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Von 1928 bis 1945 lebte hier Manfred von Ardenne, Naturwissenschaftler, unter anderem Pionier der Funk- und Fernsehtechnik

© Anett Kirchner

Steglitz-Zehlendorf: Remise neben Villa Folke Bernadotte: Ein geschützter Raum für Jugendliche

Einst beherbergte sie Pferdekutschen, eine Werkstatt und einen Lagerraum. Jetzt soll die Remise der Villa Folke Bernadotte in Lichterfelde saniert werden. Nach der Sanierung wird hier ein Treffpunkt für Jugendliche entstehen.

Neben der „Villa Folke Bernadotte“ am Jungfernstieg in Lichterfelde-Ost steht ein unscheinbares Haus aus gelbem Backstein; mit einem Türmchen, einem vergleichsweise großen, roten Eingangstor und einem interessant versetzt gebauten Grundriss. Stellenweise bröckelt die Fassade, Teile sind verschoben, die Fenster undicht, ebenso das Dach. Das Häuschen aus dem Jahr 1916 ist die ehemalige Remise des historischen Anwesens. Hier wurden einst Pferdekutschen untergestellt, später war es Werkstatt, Lagerraum und Garage. Jetzt soll das Gebäude saniert werden. Dafür gibt es Förderzusagen vom Landesamt für Denkmalschutz und von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. „Die Arbeiten können vermutlich schon bald beginnen“, sagt Markus Schönbauer, der Leiter der Villa Folke Bernadotte, einer Freizeiteinrichtung für Jung und Alt des Vereines Mittelhof.

Derzeit würden letzte Absprachen mit den Architekten und Baufirmen geführt. Alles in allem koste die Sanierung der Remise etwas mehr als 32.000 Euro. Rund 15.000 Euro steuern die Nachfahren Manfred von Ardennes bei. Denn der bekannte Naturwissenschaftler, unter anderem Pionier der Funk- und Fernsehtechnik, lebte und arbeitete von 1928 bis 1945 auf diesem Grundstück. Hier hatte er ein Forschungslaboratorium für Elektronenphysik, in dem ihm die erste vollelektronische Fernsehübertragung der Welt mit einer Kathodenstrahlröhre gelang. Diese Sensation stellte der Forscher 1931 auf der Funkausstellung in Berlin vor.

Noch heute erinnert ein etwa zehn Meter hoher Raum in der Villa an das einstige Hochspannungslabor. Manfred von Ardenne ließ es 1939 extra anbauen. Die enorme Höhe brauchte er für seine technischen Anlagen. Heute sind hier in dem Raum zwei Kletterwände untergebracht.

„Eigentlich müsste das Haus Villa Manfred von Ardenne heißen“, findet Markus Schönbauer. Warum es stattdessen den Namen Villa Folke Bernadotte trägt, benannt nach einem schwedischen Offizier und Philanthrop, sei für ihn nicht nachvollziehbar. Noch dazu der schwedische Offizier seines Wissens nie in Lichterfelde gewesen sein soll.

Die Villa wurde 1886 nach Entwürfen von Reinold Richard Hintz errichtet. Der erste Bewohner war ein ehemaliger Apotheker namens Emil Lüdecke. Danach gab es zahlreiche andere Bewohner. Manfred von Ardenne, der in Hamburg geboren wurde, zog mit seinen Eltern schon als Kind nach Berlin-Lichterfelde. Villa und Grundstück am Jungfernstieg soll er mit Hilfe der Unterschrift seines Vaters in den 1920er Jahren erworben haben. Da war er noch nicht volljährig.

Nach 1945 lebte und arbeitete Ardenne in der ehemaligen Sowjetunion, später zu DDR-Zeiten in Dresden, wo heute noch Nachfahren von ihm wohnen. Er war verheiratet und hatte vier Kinder. 1997 starb von Ardenne in Dresden. Im vergangenen Jahr fand in Berlin ein Familientreffen seiner Angehörigen statt. „Etwa 35 Leute haben auch die Villa in Lichterfelde besucht“, erzählt Schönbauer. Für sie sei vor allem das alte Teehaus interessant gewesen, das auch auf dem Gelände etwas abseits hinter dem Haus steht. Hier soll Elisabeth Baronin von Ardenne, eine Großmutter von Manfred von Ardenne, oft gewohnt haben. Sie ist deshalb bekannt geworden, weil sie vermutlich Vorbild für Theodor Fontanes Romanfigur Effi Briest gewesen ist. „Denn die Ardennes waren in einem Lesezirkel, dem auch Fontane angehörte“, weiß der Leiter der Einrichtung. Heute nutzt der Stamm Burgund der Pfadfinder das alte Teehaus.

Nach dem Zweiten Weltkrieg richteten die amerikanischen Alliierten in der Villa am Jungfernstieg einen Jugendclub ein. 1956 wurde das Haus vom Bezirksamt Steglitz zu einer offenen Einrichtung für Kinder und Jugendliche umgebaut.

Doch zurück zur Remise: Nach der Sanierung soll hier ein Treffpunkt für Jugendliche entstehen. „Wir möchten ihnen einen geschützten Raum bieten, in dem sie eigenständig entscheiden, was sie tun“, erklärt Schönbauer. Teppich, Couch, Kicker und Billardtisch – fertig. „Wenn ich noch mal jung wäre, würde ich so einen Raum klasse finden“, sagt er. Nach seiner Beobachtung nutzen kleinere Kinder, Eltern und Senioren gern die Einrichtung in Lichterfelde. Kinder ab zwölf Jahre bleiben jedoch weg. „Weil sie sich im Haus nicht zurückziehen können“, glaubt er. Mit dem neuen Angebot in der ehemaligen Remise will man die Jugendlichen hier auf dem Gelände der Villa wieder zurückgewinnen.

Im Haus der Freizeiteinrichtung verteilen sich indessen die Angebote auf drei Etagen. Im Keller gibt es insgesamt vier Gruppenräume: zum Musizieren und zum Töpfern, einen Aufenthaltsraum und das Kletterlabor. Im Erdgeschoss gibt es einen Saal, in dem ein so genanntes Nachbarschaftscafé mit Kinderrestaurant eingerichtet ist. Hier gibt es einen täglichen Mittagstisch für Schüler. Und in der ersten Etage befinden sich ein Gymnastikraum, ein Computerkabinett und ein Theaterraum, in dem unter anderem Streetdance und Improvisationstheater angeboten wird.

Die Autorin Anett Kirchner ist freie Journalistin, wohnt in Steglitz-Zehlendorf, und schreibt als lokale Reporterin regelmäßig für den Tagesspiegel Zehlendorf. Folgen Sie Anett Kirchner auch auf Twitter.

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