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Auf dem Chefposten. Kapitän Andreas Engelland fährt künftig durch den Tempelhofer Hafen: zwischen Ost- und Westmole, montags bis sonnabends von 11 bis 19 Uhr. Die Fahrt ist kurz – und gratis.

© Mike Wolff

Binnenschifffahrt: Neue Fähre am Tempelhofer Hafen geht in Betrieb

Berlin hat eine neue Schiffsverbindung. Sie ist sehr kurz und kostenlos, aber keine Konkurrenz für die etablierten Linien.

Am Ufer steht ein Partyzelt, vor dessen Eingang ein Mann mit Schiffermütze und Halstuch Akkordeon spielt. Auf Stehtischen liegt das Fachmagazin „Binnenschifffahrt“ aus, es gibt Lachsschnittchen, und auf der Mole geht ein richtiger Kapitän mit vier goldenen Streifen auf den Schultern seines grellweißen Hemdes auf und ab. So viel maritimes Flair wie an diesem Mittwoch war selten am Tempelhofer Hafen im Schatten des mächtigen Ullsteinhauses.

Anlass ist die Eröffnung von Berlins neuester Fährverbindung: von der Ostmole zur Westmole mit einem eigens dafür gebauten Katamaranfloß. Das sollen die Manager des Einkaufszentrums Tempelhofer Hafen und die Bezirksstadträtin Sibyll Klotz (Grüne) auf den Namen „Neue Liebe“ taufen. Weil die Proseccoflasche härter ist als das Alu-Floß, öffnet Klotz den Schraubverschluss und gießt das Ganze aus. Die Ideallösung aus Grünen-Sicht, weil die Flasche nun wieder dem Wertstoffkreislauf zugeführt werden kann und die Enten nicht durch Scherben gefährdet werden. Nun wird es Zeit für die Jungfernfahrt – und die Frage nach dem Ziel dieser Fährverbindung. Im direkten Sinn handelt es sich um die rund 60 Meter entfernte Ost-Mole, auf der die Beach Bar bald Gesellschaft bekommt: Auf beiden Molen sollen nach Auskunft von Hafengeschäftsführer Martin Merkel ab Herbst neue Gastronomiegebäude entstehen, außerdem eine Treppe zum Hafenbecken. Eine Beleuchtung für den Hafen mit seinen denkmalgeschützten Ladekränen von 1908, Infoschilder zur Historie und ein neuer Kleinpflasterweg sind schon fertig. Die kostenlose Fähre ist also Teil eines Gesamtpaketes, um den Standort zu stärken, wie man so sagt. Dem kann es guttun, denn im Vergleich zu anderen Einkaufszentren dümpelt das am Tempelhofer Hafen – trotz der stadtweit konkurrenzlosen Wasserlage.

Auf halber Strecke. So sieht man den Tempelhofer Hafen mit der neuen Fähre vom gegenüber stehenden Ullsteinhaus aus.
Auf halber Strecke. So sieht man den Tempelhofer Hafen mit der neuen Fähre vom gegenüber stehenden Ullsteinhaus aus.

© promo

So ist Andreas Engelland zu seinem neuen Job gekommen. Der Mann mit den vier goldenen Streifen sitzt am Steuer des Floßes und holt zu einer großen Runde durchs Hafenbecken aus. Frischer Fahrtwind lässt die bunten Wimpel am Floßdach flattern, am Heck schnurrt der 8-PS-Außenbordmotor. Abgesehen von einem Fischbrötchenkutter und dem zum Restaurant umfunktionierten Lastkahn „Alte Liebe“ liegen rund zwei Dutzend private Motorboote im Hafen. „Herr Horst“ liegt neben „Insomnia“ und die wiederum neben „Phönix II“. Engelland zieht in großer Kurve achtern vorbei und veredelt die Minitour zu einer richtigen kleinen Dampferfahrt. Hinter ihm fragt die Stadträtin den Center-Geschäftsführer leise: „Ist das wirklich ein richtiger Kapitän?“ Merkel nickt. Na aber.

Fast ein Dutzend Fähren hat Berlin.

Engelland sagt, er habe einen Rentnerjob in gutem Sinne: „Das kann man machen, bis der Deckel zugeht.“ Allerdings ist er erst 49 und sein dezenter Bart zeigt keine Spur von kapitänsgemäßem Weiß. Früher sei er auf Fahrgastschiffen unterwegs gewesen, sagt Engelland. Künftig wird er montags bis samstags zwischen 11 und 19 Uhr lostuckern, sofern Kundschaft da ist und der Wind das kastenförmige Floß nicht allzu heftig packt. Ab Stärke drei werde es schwierig, sagt er.

Damit hat Berlin fast ein Dutzend Fähren. Ganz vorn liegen die sechs Linien der BVG mit ihren insgesamt 900 000 Passagieren im Jahr sowie die privat betriebene in Hakenfelde. Bei den von derselben Familie betriebenen Linien zu den Inseln im Tegeler See ist die Sache schwierig. Sie fahren zurzeit nur am Wochenende und bis auf Widerruf, weil die Betreiber nach eigener Auskunft draufzahlen. VBB-Tickets gelten dort nicht. Das gilt auch für die Fähren nach Lindwerder und zur Pfaueninsel.

Kulturtour. Mit der Fähre zur Pfaueninsel reguliert die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten den Besucherstrom.
Kulturtour. Mit der Fähre zur Pfaueninsel reguliert die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten den Besucherstrom.

© dpa

Bei den drei Ganzjahreslinien der BVG liegt nach Auskunft von Unternehmenssprecher Klaus Wazlak die F 10 (Wannsee – Kladow) vor der F 12 (Grünau – Wendenschloss) und der F 11 (Baumschulenweg – Oberschöneweide). Am wenigsten los sei auf der F 24 (Rahnsdorf – Müggelheim). Deren Weg über die kaum 30 Meter breite Müggelspree ist zwar noch kürzer als der zwischen der Tempelhofer Ost- und Westmole, aber dafür rudert der Käpt’n. Kein Job, den man machen kann, bis der Deckel zugeht. Zumal am Sommerwochenenden viele Fahrräder rein und raus gehievt werden wollen. Das bleibt den Kapitänen der weiteren Sommerfähren F 21 (Dahme) und F 23 (Müggelspree) erspart. Auf Letzterer müssen dagegen die Passagiere sportlich sein, weil steile Stufen auf die Boote führen. Wer solche Mühsal scheut, ist bekanntlich mit der Wannseefähre am besten bedient. Deren Tour ist mit 20 Minuten die längstmögliche zum Standardtarif. Und manchmal auch besonders spektakulär: Ende April versenkte die „MS Lichterfelde“ eine lästige Segeljolle.

Für solche Duelle eignet sich die „Neue Liebe“ nicht. Die drei Schalter neben Engellands Steuerrad sind fürs Licht – damit ihn abends niemand umfährt.

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