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Grundschule

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Bildung: Vierjährige Grundschule entzweit Experten

Neue Studie entfacht erneut die Debatte über einen früheren Wechsel aufs Gymnasium. Die Experten ziehen sehr unterschiedliche Schlüsse aus den Ergebnissen der Untersuchung.

Die Auseinandersetzung über die Element-Grundschulstudie geht weiter. Dabei beharren Bildungspolitiker der verschiedenen Parteien auch am Tag nach der Veröffentlichung auf ihren unterschiedlichen Lesarten. Die SPD und ihr Bildungssenator Jürgen Zöllner sowie die Grünen sehen keinen Grund, die sechsjährige Grundschule infrage zu stellen. Die CDU erneuert ihre Forderung nach mehr grundständigen Gymnasien, auf die Kinder nach der vierten Klasse wechseln können. Und die FDP schlägt vor, zweigleisig vorzugehen und sowohl die Qualität an den sechsjährigen Grundschulen zu verbessern als auch mehr grundständige Gymnasien einzurichten.

Für die Element-Grundschulstudie hat die Bildungsverwaltung 2003 den HU-Bildungsforscher Rainer Lehmann beauftragt, die Leistungsstände der Berliner Schüler in den Klassen 5 und 6 festzustellen und ihre Entwicklung zu untersuchen. 93 Prozent der von der Studie erfassten Schüler besuchten die sechsjährige Grundschule, sieben Prozent wechselten nach der vierten Klasse in eine Gymnasialklasse. Während der Verfasser der Untersuchung zu dem Ergebnis kommt, dass alle Kinder, auch die „wenigen relativ lernschwachen“, die frühzeitig auf das Gymnasium wechseln, „mehr lernen“, unterstreicht die Studie nach Meinung des Bildungssenators gerade „die erfolgreiche Förderung in Grundschulen“. Zöllner sagt, er erkenne aus den Daten keinen Leistungsschub bei den Gymnasiasten. „Das ist Quatsch“, erwidert Lehmann, „da wird ein Teil der Studie separat zitiert.“ Von der Grundschule profitierten letztlich nur die Schwächsten. „Da stellt sich die Frage, ob man die Vernachlässigung der Leistungsstarken in Kauf nehmen will, um soziale Disparitäten zu mildern.“

Peter Heyer, Vorsitzender des Berliner Grundschulverbandes, wirft Lehmann „politische Einflussnahme“ vor. Deshalb sei die Untersuchung „pünktlich“ zur aktuellen Diskussion um eine Verlängerung der Grundschulzeit in Hamburg veröffentlicht worden. „Seit langem wissen wir, dass die vierjährige Grundschule nicht gut ist“, sagt Heyer. Die OECD fordere Deutschland immer wieder auf, die Schüler nicht so früh zu trennen. „Auch Lehmanns Daten sagen nichts anderes aus, nur seine Schlussfolgerungen.“ Es stimme zwar, dass besondere Interessen und Leistungen an den Grundschulen zu kurz kämen, aber anstatt an den sechs Jahren zu rütteln, müsse man die Defizite ausgleichen und in die Grundschulen investieren. „Man kann nicht immer weiter sparen, und wenn die Schulen schlecht werden, sagen, das liegt daran, dass sie auf sechs Jahre angelegt sind.“

Felicitas Tesch, schulpolitische Sprecherin der SPD, findet, „man sollte die Ergebnisse nicht überbewerten und am Konzept der sechsjährigen Grundschule festhalten“. Wichtig sei, dass die Kinder individuell gefördert würden, worauf die neue Schulanfangsphase abziele, in der Schüler die ersten zwei Schuljahre je nach Leistungsfortschritt in einem, zwei oder drei Jahren absolvieren können.

Özcan Mutlu (Bündnis 90/Die Grünen) wirft Lehmann vor, „Äpfel mit Birnen“ zu vergleichen, weil er die besten sieben Prozent einer Klasse, die nach dem vierten Schuljahr auf das Gymnasium wechselten, mit dem verbliebenen Rest vergleiche. Mieke Senftleben (FDP) schlägt zweierlei vor: die 5. und 6. Grundschulklassen stärken, indem man dort auch Gymnasiallehrer einsetzt, und gleichzeitig die Nachfrage von Eltern nach grundständigen Gymnasien ernst nehmen. „Die Studie bestätigt, dass es für gute Schüler besser ist, früher aufs Gymnasium zu wechseln. Diese Möglichkeit sollten wir ihnen nicht nehmen.“ Aber statt die Vor- und Nachteile der sechsjährigen Grundschule abzuwägen, sehe Bildungssenator Zöllner die Ergebnisse der Studie durch die rot-rote Koalitionsbrille und werte nur die positiven Seiten. Katrin Zeug

Katrin Zeug

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