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Kultur geht durch den Magen. Die Schwestern und Festivalgründerinnen Leila (li.) und Memona Boutaam hoffen, dass sie ein anderes, vielfältigeres Bild des Islams vermitteln können.

© DAVIDS/Sven Darmer

Biss zum Abendbrot: Das erste Ramadan Food Festival steigt in Friedrichshain

Viele Berliner feiern derzeit den Fastenmonat Ramadan. Für sie und alle Nichtmuslime gibt es nun das erste Ramadan Food Festival.

Von Laura Hofmann

Es fehlte etwas. In Berlin gibt es alle möglichen Food Markets und Food Festivals, „aber die sind nur für Hipster“, sagt Leila Boutaam. Die Französin und Wahlberlinerin hat eine Mission und die basiert auf einem Missverhältnis: In Berlin leben verhältnismäßig viele Muslime, Schätzungen gehen von rund 250.000 aus.

Aber nur wenige Nichtmuslime wissen, was ihre Nachbarn und Kollegen da seit Ende Mai und noch bis zum 24. Juni feiern, bedauert Boutaam. Schade auch, meint die 29-Jährige, dass Iftar – das Fastenbrechen am Abend, bei dem es ums Teilen geht – außerhalb der muslimischen Glaubensgemeinschaft kaum stattfindet. Das will sie jetzt ändern: Zusammen mit ihrer Schwester Memona, 26, hat sie das erste Ramadan Food Festival organisiert, das am Freitag im Friedrichshainer Yaam stattfindet. „Eigentlich hätte es Iftar Food Festival heißen müssen“, sagt Leila Boutaam. Aber wie viele Nichtmuslime können schon etwas mit diesem Begriff anfangen?

Die Schwestern haben eine persönliche Beziehung zum Fastenmonat: Obwohl sie selbst nicht religiös sind, haben sie mit der Familie ihres Vaters in Marokko gefastet, „aus Respekt“. Gefastet und nach Sonnenuntergang gegessen, denn das gehört zusammen. Und jede Familie, jede Nation, hat ihre eigenen Iftar-Spezialitäten. In der Familie Boutaam gehörte dazu Harira, eine Suppe aus Rindfleisch, Kichererbsen, Linsen und Tomaten. Außerdem Eier mit Kreuzkümmel und ein Kuchen aus Sesam und Honig. „Ramadan ist eine Zeit, in der man sich daran erinnert, dass es Leute gibt, die nichts zu essen haben“, erklärt Memona Boutaam. „Man entdeckt dieses Hungergefühl wieder, das man in unserer Gesellschaft kaum noch kennt.“

Feiern auf unterschiedliche Weise

Am Freitag wollen Memona und Leila wieder auf Essen und Trinken verzichten, damit sie pünktlich um 21.34 Uhr das Fasten brechen können, und zwar traditionell mit drei Datteln. Dann folgen ein Glas Wasser oder Milch und schließlich die Speisen. „Wir wollen zeigen, dass Muslime auf aller Welt zwar dasselbe Fest feiern, aber auf ganz unterschiedliche Weise“, sagt Leila Boutaam. Sie hat sich auf die Ethnologie des Essens spezialisiert, ihre Masterarbeit schrieb sie über die Repräsentation der französischen Küche in Berliner Restaurants. Um die Vielfalt der muslimischen Küche und Kultur zu zeigen, wird es am Freitag Kochbananen aus Gambia, frittierte Teigtaschen aus Ghana, Maklouba aus Palästina, Rendang aus Indonesien, Biryani aus Südindien und Fatet Magdus aus Syrien geben.

Maklouba ist ein Gericht aus Fleisch, Reis und frittiertem Gemüse. Rendang ist ein Eintopf mit Rindfleisch, das lange in Kokosmilch und Chili gekocht wurde. Für Biryani wird Reis in Butterschmalz angebraten, dazu gibt es in Joghurt und Papaya mariniertes Fleisch und diverse indische Gewürze.

Hinter Fatet Magdus verbirgt sich ein Hackfleisch-Auberginen-Auflauf mit Tomaten, den beim Festival die Syrer Malakeh und Mohammed zubereiten wollen. Die beiden haben sich auf der Flucht in Jordanien kennengelernt. Im Café Refugio in Kreuzberg gründeten sie die Cateringfirma „Levante Gourmet“. Sogar für die Kanzlerin haben sie schon gekocht.

„Ramadan? Warum machst du das?“

Es sei nicht einfach gewesen, diese Vielfalt abzubilden, erzählt Memona Boutaam. „Auf den Berliner Food Markets wird sonst immer eine Mischung aus verschiedenen Landesküchen angeboten: ein bisschen ägyptisch, syrisch, palästinensisch.“ Diese vereinheitlichte Version der muslimischen Küche kam für die Schwestern nicht infrage.

Sie wollen mit dem Festival auch dem Irrglauben entgegenwirken, alle Muslime seien Araber und umgekehrt. Ein Schlüsselerlebnis hatte Leila Boutaam bei einem Abendessen: Ein Syrer und eine Senegalesin saßen am Tisch. Die Frau aus dem Senegal erzählte dem Syrer etwas über ihre Zeit während des Ramadan. Daraufhin fragte der verwundert: „Ramadan? Warum machst du das?“ Und sie: „Weil ich aus dem Senegal komme.“ „Es gibt Muslime im Senegal?“ „Ja, 80 Prozent der Bevölkerung.“ Immerhin, erzählt Leila Boutaam, mehr als die Hälfte der Muslime leben in Asien.

Auch Musik wird es geben

Die Idee für das Food Festival kam ihr, weil sie den Eindruck hatte, die Medien seien voller negativer Nachrichten über Muslime, immer nur gehe es um Terrorismus, verübt von wenigen Fanatikern. Boutaam bemerkte in der Gesellschaft und im Freundeskreis eine wachsende Islamophobie. Darum soll das Ramadan Food Festival ein Ort sein, an dem Menschen über Essen zusammenfinden.

Weil nicht nur Essen verbindet, gibt es beim Ramadan Food Festival auch einen Ohrenschmaus: Vor dem Fastenbrechen spielt ein Musiker auf dem Balafon, einer Art westafrikanischem Xylofon. Später legt DJ Ipek einen Mix aus türkischem Funk, Disco, Balkanfolk und Deep House auf. Auf 500 Besucher hoffen Leila und Memona. Die nötigen fünf Kilo Datteln haben sie jedenfalls schon gekauft.

Das Festival beginnt am Freitag um 20 Uhr im Yaam, An der Schillingbrücke 3. Eintritt auf Spendenbasis. Gerichte zwischen drei und acht Euro. Mehr Infos: www.yaam.de

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