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Nur Übung: Schwerbewaffnete Polizisten mit Atemschutzmasken stehen zusammen mit Feuerwehrleuten vor einem Dekontaminationszelt.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Bioterrorismus: Katastrophenschutzübung in Berlin

Polizei, Feuerwehr, Kliniken und das Robert-Koch-Institut üben gemeinsam den Ernstfall. Das Szenario: Ein Angriff mit Krankheitserregern.

Von Fatina Keilani

Ein Terroranschlag ist verübt worden - aber nicht sicht- und hörbar, nicht mit Bomben oder Lastwagen, sondern mit Viren. Anschlagsort ist eine Fotoausstellung zum Stadionfest Istaf, wo auch muslimische Sportlerinnen gezeigt wurden. Der Anschlag ist zwei Tage her, mittlerweile sind Menschen mit Symptomen in die Krankenhäuser gekommen.

Zusammenarbeit bei gegenläufigen Interessen

Dieses fiktive Szenario dient derzeit als Ausgangslage einer Katastrophenschutzübung all jener, die dann zuständig wären – Polizei, Feuerwehr, Kliniken, Robert- Koch-Institut, Bundeskriminalamt, Bundespolizei. Es ist die erste Übung dieser Art europaweit, sie dauert drei Tage - von Dienstag bis Donnerstag. Es sind fast 80 Beobachter aus dem In- und Ausland da, und am Mittwoch durfte auch die Presse kurz zuschauen.

Wie gut es im Ernstfall laufen würde, lässt sich anhand des dort Sichtbaren allerdings nicht schätzen.

Im Fall des Falles haben die Beteiligten gegenläufige Interessen, müssen aber dennoch gut zusammenarbeiten. „Bei einem Anschlag mit Erregern sind die Amtsärzte diejenigen, die den Hut aufhaben, und nun muss man zusammenbringen, was die Amtsärzte wollen und was die Polizei will“, sagte Susanne Bauer, Leiterin des kriminaltechnischen Einsatzdienstes beim Landeskriminalamt und zugleich Leiterin der Übung. „Das ist nicht einfach, man muss es üben. Die Amtsärzte wollen nicht, dass die Erreger sich verbreiten, sie wollen die Gefahr bannen.“

Die Terroristen seien in dem Szenario aber noch aktiv, die Polizei wolle und müsse sie also kriegen. Die Übung heißt „Wunderbaum“ nach der Pflanze, aus der das Gift Rizin gewonnen wird, ein starkes Nervengift, das innerhalb von drei Tagen zum Tod führt und gegen das es kein Mittel gibt.

Worst Case Szenario

„Wir haben angenommen, dass Rizin und Lungenpest-Erreger ausgebracht wurden“, sagt Bauer – also das schlimmste Gift, das es gibt, und dann noch einen Erreger, der sich von Mensch zu Mensch überträgt. Geübt wird neben dem Zugriff auf die Täter auch die medizinische Versorgung der Infizierten.

In einem Szenario wie dem eingangs Beschriebenen merken Betroffene und Behörden erst einmal nichts. Erst wenn immer mehr Menschen mit bestimmten Symptomen bei Ärzten und in Kliniken auftauchen, entsteht ein Verdacht, und dann geht die Detektivarbeit los, bis erkannt wird, dass allen Betroffenen gemeinsam ist, dass sie dieselbe Ausstellung besucht haben.

Die Zusammenarbeit der Instanzen ist ein Kernpunkt der europaweit einzigartigen Übung.
Die Zusammenarbeit der Instanzen ist ein Kernpunkt der europaweit einzigartigen Übung.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Zeitgleich mit der Arbeit der Ermittlungsbehörden vollzieht sich also die Arbeit der Gesundheitsschützer: Robert-Koch-Institut und Spezialisten suchen nach den Erregern, die Kliniken versorgen die Patienten, die Feuerwehr hat eine Dekontaminationsstrecke auf dem Gelände aufgebaut. Vier Zelte durchläuft jeder Infizierte: Im ersten zieht er sich nackt aus, im zweiten wird er desinfiziert, im dritten werden die toten Erreger von seiner Haut abgeduscht, im vierten wird ihm frische Wäsche gereicht.

Auf dem riesigen bewaldeten Übungsgelände der Polizei in Ruhleben stehen rohe Betonbauten, ähnlich Wohnblöcken, allerdings ohne Fenster, die einst eigens für die verschiedenen Übungen gebaut wurden.

An diesem Mittwochmorgen haben Einsatzkräfte der GSG 9 – sie ist die einzige Truppe mit den richtigen Schutzanzügen, denn auch die Beamten dürfen nicht gefährdet werden – eine Wohnung gestürmt (die einzige mit Fenstern; sie wurden extra eingebaut). Ein Toter wurde gefunden, der aus der Lunge blutete. Das bedeutet, dass er wahrscheinlich mit Lungenpest-Erregern infiziert ist. Ein Täter wurde angeschossen.

In der Wohnung wird ein bioterroristisches Labor gefunden. In dem Häuserblock sind überall Statisten zu sehen. Über den Verlauf der Übung wird Protokoll geführt. Zwei Jahre Vorbereitung hat es gekostet, ein halbes Jahr wird für die Nachbereitung veranschlagt.

Zwei Jahre Vorbereitung

„Keiner kann eine solche Lage alleine bewältigen“, sagte Kriminaltechniker Holger Ciglasch, ebenfalls Übungsleiter. „Man muss also die Kompetenzen bündeln.“

Berliner Innensenator Andreas Geisel und Dilek Kolat (beide SPD) informieren sich in einem Dekontaminationszelt.
Berliner Innensenator Andreas Geisel und Dilek Kolat (beide SPD) informieren sich in einem Dekontaminationszelt.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Auch Innensenator Andreas Geisel und Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) waren Mittwoch dabei, ebenso Polizeipräsident Klaus Kandt und der Direktor des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler. „Wir müssen üben, auch wenn es derzeit keine konkrete Bedrohungslage gibt“, sagte Geisel. „Es ist besser, wenn wir die Fehler beim Üben machen.“

Es werde weitere Übungen geben; die nächste finde gleich am Samstag auf dem Gelände des Helmholtz-Zentrums statt; es wird ein Unfall des Forschungsreaktors simuliert. Auch ein Blackout-Szenario wird noch kommen. Bereits vor einigen Wochen war am Bahnhof Lichtenberg eine Amoklage simuliert worden. Laut Senatorin Kolat gibt es in Berlin jährlich acht Übungen in Krankenhäusern; diese Zahl soll auf zwölf erhöht werden. Seit dem Jahr 2010 ist dies die vierte Katastrophenschutzübung der Polizei Berlin.

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