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© dpa

Bildungsreise: Angela Merkel kommt nach Kreuzberg

Am morgigen Freitag besucht die Bundeskanzlerin das Kreuzberger Bildungswerk, in dem 950 Jugendliche aufs Berufsleben vorbereitet werden. Der Besuch ist perfekt durchorganisiert und wird Angela Merkel wohl keine Zeit für Gespräche mit den Auszubildenden lassen.

Zwischen Bundeskanzleramt und dem Kreuzberger Bildungswerk liegen 5000 Meter – und doch sind es Welten. Wenn morgen die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit ihrem Tross die Einrichtung im Wrangelkiez besucht, soll dort alles ein wenig mehr, sagen wir, kanzleramtstauglich aussehen.

Man hat sich bemüht. Die Wände in der Cafeteria sind neu gestrichen worden, die Türen erstrahlen in einem frischen Cyanoblau, und in den Unterrichtsräumen hängen nun heitere Bilder. "Alles Dinge, die wir ohnehin gemacht hätten", versichert eine Mitarbeiterin, "nur jetzt haben wir eben einen richtigen Anlass." Man möchte schließlich einen guten Eindruck bei der Kanzlerin hinterlassen.

60 Prozent der Teilnehmer haben einen Migrationshintergrund

Im Bildungswerk in der Cuvrystraße machen jedes Jahr zirka 950 Jugendliche und Erwachsene eine Aus- oder Fortbildung. Auch Integrationskurse für nicht-deutsche Interessenten bietet das Bildungswerk an. "Zirka 60 Prozent unserer Teilnehmer haben einen Migrationshintergrund", sagt Nihat Sorgec, der Leiter des Bildungswerks. Er spricht von Teilnehmern, Schüler wäre der falsche Begriff, denn das Bildungswerk ist keine öffentliche Schule, sondern eine GmbH. Friseure, Fleischer, Modenäher, Bankkaufleute und Metallbauer werden hier ausgebildet, um nur einige zu nennen.

Nihat Sorgec ist ein ruhiger, freundlicher Mann. Einer von der Sorte, die durch nichts aus der Fassung zu bringen sind. Wenn er jedoch von seiner Arbeit im Bildungswerk spricht, zeigt Sorgec Temperament: "Für mich ist das kein Job hier, das ist meine Lebensaufgabe", sagt er laut und unterstreicht seine Worte mit seiner rechten Hand, die durch die Luft wirbelt. Weil er als "klassisches Gastarbeiterkind" selbst einmal mit schwierigen Startbedingungen zu kämpfen hatte, kennt er die Sorgen seiner Azubis.

Bildungswerk bietet vielen eine zweite Chance

"Es ist wichtig, den Menschen das Gefühl zu geben, dass sie Teil der Gesellschaft sind", sagt er. Er begreift das Bildungswerk als "zweite Chance für Menschen, denen die freie Wirtschaft keine Ausbildungsplätze zur Verfügung stellt." Im morgigen Gespräch mit der Bundeskanzlerin kommt es ihm darauf an, deutlich zu machen, wie wichtig Investitionen in die Bildung sind. "Unsere Leute bestehen zu 86 Prozent die Prüfungen", sagt er und freut sich sichtlich darüber.

Auf ihrem Rundgang im Bildungswerk wird Angela Merkel in Begleitung des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit und der Bundesbildungsministerin Annette Schavan die Ausbildungsbereiche Catering und Bankengewerbe besuchen. In der Floristik-Abteilung werden Azubis ihr einen selbstgesteckten Blumenstrauß überreichen. Auch in dem Trakt, wo die Nähmaschinen ansonsten rattern, wird Merkel einen kurzen Stopp einlegen.

Merkels Besuch lässt kaum Zeit für Gespräche mit Auszubildenden

Die beiden Auszubildenen, die eng an eng vor den rumpelnden Geräten sitzen, beeindruckt das wenig. Gerne würden sie der Bundeskanzlerin erzählen, was sie bedrückt. "Geld fehlt an allen Ecken und Enden hier", sagt eine. Weil sie ihrem Unmut freien Lauf lässt, will sie ihren Namen hier nicht lesen: "Um jeden Meter Stoff muss gebettelt werden und die Nähmaschine rattert wie eine Kreissäge, wenn man sie hochfährt.2 Zu wenig Geld, zu wenig Platz und zu wenig Ausbilder, so lautet das Resümee der beiden.

Ob ihre Klagen bis zur Bundeskanzlerin vordringen, wird sich zeigen. Sehr wahrscheinlich ist das nicht, denn Merkels Besuch ist perfekt organisiert und lässt kaum Zeit für Gespräche mit den Auszubildenden. Dafür sind "gepoolte Bildtermine" geplant, so steht es im Informationsblatt des Bundeskanzleramts. Gemeint sind damit bestimmte Orte im Bildungswerk, die wohl besonders fotogen sind. Dort darf fotografiert werden. Die dunkle Schneiderwerkstatt ist dafür nicht vorgesehen.

Philipp Hauner

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