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Gerhard Harms, stellvertretender Vorsitzender, und Gisela Pflug, Vorsitzende des Städtepartnerschaftsvereins Steglitz-Zehlendorf.

© Anett Kirchner

Steglitz-Zehlendorf hat 23 Partnerstädte: Die Völkerversteher

Sind Städtepartnerschaften noch zeitgemäß? Unbedingt, findet der Städtepartnerschaftsverein Steglitz-Zehlendorf, und empfängt noch in dieser Woche eine Gruppe aus der Ukraine. Unsere Reporterin hat sich angeschaut, wie der Bezirk mit seinen Partnern umgeht.

Szilvásvárad ist eine Kleinstadt im Szalankatal im Norden von Ungarn und bekannt für die Pferdezucht der Lipizzaner. Der Bezirk Steglitz-Zehlendorf pflegt seit 25 Jahren eine Städtepartnerschaft zu diesem Ort. Generation für Generation wird diese Verbindung erneuert. So war beispielsweise auch der heutige Bürgermeister von Szilvásvárad als junger Mann mit einem Schüleraustausch in Berlin. Zum 25-jährigen Jubiläum der Städtepartnerschaft empfing kürzlich der Bezirksbürgermeister Norbert Kopp eine Delegation aus Ungarn im Gutshaus Steglitz.

Neben dem Ort Szilvásvárad hat Steglitz-Zehlendorf noch 22 weitere Partnerstädte - in Deutschland, Europa und woanders in der Welt. Es werden Jugendaustausche, kommunalpolitische Delegationen, Bürgerreisen und Hilfstransporte organisiert, hauptsächlich vom Städtepartnerschaftsverein Steglitz-Zehlendorf in Kooperation mit dem Bezirksamt. Die Finanzierung der Projekte läuft vorwiegend mit Spenden, Mitgliedsbeiträgen und Sponsoring. Aber wem nutzen diese Begegnungen eigentlich konkret?

Gäste aus Charkow

Da fallen sofort Schlagwörter, die insbesondere zu Zeiten des Kalten Krieges gängig waren: Völkerverständigung und Friedenssicherung. „Mit Blick auf das zusammenwachsende Europa ist das heute umso aktueller“, sagt Gerhard Harms, vom Städtepartnerschaftsverein. Gerade in diesen Tagen sind wieder Kinder und Jugendliche aus dem ukrainischen Charkow-Ordshonikidse im Bezirk zu Gast; auf ausdrücklichen Wunsch des Kanzleramtsministers Peter Altmaier (CDU) und des deutschen Botschafters in der Ukraine, Christof Weil, verrät Harms. Auch in der Ukraine will man den Dialog unbedingt aufrecht erhalten, so ist zu hören.

Bezirksbürgermeister Norbert Kopp empfing kürzlich eine Delegation aus der ungarischen Stadt Szilvásvárad anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Partnerschaft
Bezirksbürgermeister Norbert Kopp (3.v.l.) empfing kürzlich eine Delegation aus der ungarischen Stadt Szilvásvárad anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Partnerschaft.

© BA Steglitz-Zehlendorf

Die ukrainischen Gäste sind in ihrer Heimat Mitglieder des Kinderkulturpalastes von Charkow-Ordshonikidse. Sie bringen ein Programm aus Musik, Tanz und Gesang mit und präsentieren es beispielsweise auf der 62. Steglitzer Woche. Charkow ist die zweitgrößte Stadt der Ukraine mit 1,6 Millionen Einwohnern, von denen 200 000 im Bezirk Ordshonikidse leben. Die Stadt befindet sich im russisch geprägten Teil des Landes. „Wir haben in letzter Zeit oft telefoniert, weil wir besorgt waren, ob die Eltern in der derzeitigen, politischen Situation ihre Kinder überhaupt fahren lassen würden“, erzählt Harms.

