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Berlin: Blaualgen-Pest läßt Grüne rot sehen

BERLIN .Mit der Blaualgenplage ist der Streit um die Gefährlichkeit dieser Algen wieder entbrannt.

BERLIN .Mit der Blaualgenplage ist der Streit um die Gefährlichkeit dieser Algen wieder entbrannt.Nachdem die ganze Unterhavel sich am vergangenen Bade-Wochenende in eine giftgrüne Suppe verwandelte, forderten die Grünen ein Badeverbot.Deren Sprecher Hartwig Berger warf dem Senat Leichtfertigkeit und Verharmlosung vor.Die Senatsgesundheitsverwaltung lehnt ein Verbot weiterhin als sinnlos ab.Es sei "undurchsetzbar und auch unkontrollierbar".Die Algen seien nicht gefährlich, sondern nur ein "ästhetisches Problem".

Licht und Hitze bringen die Blaualgen zum Blühen, je nach Windrichtung wird die grüne Suppe dann an den Strand gespült.Der Badebetriebsleiter im Strandbad Wannsee versteht die Aufregung um die Algen aber nicht."Da hat doch keiner ein Problem mit", glaubt Horst Schwabe.Am Sonntag, als 5000 Besucher sich tummelten, habe lediglich ein verhinderter Schwimmer sich beschwert und das Eintrittsgeld zurückverlangt.Zwar zuckten morgens die ersten Schwimmer zurück, wenn der Wannsee wie grüner Glibber an den Strand schwappt."Wenn erst einer drin ist, dann trauen sich die anderen auch", berichtet Schwabe vom Alltag mit der Blaualge.Das Problem sei in jedem Sommer das gleiche, von einem Badeverbot hält er gar nichts.

Das sehen einige seiner Besucher anders.Eine Neuköllner Mutter hatte gestern mit ihren beiden Mädchen Glück, daß der Wind die dickste Brühe weggetrieben hatte.Sie hat sich jedoch als Folge der Zeitungsberichte telefonisch nach der Lage erkundigt."Wenn man Kinder hat, macht man sowas", meinte sie gestern Mittag: "Das soll ja gefährlich sein." Da die dreijährige Miriam und die sechsjährige Larissa ohnehin unter Hautproblemen litten, sei sie sehr vorsichtig.Die Meinung des Bademeisters hält sie für geradezu fahrlässig.In Blaualgen dürften Larissa und Miriam ganz sicher nicht planschen.

Anderes Kind, andere Mutter: Der fünfjährige Pascal planschte gestern mit Freude in einer giftgrünen Pfütze - aus dieser konnte der Wind die Algenteppiche natürlich nicht wegblasen.Durch den Westwind am Wochenende hatte sich das grüne Zeug an den beliebtesten Badestellen an der Unterhavel, im Strandbad Wannsee und im Müggelsee-Freibad Rahnsdorf zunächst extrem gesammelt, am Wochenanfang blies der - ablandige - Ostwind die Brühe wieder weg.

Der Berliner Senat und das Landesamt für Gesundheitsschutz halten bei Blaualgen ein Badeverbot nicht für nötig.Einerseits hält der Senat, wie berichtet, die Gefahren für weit geringer als die Grünen und das Umweltbundesamt.Zudem sei ein Badeverbot nicht durchsetzbar, da sich die Algen(p)lage sehr schnell ändern könne, und durchsetzbar und kontrollierbar sei ein Verbot auch nicht.Man empfehle jedoch empfindlichen Menschen, sich nach dem Schwimmen abzuduschen und den Badeanzug zu wechseln.Denn zwischen Stoff und Haut bleiben die Algen gerne haften.Dazu ein Tip des Tagesspiegels: Auch Bikini und Badehose sollten schnell ausgewaschen werden, denn die Algen färben manche Stoffe nachdrücklich grasgrün - bis nur noch Gallseife hilft.

Der Senat ist nur Fäkalkeimen auf der Spur.An 32 Stellen - 13 Freibäder und 19 Strände - werden alle 14 Tage Proben genommen und auf Fäkalkeime untersucht.Derzeit gebe es nur am Griebnitzsee eine Überschreitung.Verboten ist das Baden dort nicht - denn es ist keine offizielle Badestelle.Man solle das Schwimmen aber besser sein lassen, sagt Roswitha Kröger vom Landesamt für Gesundheitsschutz.Nicht empfohlen ist das Baden generell in diesen Seen: Kleiner Wannsee, Pohlesee, Stölpchensee, Griebnitzsee und Glienicker Lake.Diese sind mit dem Teltowkanal verbunden, und der besteht vor allem aus Abwasser.Im Mai hatte es nach starken Regengüssen Probleme im Halensee und im Stößensee gegeben.Denn die Blaualgen entstehen, weil Landwirtschaft und Kläranlagen zuviel Nährstoffe ins Wasser leiten.

Gefährliche Hexensuppe

Blaualgen können Haut, Augen und Schleimhäute reizen und Durchfall verursachen

Giftgrün, schlierig und so trübe, daß selbst in niedrigem Wasser die Füße verschwinden: Viele Berliner Gewässer sehen zur Zeit wie eine solche Hexensuppe aus.Aber ihr Befall mit Blaualgen ist nicht nur ein ästhetisches Problem.Von den Mikroorganismen, die genau genommen keine Algen, sondern sogenannte Cyanobakterien sind, drohen gesundheitliche Gefahren.Wer beim Baden die Brühe schluckt oder sie danach nur unzureichend von der Haut abwäscht, sollte zwar nicht gleich zum Notarzt eilen - mit manchen Unannehmlichkeiten muß er aber rechnen.

Nach Auskunft des Umweltbundesamtes (UBA) geben die spinatgrünen Algen toxische Substanzen ab, die vor allem bei Allergikern Haut, Augen und Schleimhäute reizen und Jucken verursachen können und bei empfindlichen Menschen Fieber sowie Magen- und Darmbeschwerden bis zu starkem Durchfall hervorrufen.Das haben Forschungen verschiedener deutscher Wissenschaftler bestätigt.Besonders gefährdet sind Kinder, die im Uferbereich arglos spielen.Deshalb gilt als Faustregel: Besser aufs Baden verzichten, wenn in kniehohem Wasser der Boden nicht mehr zu sehen ist und die Algen auf der Wasseroberfläche spinatähnliche Schichten bilden.Das ist besonders in ruhigen Buchten mit langsamer Strömung der Fall.Wer sich ins Nasse stürzt, sollte auf jeden Fall nichts verschlucken, den Badeanzug danach rasch ausziehen, gut waschen und sich gründlich abduschen. cs

JÖRN HASSELMANN

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