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Bildung: Schulen befürchten Flucht der jungen Lehrer

300 befristete Stellen hat Berlin zu vergeben – falls sich Bewerber finden. Doch über die vom Senat versprochene Zulage wird wieder gestritten.

Berlins Junglehrer sind verunsichert: Nach der Weigerung des Hauptpersonalrats (HPR), eine außerordentliche Zulage von 1200 Euro für sie mitzutragen, hegen viele nun wieder Zweifel, ob es richtig war, in Berlin zu bleiben. Wolfgang Harnischfeger vom GEW-Schulleiterverband nennt es „unfassbar“, dass Senat und HPR es überhaupt zu einer derartigen Situation haben kommen lassen. Die Bildungsverwaltung sicherte aber zu, dass sich die jungen Lehrer keine Sorgen machen müssten: Die Zulage werde auf jeden Fall gezahlt, sagte Sprecher Jens Stiller.

Das beruhigt nicht alle. „Die jungen Lehrer sind sauer“, beschreibt Thorsten Ulrich von der Initiative „Verbeamtung. Jetzt!“ die gestrige Stimmung. Am Morgen hatte sich herumgesprochen, dass der HPR den Senatsvorschlag zur Höherbesoldung der Junglehrer abgelehnt hatte, um das vorgesehene Geld erstmal an die älteren Beschäftigten zu verteilen. „Es wäre ja abenteuerlich, wenn die jungen Lehrer das gut fänden“, meint Ulrich. Allerdings hat er Verständnis für das Vorgehen des HPR, der die „Spaltung in den Lehrerzimmern“ verhindern wolle. Zudem sei die Junglehrerzulage ja erstmal auf ein Jahr befristet. Was dann komme, sei völlig offen.

Auch Harnischfeger „versteht den Ansatz der Personalvertretung“. Schließlich müsse sie auch an die vielen älteren Beschäftigten denken, die sich vom Senat übergangen fühlten. Andererseits bangt er aber um die Besetzung der freien Stellen an seiner Schule, dem Lankwitzer Beethoven-Gymnasium: Bei ihm haben dieses Jahr drei junge Lehrer gekündigt – auch wegen lukrativer Angebote aus anderen Bundesländern. Eine dieser Kräfte sei gar nicht ersetzt worden, für die zweite habe er eine Umsetzung erhalten, die dritte Stelle dürfe er nur befristet besetzen. Harnischfeger bezweifelt, ob ihm das gelingt. Hinzu komme jetzt auch noch die Verunsicherung durch den Streit zwischen Senat und HPR. Er kritisiert, dass das ganze Verfahren „nicht längst über die Bühne ist“.

Die Bildungsverwaltung wirbt um Verständnis für die lange Dauer des Verfahrens. Schließlich sei im Februar eine „Sondersituation“ entstanden. Damals hatte Baden-Württemberg mit einer aggressiven Werbekampagne versucht, Berliner Junglehrer zu ködern. Darauf habe man reagieren müssen. Die dann beschlossene Zulage von 1200 Euro sei in ihrer Art etwas ganz Neues gewesen, was erstmal technisch und rechtlich richtig habe umgesetzt werden müssen.

Wie berichtet, hatte der HPR am Dienstag das Vorhaben des Senats abgelehnt, den Junglehrern die Zulage zu zahlen. Laut Personalvertretungsgesetz muss jetzt ein Einigungsgespräch zwischen Senat und HPR geführt werden. Einen Termin gab es dafür am Mittwoch noch nicht. Die Bildungsverwaltung betonte, dass der Vorschlag des Hauptpersonalrates nicht bindend sei. Falls es zu keiner Einigung komme, könne der Senat entscheiden, sein Vorhaben wie geplant umzusetzen, sagte Sprecher Jens Stiller.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sowie der HPR wussten gestern nichts von empörten Junglehrern zu berichten. „Bei uns hat sich niemand beschwert“, hieß es übereinstimmend. Vielmehr gebe es viele positive Reaktionen von älteren Kollegen darauf, dass man sich für einen Gehaltsaufbesserung der länger Beschäftigten eingesetzt habe. „Der Solidargedanke ist größer als man allgemein annimmt“, schlussfolgerte GEW-Chefin Rose-Marie Seggelke aus dem Schweigen der Junglehrer.

Nun bleibt abzuwarten, wie die Besetzung der noch freien Stellen zum neuen Schuljahr verlaufen wird. Nicht nur Harnischfeger befürchtet, dass die Absage des HPR Verunsicherung schafft und dazu führt, dass es weniger Lehrer gibt, die sich für die befristeten Stellen bewerben. Rund 300 sollen jetzt noch besetzt werden. Die Bildungsverwaltung rechtfertigte gestern nochmals die Befristung. Schließlich handele es sich „überwiegend“ um Stellen, die nur als Vertretung von Langzeiterkrankten gedacht seien.

Thorsten Ulrich von „Verbeamtung. Jetzt!“ erwartet nicht, dass Interessenten jetzt kurzfristig abspringen, denn die anderen Bundesländer hätten ihre Einstellungen schon abgeschlossen. Er rechnet aber damit, dass im nächsten Jahr die Abwanderung erneut Schwung bekommt.

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