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Viele Berliner Stadtbäume sind durch die lange Trockenheit so geschwächt, dass sie gefällt werden müssen.

© Doris Spiekermann-Klaas

Wegen Hitze und hohen Alters: Tausende Straßenbäume in Berlin müssen gefällt werden

Im Herbst ist Fäll-Zeit für Stadtbäume. Allein in Tempelhof-Schöneberg trifft es 1000 Bäume – doppelt so viele wie im Vorjahr

Berlin wird in den kommenden Wochen grauer werden, nicht nur des Wetters wegen. Auf die bunten Herbstblätter müssen wir zwar nicht gänzlich verzichten, jedoch wird der Bestand der Berliner Stadtbäume

vorerst abnehmen. Wie üblich hat am 1. Oktober die Fällperiode begonnen. In dieser Zeit werden abgestorbene und stark beschädigte Bäume in Grünanlagen und an Straßenzügen gefällt. Doch dieses Jahr steht es nach zwei trockenen Sommern nicht gut um Berlins Straßengrün.
Besonders hart trifft es Tempelhof-Schöneberg. Die für Grünflächen zuständige Stadträtin Christiane Heiß (Grüne) meldet, dass im Bezirk etwa 1000 Bäume nicht gerettet werden können. Das sind doppelt so viele wie 2018 dort gefällt wurden.

Für das Baumsterben gibt es mehrere Gründe: Infolge des zweiten Dürresommers hintereinander sind viele Bäume stark geschädigt. Zu viel Hitze und mangelnde Bewässerung haben den Bäumen zugesetzt. Hinzu kommt, dass viele Berliner Stadtbäume nach dem Krieg gepflanzt wurden und heute um die 70 Jahre alt sind, sagt Derk Ehlert von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.

Nicht viel für einen Baum im Wald aber Greisenalter für einen Stadtbaum. Denn diese sind vielen schädlichen Einflüssen ausgesetzt, die Waldbäume nicht betreffen: schlechte Bodenverhältnisse, Lichtmangel, Stammverletzungen durch parkende Fahrzeuge, abgerissene Wurzeln durch Bauarbeiten, Hundeurin und Streusalz.

Gefahren müssen beseitigt werden

Schädlich fürs Stadtgrün ist auch die zunehmende Versiegelung der Straßen, wodurch weniger Wasser in die Erde sickert. Stadtbäume haben durch dadurch eine geringere Lebenserwartung als Waldbäume. Sind Bäume stark beschädigt oder gar abgestorben, wird ihre Standfestigkeit beeinträchtigt.

[Konkret und aktuell aus dem Berliner Westen: Hitze, Trockenheit, Sturm - so stark macht das Wetter den Bäumen zu schaffen. Wie viele Bäume gefällt werden, wie viel für Wasser ausgegeben wird, was die Politik sagt - lesen Sie die Geschichte hier im Spandau-Newsletter. Den gibt es in voller Länge und kostenlos hier leute.tagesspiegel.de]

Dann können umstürzende Bäume große Sachschäden anrichten oder Menschen verletzten – in der stürmischen Herbstsaison steigt das Risiko. Beispielsweise, wenn dürre Äste vorbeilaufende Passanten treffen. Sind Bäume krank, aber noch standfest, werden sie stehen gelassen und nicht gefällt, erklärt der ausgebildete Förster Ehlert. „Wir versuchen, so viele Bäume wie möglich zu erhalten. Kein Baum wird leichtfertig gefällt.“ Denn Bäume sind ein wichtiger Faktor für das funktionierende Klima in der Stadt. Sie binden Schadstoffe, produzieren Sauerstoff und spenden Schatten. Ehlert bestätigt: „Die Luft ist in einer mit Bäumen bepflanzten Straße besser als in einer Straße ohne Bäume. Auch für Tiere, die in der Stadt leben, sind die Bäume ein wichtiger Bestandteil ihres Lebensraumes.“

Neue Bäume für Berlin

Um dem schwindenden Baumbestand entgegenzuwirken, pflanzen die Bezirke daher jährlich neue Stadtbäume. An der Bepflanzung von Berlins Straßen ist seit 2012 auch die Kampagne „Stadtbäume für Berlin“ beteiligt. An der Aktion können sich Bürger beteiligen, entweder einzeln mit einem Spendenvertrag von 500 Euro oder im Rahmen einer Sammelspende mit Einzelbeträgen ab 20 Euro.
„Bislang wurden auf diese Weise etwa 9000 Stadtbäume über die Kampagne finanziert und gepflanzt,“ sagte Ehlert. Durch die neu gepflanzten Bäume kann das durch Absterben und Fällungen entstandene Defizit bislang aber nicht vollständig ausgeglichen werden. „Aktuell werden in Berlin mehr Bäume gefällt als neue gepflanzt“, sagt Ehlert.

Die richtige Pflege macht‘s

Doch wie steht es um die Lebenserwartung der Jungbäume im Hinblick auf die immer heißer werdenden Sommer? Derk Ehlert ist zuversichtlich: „Jungbäume haben es zwar sehr schwer, da diese besonders unter der Trockenheit leiden. Dafür gibt es aber auch besondere Pflegevorkehrungen.“

So gibt es in den einzelnen Bezirken ein Informationssystem das der Kontrolle dient. Ein Baumpflegteam schaut sich in regelmäßigen Abständen den Zustand der Jungbäume an und katalogisiert diesen. Rutschen Bäume in einen höheren Kontrollbereich, werden sie in kürzeren Abständen auf ihren Zustand kontrolliert. Zudem wird ein Pflegevertrag mit einer Laufzeit von 3-5 Jahren zwischen der Stadt und den Firmen abgeschlossen, die die Bepflanzung ausführen.

Tipps aus der Wissenschaft

Auch die Wissenschaft beschäftigt sich mit den bedrohten Stadtbäumen. Ende September fand das 16. Berliner Baumforum an der Freien Universität Berlin statt. Dort wurden die neuesten Erkenntnisse zum Thema Stadtbäume ausgetauscht. Zur Diskussion standen auch zukünftige Handlungsoptionen zu Erhaltung und Pflege des Berliner Stadtgrüns. „Aufgrund der langen Trockenperiode ist die Kenntnis der Interaktion von Boden und Wurzeln für vitale Stadtbäume grundlegend“, stellt Manfred Forstreuter vom Institut für Biologie der Freien Universität Berlin fest. Das Berliner Baumforum richtet sich an alle, die mit der Pflanzung, Pflege und Kontrolle der Jungbäume beschäftigt sind. Das sind insbesondere Beschäftigte von Kommunen, Park-, Friedhofs- und Hausverwaltungen, Wohnbaugesellschaften, Freizeitsparks sowie Architekten und Ingenieure.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Beitrags war von 335.000 Neupflanzungen die Rede. Diese Bäume werden allerdings in Wäldern nachgepflanzt. Wir haben diese Angabe aus dem Beitrag entfernt, weil sie im Zusammenhang mit den Straßenbäumen irreführend war.

Carry Fuchs

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