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Im Berliner Botanischen Garten wartet man noch darauf, dass Amorphophallus titanum blüht. Dieses Bild stammt aus dem Botanischen Garten in Basel.

© dpa/epa

Seltene Pflanze im Botanischen Garten Berlin: Stinkende Titanenwurz, bitte blühe!

Sie ist nicht nur die größte Blume der Welt, sondern auch die übelriechendste: Voraussichtlich in der kommenden Woche wird, wenn alles gut geht, ein Exemplar der Titanenwurz im Botanischen Garten Berlin die Blüte öffnen.

Sie sieht aus wie ein gigantischer Phallus, und so lautet auch ihr botanischer Name: Amorphophallus titanum, also "unförmiger Riesenpenis" - oder schlicht Titanenwurz. Sie reckt sich schon über einen Meter aus der Erde - und macht es spannend. Seit Anfang Juni zeigt die größte Blume der Welt im Botanischen Garten eine Blütenknospe. Aber keiner kann sagen, wann genau sich ihre Blüte öffnet. "Die Titanenwurz ist eine sehr schwierige Pflanze und sehr anfällig. Nur unter ganz besonderen Umständen bildet sie einen Blütenstand.

Ob sich die Blüte überhaupt öffnet, ist nicht garantiert

Das ist also wirklich etwas Besonderes", schwärmt Gesche Hohlstein, Diplom-Biologin vom Botanischen Garten. Zumal die Knolle beim letzten Umtopfen Anfang Januar 2015 mit etwas mehr als 17 kg noch eher klein war. Immerhin kann die Knolle der Pflanze über 100 kg Gewicht auf die Waage bringen. "Umso überraschender für uns, dass die Pflanze bei diesem Knollenstand überhaupt eine Blüte ausbildet. Die Zeit von der Entdeckung der Knospe bis zur eigentlichen Blüte ist für uns hier gerade unglaublich spannend", sagt Hohlstein. "Für mich dreht sich seit Entdeckung der Blüte alles nur noch um die Titanenwurz."

Denn ob sich die Blüte überhaupt öffnet, ist nicht garantiert. "Die Titanenwurz ist in dieser Wachstumsphase sehr empfindlich. Wenn sie nicht genug Energie hat, bleibt die Blüte einfach stecken, bevor sie sich öffnen kann." Damit das gelingt, ist es im Begonienhaus in diesen Tagen wärmer und feuchter als sonst. "Ihre Gärtner geben ihr in diesen Tagen besonders viel Wasser, ansonsten zehrt sie aus der Knolle." Schließlich sei es ein enormer Kraftakt und Stress für die Pflanze, diese riesige Blüte zu bilden - und während der Blütezeit ihre Temperatur messbar zu erhöhen.

Wie in einem Schlot verteilt sie ihren Geruch

"Beim letzten Mal, vor vier Jahren, haben wir eine Leiter an die Pflanze gelehnt und die Temperatur oben im Blütenkolben gemessen. Und tatsächlich war es dort oben wärmer als unten." Wie in einem Schlot verteile die Titanenwurz so ihren Geruch in der Umgebung. Das tropische Gewächs aus Sumatra hält nämlich nicht nur den Titel der größten, sondern auch der am übelsten riechenden Pflanze. Besonders in der ersten Nacht gibt die Blüte einen intensiven Aasgeruch ab. "Nasen sind ja unterschiedlich empfindlich. Aber beim letzten Mal haben manche Besucher tatsächlich gesagt, dass sie den Geruch nicht ertragen, sie mussten raus gehen," berichtet Gesche Hohlstein.

Warten auf die Blüte, Amorphophallus titanum...
Warten auf die Blüte, Amorphophallus titanum...

© Botanischer Garten

Der Aasgeruch soll in der Natur Fliegen anlocken. Auf der Suche nach einem verwesenden Tier für ihre Eiablage fliegen diese in den Blütentrichter, der zudem rot wie geronnenes Blut ist. Dort finden die Fliegen zwar keinen geeigneten Brutplatz – aber sie bestäuben die weiblichen Blüten der Titanenwurz, die nur in der ersten Nacht Pollen aufnehmen können. Erst in der zweiten Nacht öffnen sich die männlichen Blüten und geben wiederum ihren Pollen ab. Damit verhindert die Titanenwurz die Selbstbestäubung. "Dass die Fliegen dort verweilen und die Bestäubung so in der Tat funktioniert, ist ein Wunder!", sagt Gesche Hohlstein.

Für Biologen ist die Pflanze attraktiv und skurril

Wissenschaftlich untersucht werden kann die Blume wegen der kurzen Blütezeit nur in Kultur. "Was man über sie weiß, weiß man nur durch die Forschungen, die in den Botanischen Gärten stattfinden können", sagt Gesche Hohlstein und fasst zusammen: "Für mich als Biologin ist die Titanenwurz absolut attraktiv und skurril, vor allem auch weil sie in der Natur vom Aussterben bedroht ist." Die 1878 auf Sumatra entdeckte Pflanze ist in der Natur stark gefährdet, da ihr Lebensraum, der Regenwald, immer mehr zerstört wird.

Zuletzt blühte ein Exemplar der Titanenwurz im Botanischen Garten Berlin im Mai 2011, hier eine Aufnahme vom ersten Tag der Blüte
Zuletzt blühte ein Exemplar der Titanenwurz im Botanischen Garten Berlin im Mai 2011, hier eine Aufnahme vom ersten Tag der Blüte

© Botanischer Garten Berlin

Erst nach mehreren Jahren kann sich aus einer Knolle ein Blütenstand entwickeln. So blühte hier im Botanischen Garten Berlin zuletzt eine Titanenwurz vor mehr als vier Jahren, im Mai 2011. Die größte bisher gemessene Titanenwurz blühte 2010 in den Winnipesaukee Orchids in Gilford, New Hampshire und maß 3,10 Meter. Diese Größe wird das aktuelle Exemplar der Berliner Titanenwurz wird wohl nicht erreichen: Von der Erdoberfläche bis zur Spitze maß der Blütenstand am Freitag morgen knapp einen Meter. In den letzten Tagen vor der Blüte kommen täglich mehrere Zentimeter hinzu; die Wissenschaftler des Botanischen Gartens erwarten eine Blütenstandshöhe von insgesamt etwa anderthalb Metern.

Nach drei Tagen und Nächten ist das Spektakel vorbei

Im Laufe eines Nachmittags einer der nächsten Tage wird sich die Blüte der nachtblühenden Titanenwurz öffnen. Nach drei Tagen bzw. Nächten ist das Blütenspektakel dann vorbei. Wer dabei sein möchte, muss sich also beeilen. Geruchsempfindliche Interessenten sollten im Laufe des zweiten Blühtages vorbeischauen, denn dann wird sich das Hochblatt langsam schließen und der Geruch abflauen. Im Laufe des dritten Tages ist dann das botanische Schauspiel vorüber. Dann beginnt die Blüte zu welken und fällt langsam in sich zusammen.

Täglich aktualisierte Informationen zur Titanenwurzblüte können auf der Website des Botanischen Gartens abgerufen werden.

Die Autorin schreibt für den Tagesspiegel und für Tagesspiegel Zehlendorf, das digitale Stadtteil- und Debattenportal aus dem Berliner Südwesten, auf dem dieser Text erscheint. Folgen Sie Maike Edda Raack auch auf Twitter.

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