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Die Vision. So soll das künftige „Fünf Morgen Dahlem Urban Village“ auf der Truman Plaza aussehen.

© Simulation: promo

Zehlendorfs neue Truman Plaza: Ein Selbstversuch: Wir könnten Freunde werden

5-Morgen-Dahlem Urban Village - unser Autor hat das neue Geschäfts- und Wohnprojekt an der alten Truman Plaza auch wegen des Namens immer skeptisch betrachtet. Mittlerweile ist er zu ersten Zugeständnissen und zu Lob bereit. Die Geschichte einer langsamen Annäherung.

Warum nur dieser Name? „5-Morgen-Dahlem Urban Village“ – es gibt Begriffe, an die ich mich kaum oder nie gewöhnen will. Der neue Häuserkomplex an der Clayallee zwischen Hüttenweg und Argentinischer Allee ist nicht nur als Anlage umstritten. Zu gewaltig, zu ungewohnt auf einer lange gewohnten Freifläche. Und was für ein Name! „Truman Plaza“ – das wär’s gewesen, das geht den Nachbarn leichter von der Zunge, so wie sich das fast eingebürgert hatte, als die Amerikaner hier ihren Supermarkt und eine Tankstelle hatten und das Gelände nach Truman hieß.

Nun haben die ersten neuen Geschäfte die ersten Wochen und Monate hinter sich, letzte Gerüste fallen, die Außenanlagen an der Clayallee erhalten kurz vor Weihnachten letzten Schliff – und ich fange tatsächlich an - diese neuen Häuser zu mögen.

Es ist eine Annäherung und ein leise Sympathie, an die ich nicht glaubte, als hier vor gut zwei Jahren die Bauarbeiten begonnen hatten. Für mich hätte die große Fläche, auf der jahrzehntelang des Deutsch-Amerikanische Volksfest gefeiert wurde, für immer frei bleiben, vielleicht ein Park werden können. Zumal der Bund nach dem Abzug der Amerikaner hier keine Wohnungen mehr für seine Bediensteten bauen wollte. Vor drei Jahren standen vorübergehend noch Zirkus-Elefanten auf dem weiten Gelände, die Sonne brannte von einem blauen Himmel auf herrliche Kiefern, die mit etwas zugekniffenen Augen wie Palmen aussahen – das Motiv hätte mit etwas Phantasie auch ein Stück Afrika in Zehlendorf sein können.

Als die neuen Häuser an der Clayallee emporwuchsen, haben viele Leute geschimpft. Ich auch. Mit bis zu sechs Geschossen unpassend hoch für die Gegend, klotzig sowieso, mit Luxuswohnungen, na klar. Und dann die angekündigten Geschäfte: Ein wirtschaftlicher Kinnhaken für die Kaufleute in der Umgebung, etwa in Zehlendorf-Mitte, am Mexikoplatz oder in der ohnehin gebeutelten Ladenstraße des U-Bahnhofs Onkel Toms Hütte. Brauchen wir hier wirklich Geschäfte dieser Art, einen großen Supermarkt, einen Bioladen, Reinigung, Fitness oder ein Café? , fragten die Leute.

Bodenständig auf der Palette. Giovanna Stefanel-Stoffel und ihr Ehemann Ludwig Maximilian Stoffel.
Bodenständig auf der Palette. Giovanna Stefanel-Stoffel und ihr Ehemann Ludwig Maximilian Stoffel.

© Cay Dobberke

Die gefühlte Mehrheit in der Nachbarschaft, in den Siedlungen an der Argentinischen Allee bis rund um den Mexikoplatz fand das Bauvorhaben überflüssig, ärgerlich und protzig und hoffte wohl insgeheim, dass vielleicht auch dieses große Bauprojekt der Bankenkrise oder zumindest letzten großen städtebaulichen Einwänden und Baustopps des Bezirksamtes zum Opfer fallen könnte.

