem Jahr in mehreren Sitzungen intensiv mit der Neugestaltung der Schaukästen befasst habe. Dabei standen unter anderem Farbe, Befestigungsmethoden und Beleuchtung zur Diskussion. „Die Grundfläche wurde in der Farbe cremeweiß 9001 gestrichen und der Rahmen in Hammerschlag anthrazit lackiert“, berichtete er.

Außerdem habe man entscheiden müssen, ob die Plakate und Fotos künftig mit Stecknadeln oder Magneten befestigt würden. Das Publikum im Bürgersaal - nicht sehr zahlreich und bis dahin zurückhaltend -  wirkte plötzlich interessiert. Manche kicherten, andere schüttelten die Köpfe. Einzelne Bezirksverordnete, hauptsächlich aus den Reihen der CDU,  brachten sich bereits für Gegenfragen in Position.

"Ist das jetzt Satire?"

Der SPD-Bezirksstadtrat fuhr indes mit seiner Erklärung fort: Das Bezirksamt habe sich für eine energiesparende LED-Beleuchtung an den Schaukästen ausgesprochen. Die Kosten für das Licht lägen bei 6000 Euro. „Wir haben allerdings weitere Angebote eingeholt und hoffen, dass es auch preiswerter geht“, ergänzte Karnetzki. Das Ergebnis werde Ende nächster Woche erwartet. Es fehle also nur noch die Beleuchtung, sonst sei alles fertig.

„War Ihr Vortrag ernst gemeint oder war das jetzt Satire“, fragte schließlich Torsten Hippe, Fraktionschef der CDU. Allein 6000 Euro für die Beleuchtung auszugeben, sei nicht nachvollziehbar. „Da haben Sie meine Missbilligung!“ David Eckel – ebenfalls CDU – setzte nach und erkundigte sich nach den internen Kosten der Verwaltung. Er wollte wissen, wie viele Stunden und Sitzungen für die Beratungen notwendig gewesen seien. Ein Raunen ging durch den Saal. Es schien, als ob sich die Anwesenden emotional nicht entscheiden konnten - zwischen Belustigung und Wut.

Anett Kirchner ist freie Journalistin und bloggt seit Januar 2014 auch für den Zehlendorf Blog des Tagesspiegels
Anett Kirchner ist freie Journalistin und bloggt seit Januar 2014 auch für den Zehlendorf Blog des Tagesspiegels, außerdem schreibt sie für die evangelische Wochenzeitung "dieKirche".

© privat

„Mir war vorher auch nicht bewusst, wie umfangreich das werden würde“, erwiderte Michael Karnetzki. An dem Konzept hätten jedoch viele Menschen mit dem dafür notwenigen Sachverstand mitgewirkt. Gesamtkosten für das Projekt nannte er nicht. Weil das Fragenkontingent für die kleine Anfrage aufgebraucht war, schaltete sich schlussendlich noch Bezirksbürgermeister Norbert Kopp in die Debatte ein und stellte sich vor den Bezirksstadtrat. Es sei darum gegangen, ein langfristiges Gesamtkonzept für die Schaukästen zu erstellen. „Das hat es vorher in der Form nicht gegeben, es musste also schrittweise erst erarbeitet werden“, verdeutlichte er. Die Besprechungen dazu seien oft nicht sehr lang gewesen. Und weil die Schaukästen an dem denkmalgeschützten Altbau des Rathauses hängen, habe man das Konzept zusätzlich mit der Unteren Denkmalschutzbehörde abstimmen müssen.

Die Autorin Anett Kirchner ist freie Journalistin, wohnt in Steglitz-Zehlendorf, und schreibt seit Januar 2014 als lokale Reporterin regelmäßig für den Zehlendorf-Blog des Tagesspiegels.

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