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Berlin: Biermann verschärft Kritik, Rot-Rot zeigt sich versöhnlich

In seiner Dankesrede attackierte Berlins neuer Ehrenbürger erneut die PDS Klaus Wowereit und die Linkspartei weisen die Kritik zurück

Souverän, sachlich aber auch enttäuscht haben Vertreter der rot-roten Koalition auf die erneuten Angriffe reagiert, mit denen der Liedermacher Wolf Biermann am Montag seine Dankesrede zur Verleihung der Ehrenbürgerwürde Berlins garnierte.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der persönlich lange gegen die Ehrung war, pries den Liedermacher in einer bemerkenswert versöhnlichen Rede. „Berlin ist stolz, Sie einen Bürger dieser Stadt nennen zu dürfen“, sagte er. Biermanns politische Attacken der vergangenen Tage wies Wowereit zurück. „Diese Regierung ist demokratisch gewählt, und es bleibt jedem unbenommen, für einen Regierungswechsel zu kämpfen.“ Die von Biermann gewählte Bezeichnung „verbrecherisch“ gehe jedoch zu weit. In seiner Rede reichte Wowereit Biermann symbolisch die Hand. Der Dichter und Sänger könne „in einem Vers eine ganze Welt aufschreien lassen oder eine Diktatur beerdigen – beides hat er mit Lust getan und tut es bis heute.“ Der Regierungschef pries Biermann als einen Vorkämpfer der DDR-Bürgerrechtsbewegung, der nichts von seinem Biss verloren habe: „Und ist sein Bart auch grau, so hat dieser Wolf doch Zähne, und die trägt er im Gesicht“, sagte er. „Manchmal beißt er auch zu und freut sich über die Reaktion.“ Biermann habe nun mal ein überschäumendes Temperament, „das ihn manchmal aus der Kurve zu tragen scheint“.

Biermann zeigte sich weniger versöhnlich. Er attackierte in seiner einstündigen Dankesrede die Linkspartei als SED-Nachfolger mehrfach scharf und sprach ihr ab, sich in der Zeit nach dem Mauerfall geändert zu haben. Er halte es weiterhin für „verbrecherisch“, wie sich Wowereit und die SPD „mit den Erben der DDR-Nomenklatura“ eingelassen hätten. Biermann war 1976 aus der DDR ausgebürgert worden. Mit Blick auf das SED-Regime sei der Begriff „verbrecherisch“ noch eine „starke Untertreibung“ für die rot-rote Koalition, legte Biermann nach – „es ist viel schlimmer: Es war ein Fehler“.

„Das sind Vereinfachungen, die Berlin längst überwunden hat“, sagte anschließend die Fraktionschefin der Linkspartei/PDS im Abgeordnetenhaus, Carola Bluhm. Nach Biermanns Rede verfolgte sie mit einer Gruppe von Parteifreunden den Empfang für Biermann von einem Stehtisch aus. Die Genossen waren sich einig: „Inakzeptabel“ sei die Kritik des Liedermachers, „er zementiert Feindbilder, für die wir nicht taugen“, sagte der Linkspartei-Abgeordnete Carl Wechselberg, der aus Ostfriesland stammt, 1991 in die PDS eintrat und sich schon deswegen nicht von Biermanns SED-Rundumschlag getroffen fühlt. „Ich habe mich persönlich nicht angesprochen gefühlt“, sagte auch Fraktionschefin Bluhm. Wechselberg empfindet mit Biermann vor allem „Mitleid“, sagte er. „Ihm ist das Trauma anzumerken, dass ihn das Unrecht, was ihm in der DDR widerfuhr, bis heute zeichnet – aber er hat nicht die Größe, zur Versöhnung und zur Einheit Berlins beizutragen.“ Der Linkspartei- Wissenschaftspolitiker Wolfgang Albers, ebenfalls aus Westdeutschland nach Berlin gekommen und lange nach dem Ende der DDR zur PDS gestoßen, findet es enttäuschend, „dass Biermann gegen Geister kämpft, die wir schon lange in die Flasche gesteckt haben.“ Er hofft, dass mit der gestrigen Ehrung die Debatte über Biermanns harsche Bewertung der Linkspartei vorbei sei: „Jetzt machen wir wieder Politik.“

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