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Die Abstellanlage der S-Bahn im S-Bahnhof Nordbahnhof.

© www.kabgrafie.com

Verborgene Schächte tief in der Erde: Mark Rautenberg fotografiert den Berliner Untergrund

Der Job des Fotografen Mark Rautenberg ist riskant. Denn der 35-Jährige verschafft sich Zugang zu Tunneln und gerade geschlossenen U-Bahnstationen.

Mark Rautenberg liegt auf dem Boden. Neben ihm die gewölbte Betonwand des Tunnels. Es ist stockfinster. Er hört ein Rauschen, das immer lauter wird. Dann fährt die U-Bahn an ihm vorbei. Die Scheinwerfer und das Licht aus den Fenstern leuchten grell. Die Räder rattern vor seinen Augen. Dann ist es wieder still.

Am Abend, wenn es dunkel wird in Berlin und andere Menschen gemütlich auf der Couch sitzen, startet der Fotograf Mark Rautenberg seine Touren. Die führen ihn in verborgene Schächte tief unter der Erde, zu U-Bahn-Tunneln und auf die höchsten Dächer der Stadt. Dort macht er Fotos. Natürlich ist das gefährlich. Aber der 35-Jährige aus dem Wedding im Berliner Großbezirk Mitte sagt: „Ich will fotografieren, was vorher noch niemand fotografiert hat.“

Dafür riskiert er Anzeigen, denn in U-Bahntunneln zu spazieren, ist verboten. Deshalb legt er sich auf den Boden, wenn eine U-Bahn kommt, um nicht entdeckt zu werden.

„Wenn eine Tür offen ist, gehe ich hinein“, sagt der Fotograf. Manchmal kennt er die richtigen Leute, die ihm einen Schlüssel überlassen. So gibt es kaum einen Tunnel in Berlin, in den er nicht kommt, sagt er.

Dort unten sucht er lange nach seinen Motiven. Er fotografiert verlassene Tunnel und Geisterbahnhöfe, abgestellte S-Bahnen, Graffiti und Baustellen. Ihn fasziniert die Architektur – Gleise, Wände und Betonpfeiler. Underground Landscapes (Untergrund-Landschaften) nennt er seine Fotografien.

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Jeden Tag zieht Mark Rautenberg los. Sein längster Aufenthalt unter der Erde war achteinhalb Stunden lang. Einmal hat er sogar dort übernachtet. „Es ist nicht einfach bei den Lichtverhältnissen, zu fotografieren“, sagt er. Deshalb benutzt er ein Stativ und eine hochwertige Kamera. Auch die Nachbearbeitung der Fotos sei wichtig.

Ein Graffiti in einem U-Bahntunnel der BVG.
Ein Graffiti in einem U-Bahntunnel der BVG.

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Kurz nachdem der U-Bahnhof Französische Straße geschlossen worden war, machte Rautenberg Fotos. „Ich musste schnell sein, bevor alles mit Graffiti vollgesprüht wird", sagt er.

Auf seinen Bildern ist auch die Abstellanlage im S-Bahnhof Nordbahnhof zu sehen und die Gleisverlegungen für die kommende S15. Seine Fotos zeigen die Schlaflager von obdachlosen Menschen in sonst leeren Tunneln. „Berlin ganz unten“ heißt die Reihe. „Ich will auch zeigen, was viele gar nicht sehen wollen“, sagt Mark Rautenberg.

Der Geisterbahnhof U-Bahnhof Französische Straße.
Der Geisterbahnhof U-Bahnhof Französische Straße.

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Bevor er den Berliner Untergrund fotografierte, stieg er auf die höchsten Dächer der Stadt – das macht er auch heute noch. Von dort lichtet er Gebäude ab, die in faszinieren wie die Wohnblöcke in der Gropiusstadt oder Häuser vor dem Volkspark Humboldthain. „Ich achte immer darauf, dass es die Fotos aus diesen Blickwinkel noch nicht gibt“, sagt er.

Was seine Motive auszeichnet, ist die Beständigkeit. Rautenberg, der in einem Wohnblock im Wedding lebt, beobachtet, wie sich die Stadt verändert. Dass immer mehr Hipster in die Kieze ziehen und die Mieten in die Höhe treiben – „bis sie sich auch die Zugezogenen nicht mehr leisten können“. Der Fotograf würde sich wünschen, dass sich nicht alles so schnell verändert. Weit oben auf den Dächern oder unter der Erde bekommt er davon nichts mit. „Wenn so ein Tunnel erst einmal da ist, dann bleibt er für immer“, sagt er.

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