Weniger mit aktueller Brisanz, dafür in historischer Sicht vorbelastet, ist die Städtepartnerschaft zu der italienischen Stadt Cassino. Diese Verbindung wurde bereits 1969 geknüpft und ist damit eine der ältesten Partnerschaften des Bezirkes außerhalb von Deutschland. Ebenfalls dazu zählen Bröndby in Dänemark und Kiriat Bialik in Israel. „Seinen Anfang nahm die Beziehung nach Cassino auf dem Waldfriedhof in Zehlendorf bei den Gräbern der im Zweiten Weltkrieg gefallenen, italienischen Soldaten“, erzählt Gisela Pflug, Vorsitzende des Städtepartnerschaftsvereins.

Jüngste Partnerstadt: Songpa/Seoul

Antonio Ferraro, ehemaliger Bürgermeister von Cassino, sei in den 1960er Jahren wegen der Kriegsgräber nach Steglitz-Zehlendorf gekommen. Man habe sich kennen gelernt und festgestellt, dass es eine Verbindung zwischen der italienischen Stadt und dem Bezirk gebe. Cassino und das berühmte Kloster Monte Cassino - in der Region Latium in Mittelitalien gelegen - wurden im Zweiten Weltkrieg fast vollständig zerstört. Deshalb gibt es dort vier Soldatenfriedhöfe, auf denen 30 000 Gefallene aus Deutschland und der Welt liegen.

Anfangs lebte die Städtepartnerschaft ausschließlich von kommunalpolitischen Begegnungen. Mit der Gründung des Städtepartnerschaftsvereins 1987 wurden jedoch zusätzlich Schüler- und Bürgerreisen organisiert. Dabei war Gisela Pflug ein wichtiger Motor im Ausbau dieser Beziehung. „Mir ist wichtig, dass junge Leute in dieser globalisierten Welt andere Kulturen in direktem Kontakt kennen lernen“, erklärt sie. Für ihren persönlichen Einsatz wurde sie zur Ehrenbürgerin von Cassino ernannt. Es gibt weltweit nur fünf Menschen mit dieser Auszeichnung, sagt Gisela Pflug, darunter der italienische Präsident Giorgio Napolitano.

Als Ehrenbürgerin bekam Gisela Pflug symbolisch vom Bürgermeister von Cassino, Giuseppe Petracone (links), den Schlüssel der Stadt, rechts daneben Marino Fardelli, ehemaliger Stadtverordnetenvorsteher von Cassino und Nobert Kopp, Bezirksbürgermeister von Steglitz-Zehlendorf. 
Als Ehrenbürgerin bekam Gisela Pflug symbolisch vom Bürgermeister von Cassino, Giuseppe Petracone (links), den Schlüssel der Stadt, rechts daneben Marino Fardelli, ehemaliger Stadtverordnetenvorsteher von Cassino und Nobert Kopp, Bezirksbürgermeister von Steglitz-Zehlendorf. 

© Städtepartnerschaftsverein

Die jüngste Städtepartnerschaft führt den Bezirk weit in den Osten nach Südkorea; nach Songpa, einem Bezirk von Seoul. Die Bezirksverordnetenversammlung von Steglitz-Zehlendorf beschloss im Juni 2012 diese Partnerschaft. Im April 2013 reiste Norbert Kopp mit einer Delegation nach Seoul und unterzeichnete den Vertrag. Es folgte ein Gegenbesuch von offizieller Seite. Die Formalitäten sind damit geklärt. Jetzt gilt es, diese Beziehung mit Leben zu füllen. Vielleicht ist bei einem der nächsten Besuche aus Südkorea ein Schulkind dabei, das später einmal Bürgermeister von Songpa wird. So wie einst in Szilvásvárad.

Die Autorin ist freie Journalistin und lokale Reporterin auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegels aus dem Südwesten. Sie wohnt in Steglitz-Zehlendorf und schreibt unter anderem für die Evangelische Wochenzeitung "dieKirche".

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