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Blattwerk zu Biokohle. Noch ist das Verfahren nicht industriereif, aber es ist auf dem Weg: aus welkem Laub werden Biokohle-Pellets gemacht. Daran arbeiten Umland-Firmen wie Suncoal Industries (Foto) oder Carbon Solutions. Foto: promo

© Paul-Langrock.de Agentur Zenit +

Bioabfall: Bastion der Bakterien

Wie im Kuhmagen: Berlins Bioabfälle sollen bald vollständig in einer Biogas-Anlage verwertet werden.

Endstation Kompost, so lautet bisher das Entsorgungskonzept der Berliner Stadtreinigung (BSR) für Bioabfälle. Immerhin 60 000 Tonnen kommen übers Jahr zusammen: Kaffeefilter, Kartoffelschalen und Karottenkraut – alles landet in der braunen Tonne und wird später zu Kompostierbetrieben ins Umland geschafft.

Das soll sich ändern. Zum Ende des Jahres will die BSR in Spandau eine Biogasanlage in Betrieb nehmen, die alle Abfälle aus den braunen Tonnen der Stadt verwertet. „Dort produzieren wir so viel Biogas, dass wir damit 150 Lkw, etwa die Hälfte unserer Abfallsammelfahrzeuge, klimaneutral betreiben können“, erklärt Thomas Rücker, Projektleiter der Bioabfallanlage, das Konzept.

Dafür sollen neben dem Klärwerk Ruhleben zwei Fermenter errichtet werden. Jeder ist 42 Meter lang, im Querschnitt acht mal acht Meter. „Von der Wirkungsweise her sind die beiden Kästen riesige Kuhmägen“, sagt Rücker. „Vorn kommt das organische Material rein, hinten kommen Biogas und feste sowie flüssige Reststoffe raus.“ Nur dauert die Passage für das Biogut etwas länger als beim Vieh, rund drei Wochen. Und es wird durch ständiges „Nachfüttern“ durchgereicht: Mit jeder Tonne Abfall, die vorn eingeworfen wird, werden die bereits enthaltenen Bestandteile nach hinten durchgedrückt.

Bevor der Abfall in den Kunstmagen kommt, wird er von störenden Stoffen befreit und zerkleinert. So bietet er mehr Angriffsfläche für die Bakterien im Fermenter. Unter Luftabschluss zersetzen sie die gammligen Äpfel, verschimmelten Brote und anderen Essensreste. „Wir setzen keine Bakterien zu“, sagt der Experte. „Das sind alles Mikroorganismen, die ohnehin im Biomüll enthalten sind.“

Den Berechnungen zufolge entstehen pro Jahr sieben Millionen Kubikmeter Rohbiogas, das vor allem Methan und Kohlendioxid enthält. Letzteres wird nach einer Reinigung in die Luft geblasen. Das Methan, etwa 4,5 Millionen Kubikmeter, wird mit etwas Propan versetzt und ins Berliner Gasnetz gepumpt, aus dem die Erdgasfahrzeuge ihren Treibstoff beziehen. Die festen Gärreste werden dann zu den Kompostieranlagen transportiert.

Außer den Resten aus der Küche fallen in Berlin jedes Jahr rund 60 000 Tonnen Laub an. In der Biogasanlage ist mit dem bröseligen Material wenig anzufangen, weil für die Verwertung mehr Energie aufgewendet werden muss, als am Ende gewonnen wird, sagt BSR-Sprecherin Sabine Thümler. Daher wird das Laub zu Kompostieranlagen gebracht.

In Zukunft könnte es aber auch zu „Biokohle“ umgewandelt werden. Dahinter steckt ein Verfahren namens HTC (hydrothermale Carbonisierung), bei dem in einem Druckbehälter aus Biomasse Torf und Kohle werden. Wie in der Natur – aber statt in Jahrmillionen schon binnen Stunden. Zwei Firmen in der Region, Suncoal und Carbon Solutions, arbeiten an dem Verfahren. „Es ist noch nicht großtechnisch einsetzbar“, sagt Thümler. „Aber wir sind in Kontakt und schicken beispielsweise Laub für die Testanlagen.“ Das Endprodukt kann als Brennstoff genutzt werden oder als Grundstoff für die Kohlenstoffchemie. Eine steile Karriere für welke Blätter – aber bislang noch weitgehend Zukunftsmusik.

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