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Jede Menge Schnäppchen. Hier in der Abteilung für Wäsche, Kissen und Stoffe.

© Thilo Rückeis

Sozialkaufhaus "Rumpelbasar Zehlendorf": Das Glück aus zweiter Hand ist gefährdet

Mit dem "Rumpelbasar" gibt es in Zehlendorf ein berlinweit einmaliges Sozialkaufhaus. Hier gibt es Günstiges für den Hausstand und originelle Fundstücke. Doch die Zukunft des Projekts ist bedroht.

Wäre das ihr Traumjob? Mal in einem Kaufhaus an der Steglitzer Schloßstraße oder an der Tauentzienstraße Schmuck verkaufen. „Nein“, sagt Marianne Föll. Lacht, schüttelt energisch den Kopf. „Hier ist mein Platz, das macht Spaß, ist ’ne sinnvolle Sache.“ Und dann begutachtet die 73-jährige Pensionärin an ihrem Vitrinentresen eine Handvoll Modekettchen und Ringe, die sich zwei Schülerinnen ausgesucht haben. „So, meine Damen, ’nen Fünfer für alles zusammen. Okay?“

Marianne Föll arbeitet seit vielen Jahren im Zehlendorfer „Rumpelbasar“. Das ist ein ehrenamtlich betriebenes Sozialkaufhaus. Eine Institution im Bezirk. Und längst ein heißer Tipp für Bürger, die beim Ausmisten noch gut erhaltene Dinge los werden wollen, aber sie lieber verschenken als wegwerfen. Sowie für alle, die Schnäppchen suchen für Küche, Wohnstube, Kleiderschrank oder das Kinderzimmer.

Aber die Zukunft dieses berlinweit einmaligen Projektes in einem Lichterfelder Gewerbegebiet nahe der Goerzallee ist stark gefährdet. Das Domizil des Basars wurde verkauft, der Mietvertrag für die zwei untersten Etagen des Büro- und Lagergebäudes läuft Ende Dezember aus. Eine Verlängerung ist nicht in Sicht. Neue Räume werden dringend gesucht.

Hunderte stöbern im Buchladen, beim Schmuck oder den Kleidern

Auf rund 500 Quadratmetern gibt es im Basar Verkaufsabteilungen wie bei Karstadt oder oder im KaDeWe, nur überschaubarer, weniger auf Schick gemacht. Dafür randvoll mit Second-Hand-Ware für den kompletten Hausstand. Hunderte Kunden drängeln dienstags und mittwochs durch die Räume. Und gleich nebenan wird für die Logistik gewirbelt: Warenannahme an einer langen Rampe auf dem Hinterhof. Auspacken, Sortieren.

All das bewältigen mehr als 40 Mitarbeiter unentgeltlich in ihrer Freizeit. Weshalb fast jeder eingenommene Euro für die gespendeten und verkauften Waren sozialen Projekten zugute kommt, die vom Rumpelbasar unterstützt werden. Beispielsweise Obdachlosen-Initiativen, das Stadtteilzentrum Steglitz, der Bücherbus. 2014 verteilte der Basar rund 100.000 Euro.

Durch die Straße Am Stichkanal rumpeln normalerweise Laster, eilen Menschen zu Büros. Doch zu den Öffnungszeiten des Rumpelbasars ändert sich das Bild. Mittwoch, 16.45 Uhr: Vor dem Eingang drängeln sich schon gut 50 Kunden. Ganz vorne steht Dagmar Kühn, 65 Jahre, pensionierte Sachbearbeiterin, seit Jahren Basar-Fan. Regelmäßig klappert sie ihre Nachbarschaft nach Gebrauchtem ab, sammelt die Sachen in Keller, fährt sie zum Sozialkaufhaus. Zuallererst will sich Kühn heute im Buchladen Lesestoff besorgen. Danach geht’s mit dem voll geladenen Wagen zur Warenannahme.

Vom Sinn des Unternehmens ist Dagmar Kühn überzeugt. Sie zählt auf. „Verschwendung und Wegwerfen verhindern, Müll vermindern, Glücksmomente bescheren.“ Wer freut sich nicht, wenn er vielleicht eine neue Lieblingsklamotte findet. Oder als Sammler und Trödler ein besonderes Designerstück, eine Rarität, Kurioses für die nächste Party. Und wenn man bei alledem eine Menge Geld spart.

Viel Auswahl im Schmucklädchen.
Viel Auswahl im Schmucklädchen.

