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Berlin: Bio? Logisch!

Berlin ist umzingelt von Ökohöfen. Sie beliefern Märkte und Restaurants – oder kommen bis vor die Tür

Rot-gelb leuchtet das zottelige Fell der Highland-Rinder. Stattlich sehen sie aus mit ihren mächtigen Hörnern. Sie weiden auf einer kiefernumstandenen Wiese und wirken ausgesprochen zufrieden, hier im brandenburgischen Schmerkendorf. 130 Tiere hält Beate Bechler auf dem Ökohof Gotsgarten. Weil das Fleisch der schottischen Rinder nicht bloß schmeckt, sondern auch wenig Cholesterin enthält, ist es bei den Schmerkendorfern sehr beliebt. Berliner können es auch probieren: Wer Kontakt mit Beate Bechler aufnimmt, bekommt die gewünschte Portion Fleisch direkt auf einen Berliner Wochenmarkt geliefert. Bechler züchtet nicht nur, sie pflanzt auch an. Nämlich fast vergessene Getreidesorten, die widerstandsfähig sind und deshalb keinen chemischen Schutz brauchen. Champagnerroggen zum Beispiel. Oder Preußischen Dickkopfweizen. Indianerkürbisse gibt es auch. Die sehen aus wie Zucchinis und schmecken butterzart.Wegen der zunehmenden Nachfrage hat Beate Bechler viel zu tun. Manchmal hilft ihr Mann, aber meistens hat er anderes zu tun. Er ist der Dorfpfarrer.

Berlin ist von Biohöfen umzingelt. Und fast alle verkaufen ihre Produkte in Berliner Bioläden und auf Wochenmärkten. Oder liefern direkt nach Hause zum Kunden. Der Biohof Blattwerk in Görzke ist so einer. Täglich packen Sabine und Arndt Hensky ihren blauen VW-Bus mit sogenannten Abo-Kisten voll. Das sind Boxen mit einer abgesprochenen Menge an Ökoprodukten, die regelmäßig zu Stammkunden geliefert werden. So kann der Biohof planen.

Bei Henskys kann man unter anderem die dekorativen, pinkfarbenen Feuerbohnen ordern, die besonders gut zu mexikanischen Gerichten passen. Oder Wildtomaten. Die sind nur murmelgroß, aber sehr aromatisch. Wenn gewünscht, legt Sabine Hensky noch einen Blumenstrauß aus ihrem Bauerngarten in die Abokiste.

Dirk Kupke bietet keine Abokisten an. Der ehemalige Schlosser aus Berlin verkauft die Waren seines Ökohofs in Ahrenzhain auf Märkten. Immer sonnabends steht er auf dem Ökomarkt am Kollwitzplatz. Eier verkauft er, aber auch Gemüse, vor allem Kartoffeln. Kupke hat sich auf die alten Sorten spezialisiert: Tomaten, die noch nach Tomaten schmecken, Kartoffeln mit dem schönen Namen „Blauer Schwede“, die aber eigentlich violett sind. Andere Kartoffelsorten heißen „Roter Tannenzapfen“ oder „ Heideniere“. Die Exoten werden gekauft – obwohl sie teurer sind als Supermarkt- Kartoffeln. „Im Moment kostet ein Kilo Tomaten etwa vier Euro. Bei mir zahlt man sechs bis acht“, sagt Kupke. Seine Kunden akzeptieren die höheren Preise. „Vielen geht es auch um Kommunikation, darum, sich über die Ware auszutauschen.“

Zu den Ersten, die landwirtschaftliche Produkte aus Brandenburg nach Berlin brachten, gehören der Unternehmer Horst-Bernd Paech und sein Sohn Michael Kunzmann. Nach der Wende machten die beiden einen Ausflug an der Havel entlang – und trafen einen Krebsfischer. „Wir kauften ihm ein paar Krebse ab und boten sie im KdW an. Die Kunden konnten nicht genug davon bekommen“, sagt Paech. Damit war die Idee geboren, frische Produkte aus dem Umland in Berlin zu Geld zu machen. Paech und Kunzmann besuchten ehemalige LPGs, sprachen mit Viehzüchtern und Bauern. Denn eines war klar: „Was wir bieten, muss umwelt- und artgerecht aufgezogen sein. Wir brauchen hohe Qualitätsstandards.“ Schließlich beliefert die Firma ausschließlich Gourmetrestaurants. Das Borchardts, das Vier Jahreszeiten, das Margaux, die Brasserie im Ritz-Carlton. Billig sind die Produkte von „Havelland-Express“ nicht unbedingt. Dafür aber extrem lecker.

Paechs Spezialität ist das Linumer Wiesenkalb. Das hat der Unternehmer selbst gekreuzt, aus dem französischen Limousin- und dem bayerischen Gelbviehrind. Weil das eine zwar feinfasriges und saftiges Fleisch hat, aber allgemein als scheu und schlecht zu halten gilt, hat Paech es mit dem gutmütigen Gelbviehrind gekreuzt. Die Erbanlagen seiner Kälber sind also bestens. Dazu noch viel Muttermilch und später frisches Gras von der Wiese – das schmeckt man, behaupten Biofleischkenner.

Christiane Bertelsmann

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