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Bezirksbürgermeister Franz Schulz:: „Das Ausmaß des Protests hat mich überrascht“

Bezirksbürgermeister Franz Schulz lehnt die Baupläne an der East Side Gallery weiter ab – obwohl er sie selbst genehmigt hat.

Herr Schulz, die Grünen in Friedrichshain- Kreuzberg haben nach eigener Darstellung mit den Bebauungsplänen an der East Side Gallery nichts zu tun. Ihr Parteifreund Hans-Christan Ströbele hat auf zehn Seiten Chronik zusammengefasst, dass immer andere die Bebauung wollten. Fakt bleibt aber: Als früherer Baustadtrat und als Bezirksbürgermeister haben Sie die Pläne mitgetragen. Können sich Investoren auf Ihre Zusagen verlassen?

Der Bauherr hat einen Rechtsanspruch, und den gewährleistet der Bezirk. Andernfalls müsste der Investor entschädigt werden.

Aber die baurechtliche Zusage, die Sie als Behördenchef gegeben haben, torpedieren Sie jetzt politisch. Als Investor kann man da schon das Vertrauen verlieren.

Das Bauplanungsrecht ist nichts Gottgegebenes, sondern von Menschen gemacht – und es fängt auch Stimmungen in der Bevölkerung ein. 2008 gab es einen erfolgreichen Bürgerentscheid mit deutlichen Signalen gegen die Bebauung. Und ich habe seither klargemacht, dass wir versuchen, das umzusetzen, so weit rechtlich machbar. Das bedeutet aber, dass es aus entschädigungsrechtlichen Gründen Tauschgrundstücke für die Investoren geben müsste. In dieser Frage sind wir mit dem Senat weiter im Dissens. Der Regierende Bürgermeister hat am Donnerstag klar gesagt: Das wird es nicht geben. Ich meine nach wie vor, das wäre die richtige Lösung – auch wegen des großen öffentlichen Interesses, das sich jetzt gezeigt hat. Die nächste Frage ist, wie können wir weitere Öffnungen der Mauer minimieren. Dies wird jetzt geprüft.

Bisher haben Mauerdurchbrüche an der East Side Gallery Ihnen weniger Sorgen bereitet. Der Bau der Brommy-Brücke als Steg für Radfahrer und Fußgänger, auf den man sich nach dem Bürgerentscheid 2008 geeinigt hat, sah den Durchbruch zur Mühlenstraße doch ohnehin vor, den der Investor des Wohnturms jetzt vornehmen will. Für die O2-Arena fielen bereits 40 Meter Mauer für eine Sichtachse zur Spree, auch als Zugänge zu Strandbars und Clubs waren Öffnungen in Ordnung. Wird hier nicht mit zweierlei Maß gemessen?

Ich sage selbstkritisch, dass der aktuelle Protest für mich noch mal ein wichtiger Anstoß war, über die Mauer nachzudenken. Das Ausmaß war für mich überraschend und hat dazu geführt, den vorgesehenen Mauerdurchbruch zu hinterfragen. Den Rad- und Fußgängerverkehr über die Brommy-Brücke könnten wir auch über die vorhandenen Wegesysteme vernünftig an die Mühlenstraße bringen.

Wäre es nicht ehrlicher, den Gegnern des Wohnturms „Living Bauhaus“ offen zu sagen, dass das Bauvorhaben zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr zu verhindern ist? Stattdessen bezeichnen Sie das Projekt, das Sie mitverantworten, als „das meistgehasste im Bezirk“. Das macht die Einigung mit dem Investor doch nicht leichter.

Also, ob das zu spät ist, ist Interpretationssache. Wie an der Gedenkstätte Bernauer Straße wäre auch hier ein Rückkauf immer noch möglich. Die Mauer möglichst unzerstört zu erhalten ist ein denkmalpflegerisches Anliegen, das nicht nur für den Tourismus, sondern für das stadthistorische Bewusstsein von immenser Bedeutung wäre. Was ist es uns wert? Wenn Sie mir vorhalten, dass ich die Bebauungspläne mit verantworte, dann muss ich sagen: Ja. Aber die planerische Vorgeschichte und die Schaffung von Baurecht reichen zwanzig Jahre zurück. Ich habe bereits 2001 nach der Bezirksfusion diese Konzeption infrage gestellt. Der Bezirk hat damals damit begonnen, Grundstücke aufzukaufen, etwa das Areal, auf dem zehn Stadtvillen entstehen sollten. Das gelang mit Ausnahme des Bereichs, wo nun der Wohnturm und der Gebäuderiegel entstehen sollen.

Wenn Sie die Baupläne ablehnen, warum haben Sie noch im Februar den städtebaulichen Erschließungsvertrag mit dem Investor unterzeichnet? Hätten Sie Ihre Unterschrift nicht folgerichtig verweigern müssen?

Der Investor hat als Anlieger Anspruch auf verkehrliche Erschließung, weil im Bebauungsplan die Zubringerstraße zur geplanten Brommy-Brücke schon vorgesehen ist. Der Erschließungsvertrag regelt auch, dass der Investor dafür und für den öffentlichen Uferweg die Kosten trägt.

Das Gespräch führte Stephan Wiehler.

Franz Schulz, 64, ist seit Ende 2006 Bürgermeister in Friedrichshain-Kreuzberg. Von 2001 bis 2006 war der Grünen-Politiker Baustadtrat, seither ist er für Stadtentwicklung zuständig.

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