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Unsere Autorin hat sich vorgenommen, ihre Short-Jeans nicht mit nach Tansania zu nehmen, sondern sich lieber landestypisch zu kleiden.

© dpa

Von Zehlendorf nach Tansania: Hakuna Matata - es gibt keine Probleme!

Drei Monate nach Ostafrika als Freiwillige an einer Grundschule in Tansania - viele können unsere Bloggerin nicht verstehen und haben sie ständig warnen wollen vor Gefahren. Sie kann es nicht mehr hören und will jetzt einfach mal los. Sich selbst ein Bild machen.

In ein paar Tagen wird es dreißig Grad wärmer sein – zumindest für mich, denn noch im Januar fliege ich nach Afrika. „Oh Gott, 32 Grad!“, sagen die einen, „oh Gott, Afrika!“, die anderen. „Ist ja toll, was du da machst“, sagen die wenigsten.

Ich lasse mir nichts mehr vermiesen!

Mein Vorhaben, die nächsten drei Monate in Tansania, einem der ärmsten Länder der Welt an der Ostküste Afrikas, zu leben und dort als Freiwillige an einer Grundschule mitzuhelfen, stößt bei den meisten auf Unverständnis und Skepsis. Ständig werde ich gefragt, wieso eine junge (dazu noch blonde) Europäerin wie ich, sich freiwillig solchen Gefahren aussetzt. Mittlerweile frage ich nicht mehr nach, welche Gefahren gemeint sind. Ich bin es leid, mir Geschichten über Malariaerkrankungen und Raubüberfälle auf offener Straße anzuhören. Statt mir meine bevorstehende Reise weiter vermiesen zu lassen, gehe ich zu Globetrotter und kaufe mir den obligatorischen Lonely Planet-Reiseführer.

Die Fotos von Elefantenbabys und weißen Sandstränden stimmen mich wieder gnädig, aber bei dem Kapitel „Infektionskrankheiten“ wird mir doch mulmig zumute. Zum Glück kann man sich gegen die meisten der aufgeführten Tropenkrankheiten impfen lassen, und so verbringe ich vor meiner Abreise viel Zeit in der Zweigstelle des Berliner Tropeninstituts, die praktischerweise direkt in der Steglitzer Globetrotter-Filiale ist. Das Impfen bei Globetrotter erinnert mich mehr an einen Gang zum Bürgeramt als an einen Arzttermin.

Rechts Typhus, links Hepatitis

Zwischen Trekkingrucksäcken und Wanderschuhen warte ich zusammen mit anderen Reiseverrückten darauf, dass die Zahl der gezogenen Wartemarke auf der elektronischen Anzeigetafel erscheint. Nach stundenlangem Warten leuchtet meine Nummer auf. Ich gehe in den fürs Impfen vorgesehenen Raum, setze mich auf eine Liege und bekomme zwei Spritzen verabreicht: in den rechten Arm die gegen Typhus, in den linken die gegen Hepatitis. Eine Sache von zwei Minuten, danach ist der nächste an der Reihe.

Als Ausgleich zum wöchentlichen Impfmarathon stöbere ich an den Wochenenden auf Flohmärkten nach der passenden Reisegarderobe. Mein Rucksack beginnt, sich mit langen Röcken und bunten Tüchern zu füllen, denn ich habe beschlossen, meine geliebten Jeansshorts zu Hause zu lassen und mich stattdessen landestypisch zu kleiden.

Die Autorin Nora Tschepe-Wiesinger ist freie Mitarbeiterin des Tagesspiegel und des Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin aus dem Südwesten. Sie studiert zurzeit in Hannover.
Die Autorin Nora Tschepe-Wiesinger ist freie Mitarbeiterin des Tagesspiegel und des Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin aus dem Südwesten. Sie studiert zurzeit in Hannover.

© privat

Kurze Hosen sind auch angesichts der in Tansania weit verbreiteten Malaria keine gute Idee. Die Tropenkrankheit Malaria wird bereits durch den Stich einer einzigen Mücke übertragen, und entgegen meiner ersten Annahme gibt es dagegen (noch) keinen Impfstoff. Anstatt eine weitere Wartenummer bei Globetrotter zu ziehen, suche ich also eine richtige Arztpraxis auf. Dort empfiehlt mir der Tropenarzt die chemische Prophylaxe mit speziellen Tabletten oder die Stand-By-Methode, bei der man die gleichen Tabletten erst nimmt, wenn man bereits an Malaria erkrankt ist.

Sonnenallergie, Albträume oder Depressionen?