© Thilo Rückeis

Los geht’s. Kaum sind die Türen offen, füllt die Kundschaft die Räume. Mary und Charles Osaro aus Nigeria eilen mit Fawour (3) und Joy (8) in die Kinderabteilung. Eine Girlgroup Barbiepuppen schaut aus einer Holzkiste. Gläser mit Klickern stehen vor Verkäuferin Marita Merten am Tresen. Sie ist Krankenpflegerin, aber zwischen ihren Schichten hilft sie hier aus. Fawour wühlt im Korb mit den Schmusetieren, Joy faszinieren die Gesellschaftsspiele, die Eltern wählen Kinderkleider aus. Familie Osaro erwirbt acht Jeans und einen Schneeanzug für 22 Euro. „Guter Zustand“, sagt Vater Charles und streicht über den Stoff. Den Plüschhund für Fawour gibt’s gratis dazu.

Beim Geschirr freut sich unterdessen eine ältere Stammkundin über ihre fast fabrikneue Espressomaschine und eine röschenverzierte Zuckerdose aus Porzellan. Die passe perfekt zum Teeservice, das sie vor zwei Wochen im Basar entdeckte. Die Frau lebt von Hartz I. Sie sagt: „Woanders hätte ich mir das niemals leisten können.“ Nebenan, im reich bestückten Kleiderladen, hat die 25-jährige Modestudentin Maina Bouland gerade Ledergürtel für jeweils drei Euro eingesteckt und sich ein lange ersehntes Gerät zum Schneidern gesichert. Einen Rockabrunder zum Markieren von Saumkanten.

CD's & Bücher - günstiger geht's kaum.
CD's & Bücher - günstiger geht's kaum.

© Thilo Rückeis

Blick hinter die Kulisse: Drei Pkw stehen an der Rampe. Die Fahrer laden aus, Rentner Reinhard Rother (70) wuchtet am laufenden Meter prallvolle Pappkisten und Säcke zu Stapeln in der Annahmestelle, schleppt sie von dort zur Vorsortierung. Das macht Rother hier seit sieben Jahren, acht Stunden pro Woche. Angespornt von einem Röhrenradio aus den Fünfzigern im Regal. Helene Fischer singt gerade „Atemlos durch die Nacht“.

Die Vorsortierung – das ist ein Saal mit Kleiderständern im Zentrum und rund herum streng abgetrennten Kistenzonen. 14 Frauen und Männer ackern hier, als erhielten sie Akkordlohn. Und haben Spaß. „Was’n det?“, ruft eine Helferin, hält ein himmelblaues Teil hoch. „Ah, ’ne Wickelauflage!“ Jetzt weiter auspacken. Eine Spieluhr klimpert „Bruder Jakob“. Jemand ruft: „Fröhliche Weihnachten!“ Es ist Anette Sopart, 44 Jahre alt, beruflich in einem Personalbüro tätig. Sie hält Christbaumkugeln hoch, legt sie in die Kisten für Weihnachtsdeko.

Der Basar hofft auf Helfer aus Politik und Wirtschaft

Derzeit helfe der Basar auch Flüchtlingsunterkünften aus, sagt Marion Herzog. Die 70-Jährige ist seit 1985 dabei. Damals war das Second-Hand-Projekt noch eine Initiative von Hausfrauen. Dann wuchs es rapide, musste mehrfach umziehen, bis 2008 die jetzigen Räume gefunden wurden. Nun hofft Herzog auf eine Rettung in letzter Sekunde. Als Vorsitzende des Vereins „Rumpelbasar Zehlendorf“ hat sie den Regierenden Bürgermeister, Senatoren, Bezirks- und Landespolitiker sowie Wirtschaftsvertreter dringend um Hilfe gebeten. Geschehen ist bisher nichts. „Wäre ihnen der Basar so viel wert wie unseren Kunden“, sagt sie, „gäbe es schon eine Lösung.“

Die Lage: Am Stichkanal 2-4 in Lichterfelde / Ecke Goerzallee
Die Lage: Am Stichkanal 2-4 in Lichterfelde / Ecke Goerzallee

© Fabian Bartel, Tagesspiegel

Adresse, Öffnungszeiten und mehr Infos:
Rumpelbasar Zehlendorf, Am Stichkanal 2–4, Di 9.30–11.30 Uhr, Mi 17–19 Uhr, www.rumpelbasar-zehlendorf.de, Telefon: 84722023.

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