Es hat aber bislang alle möglichen Hürden übersprungen und steht zumindest als Geschäftsbau zur Clayallee hin unverrückbar nahezu fertig da. Und es scheint so, als habe sich die kleine Zehlendorfer Welt damit abgefunden, arrangiert und neugierig auf Entdeckungsreise gemacht. Ich gehöre zu denen, die sich hier fast widerwillig herangetastet hatten, nun aber fast schon alle Geschäfte ausprobiert haben: Den Supermarkt mit den Wandfotos aus der Blockadezeit und gestalterischen Reminiszenzen an die Amerikaner, den Bioladen, den Zeitschriftenladen mit Lotto und Theaterkasse.

Es wird spannend, den Bau zu verfolgen

Die Konditorei nebenan hat noch nicht den Promi-Faktor mit dem Gesehen-werden-wollen wie die Filiale am Roseneck, aber das neue Café wird sehr gern besucht, - so was fehlte hier natürlich bislang in dieser Gegend - nur die Toiletten wirken hier äußerst beengt, was recht unpassend für ein modernes Haus ist. Mehrere Ärzte haben ihre vertrauten Zehlendorfer Ecken verlassen, um sich hier anzusiedeln, repräsentativ sind vor allem die Ausblicke aus den großen Fenstern auf ein Areal, auf das man einst nur vom Riesenrad des Volksfestes Ausblick hatte.

Farbwechsel. Nachdem die Baugerüste gefallen waren, zeigte sich im letzten Jahr, dass die Neubauten auf der alten Truman Plaza hellgrau statt elfenbein- oder sandfarben sind. Fand jedenfalls der Bezirk und zoffte sich mit dem Investor. Der sagt jetzt: "Wir wollen Frieden."
Farbwechsel. Nachdem die Baugerüste gefallen waren, zeigte sich im letzten Jahr, dass die Neubauten auf der alten Truman Plaza hellgrau statt elfenbein- oder sandfarben sind. Fand jedenfalls der Bezirk und zoffte sich mit dem Investor. Der sagt jetzt: "Wir wollen Frieden."

© Cay Dobberke

Die Wohnbauten zu Füßen wachsen noch um einen See, es wird spannend, den Bau zu verfolgen und darauf zu warten, dass sich die kleinen Gassen der Anlage und ein kleiner Platz wirklich beleben. Den Parkplatzausfahrten an der Clayallee hätten die Planer mehr Platz gönnen sollen, vor allem die Fahrer großer Schlitten kommen oft ins Schwitzen. Überhaupt ist die Ausfahrt kurz vor der Ecke zur Argentinischen Allee ein wenig heikel.

Die Fassaden? Nun ja, aber auch hier wirkt schon der Gewöhnungsfaktor, zumal in einer Stadt, die ihre Vorliebe für wirklich düstere Neubauten zu entdecken scheint. Das helle Fassadengrau, stört hier wirklich keine Kunden mehr. Sie schauen auf den Inhalt des Gebäudes, entdecken ein neues Stückchen Stadt oder heranwachsenden Ortsteil und prüfen, wie der funktioniert.

Der Autor war lange Jahre Redakteur in der Berlin-Redaktion des Tagesspiegel. Er lebt in Zehlendorf.
Der Autor war lange Jahre Redakteur in der Berlin-Redaktion des Tagesspiegel. Er lebt in Zehlendorf.

© Mike Wolff

In einer Gegend, die mit mehreren hundert neuen Wohnungen zugebaut wird, ist das ein nötiges Stück Infrastruktur. Zu überregionalem, stadtbekanntem Ansehen wird und muss es nicht reichen.

Wie viele Nachbarn auch, habe ich mich vorsichtig und skeptisch angenähert, meinen kleinen Frieden mit dem Neuen geschlossen. Mit schlechtem Gewissen, weil ich vor allem der nahen U-Bahn-Ladenstraße, in der ich oft bekomme, was es in großen Geschäften nicht gibt, eine sichere Zukunft wünsche. Auf die scheint der neue Komplex zuzusteuern, bestimmt schaue ich bald wieder vorbei. Wir könnten sogar Freunde werden. Nur der merkwürdige Name wird mir fremd bleiben.

Der Autor war lange Jahre Redakteur in der Berlin-Redaktion des Tagesspiegels und lebt in Zehlendorf. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegels.

Christian van Lessen

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