Angesichts der mitunter nicht ungefährlichen Folgen einer Erkrankung entschließe ich mich für die Prophylaxe. Ich kann zwischen drei verschiedenen Medikamenten wählen. Der Tropenarzt hilft mir bei der Entscheidung, indem er nacheinander die zu erwartenden Nebenwirkungen aufzählt: Von den einen Tabletten bekomme man eine Sonnenallergie, was so nah am Äquator, natürlich ungünstig sei, die anderen riefen fiese Albträume und Depressionen hervor, die letzten seien super – einziger Nachteil: sie würden mich drei Monate lang ungefähr so viel kosten wie mein Hin- und Rückflug zusammen.

Ein Blick auf meinen Kontostand und meine helle Haut genügen, um mich für die Tabletten mit den Depressionen und Albträumen als Nebenwirkung zu entscheiden. Der Arzt verordnet, dass ich sie drei Wochen Probe nehmen soll. Also schlucke ich am Nikolaustag meine erste Malaria-Tablette und sehe mich schon von Selbstmordgedanken geplagt heulend unter dem Weihnachtsbaum sitzen. In den darauf folgenden Wochen ist mir immer mal wieder schlecht, ich habe Kopfschmerzen oder kann schlecht einschlafen, die angekündigten Angstattacken und Albträume bleiben aber zum Glück aus.

Unsere Autorin wird für drei Monate als Freiwillige an einer Grundschule in Tansania mithelfen.
Unsere Autorin wird für drei Monate als Freiwillige an einer Grundschule in Tansania mithelfen.

© ZB-Funkregio Ost

Für den Tropenarzt bedeutet das „Tabletten vertragen”, und er verschreibt mir zwei weitere Packungen. Außerdem hält er mir bei meinem nächsten Besuch einen rosa Zettel unter die Nase, auf dem Reiseapotheke Basismodul steht – insgesamt sind 18 verschiedene Medikamente darauf aufgelistet. Als ich von Paracetamol bis zum Fieberthermometer alles zusammenhabe, ist mein Rucksack halb voll. Meine Eltern sind beruhigt, ich eher skeptisch, ob ich auch nur die Hälfte der Medikamente wirklich brauchen werde – aber sicher ist sicher.

Worte wie Harry Potters Zaubersprüche

Ausgerüstet mit der richtigen Kleidung und genügend Medikamenten habe ich nun vor, Kisuaheli, die Amtssprache Tansanias und Lingua franca Ostafrikas, zu lernen. Die Sprache ist eine Mischung verschiedener afrikanischer Sprachen mit arabischen Elementen und für Europäer dementsprechend schwierig zu lernen. Statt der deutschen Unterscheidung von Hauptwörtern in verschiedene grammatische Geschlechter werden in Kisuaheli die einzelnen Wörter in acht verschiedene Klassen unterteilt, die sich nur durch ihre Anfangsbuchstaben unterscheiden.

So gehören alle Wörter, die Menschen benennen, wie etwa Berufsbezeichnungen, der ersten Klasse an und beginnen mit m- in der Einzahl oder mw- in der Mehrzahl. Die Wörter, die zur zweiten Klasse gehören, kennzeichnen Pflanzen, Natur- und Körperteile und fangen mit m- in der Einzahl und mi- in der Mehrzahl an.

Ich muss an den König der Löwen denken

Angesichts der komplizierten Grammatik beschließe ich, mir erst einmal ein paar der wichtigsten Floskeln auf Kisuaheli anzueignen: Ja, nein, danke, bitte – ndiyo, hapana, ahsante sana, tafadhali. Die Worte klingen für mich eher wie Harry Potters Zaubersprüche als eine Sprache, in der sich über 50 Millionen Afrikaner täglich verständigen. Ich will bereits frustriert aufgeben, als ich in meinem Sprachlernbuch ein mir bekanntes Wort entdecke: „Hakuna”, die verneinte Form von „Kuna” bedeutet so viel wie „es gibt keine”.

Sofort muss ich an „König der Löwen”, einen meiner Lieblingsfilme als Kind, und das darin vorkommende Lied „Hakuna Matata” denken. „Hakuna Matata, diesen Spruch sag ich gern. Es heißt, die Sorgen bleiben dir immer fern” singen Timon, das Erdmännchen und Pumbaa, das Warzenschwein, dem kleinen Löwen Simba in der deutschen Version vor. Tatsächlich ist der Spruch „Hakuna Matata” Kisuaheli und bedeutet übersetzt „es gibt keine Probleme/Schwierigkeiten”. Ich beschließe, Timon und Pumbaas Spruch zum Motto meiner Afrikareise zu machen.

Mein Rucksack ist gepackt, der Lonely Planet durchgearbeitet, das Flugticket liegt bereit – jetzt kann ich nur noch mehr über Tansania und den afrikanischen Kontinent lernen, indem ich endlich selbst dort bin.

Die Autorin arbeitet als freie Mitarbeiterin für den Tagesspiegel und den Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin aus dem Südwesten. In den nächsten drei Monaten wird sie aus Tansania bloggen.

Nora Tschepe-Wiesinger

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