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Berlin: Blaue Männer und Austern gegen die Ungeduld

Viele Prominente wollten zu den ersten Lesern des neuen Tagesspiegel gehören und feierten mit Verlag und Redaktion die Zeitung der Zukunft. Einige der schönsten Programme des kulturellen und kulinarischen Berlin verkürzten die Wartezeit

Für ein wirklich gelungenes Fest braucht man etwas Neues, etwas Altes, etwas Geliehenes und etwas Blaues. Warum soll, was für Hochzeiten gilt, nicht auch für die Party zu Ehren einer altvertrauten Zeitung in einem neuen Gewand gelten? Rund tausend Gäste waren in das Spiegelzelt von „Pomp, Duck and Circumstance“ am Gleisdreieck eingeladen worden. Sie wollten als Erste ein druckfrisches Exemplar des neuen Tagesspiegels in Händen halten und den Start einer neuen Epoche kräftig mitfeiern. Auch viele Prominente, unter anderem Minister Otto Schily, seine Kollegin Renate Künast, die Schauspieler Natalia Wörner, Anna Loos und JanJosef Liefers, Abgeordnetenhaus-Präsident Walter Momper, der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und sein Vorgänger Eberhard Diepgen sowie Altbundespräsident Walter Scheel hatten dieses Ereignis auf ihre Agenda gesetzt. Tagesspiegel-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, Herausgeber Hellmuth Karasek, Geschäftsführer Joachim Meinhold und Beiratsvorsitzender Michael Grabner wollten sie persönlich begrüßen. Über die Zeitung der Zukunft, die veränderten Lebens- und Lesegewohnheiten wirklich entspricht, gibt es viel zu erzählen, viel zu meinen, auch viel zu spekulieren. Dieser Abend sollte vielen Gelegenheit dazu bieten – auch, um über den Auftritt der Blue Man Group aus Amerika zu staunen. Gut, dass die blauen Männer so cool und so witzig sind. Mit ihrer ungewöhnlichen Performance sollten sie die Zeit ein bisschen schneller vergehen lassen, bis Chefredakteur Giovanni di Lorenzo die druckfrische Zeitung präsentieren würde: „Ein Jahr lang haben wir am neuen Tagesspiegel gefeilt, und Sie sind heute die Ersten, die ihn zu sehen bekommen.“

Bis das neue Produkt die Aufmerksamkeit der Gäste fesseln konnte, war reichlich Ablenkung geplant, ein Feuerwerk aus neuen und alten Höhepunkten des Berliner Kulturlebens. Dass die coole Blue Man Group das Zeug hat, zum Darling des jungen Berliner Showlebens zu werden, hatte sie dem begeisterten Premierenpublikum im Musical Theater am Potsdamer Platz bereits letzten Sonntag bewiesen. Hier wollten sich die frischen Newcomer mit einigen der schönsten Programmen, die die Stadt ihren Bewohnern und Gästen zu bieten hat, messen.

Das Palastorchester mit seinem Sänger Max Raabe, noch verwöhnt von der Begeisterung der New Yorker, wollte kräftig gefeiert werden, die Deutsche Oper präsentierte Sopran Andion Fernandez und Tenor Yosep Kang präsentieren und der Friedrichstadtpalast das Olympiateam der Sportgymnastik. Backstage sollten die Cheerleader von Berlin Thunder Stimmung machen, und das Elixia-Team wollte gute Vorsätze bereitwillig mit Trainingstipps und Wohlfühlmassagen untermauern. Einen Platz an der Wellness Barhatten Evi & Das Tier samt Piano und urkomischer Studie über die Abgründe der Erotik gebucht. Natürlich wollte auch das total überdrehte Pomp-Duck-Ensemble mit am Ball sein.

Auch kulinarisch war Neues und Bewährtes konzipiert worden in der eigens für dieses Ereignis in die klassischen Zeitungsressorts aufgeteilten Pomp-DuckLandschaft. Die Küche stand unter dem Motto „Berlin“, da wird schließlich besonders heiß gekocht. Auf der Speisekarte dort standen unter anderem „Japanische Frühlingsrolle mit Bison und Karotten-Chilipüree“. Die Kultur residierte etwas kerniger im Spiegelzelt, wollte unter anderem Sushi servieren. Noch klassischer ging’s bei der Politik im Garten zu, wo sich das KaDeWe mit einer Austernbar präsentieren wollte.

Das Küchenteam des Hauses hatte im Foyer, das der Wirtschaft gewidmet war, Spezialitäten vorbereitet, wie Topbosse sie lieben, Artischockensuppe mit Gruyere-Schaum zum Beispiel oder Waldmeister-Sangria mit Mousse Blanc. Bei allem Feiern sollte es an diesem Abend vor allem um die Zukunft der Zeitungen gehen.

„Wir wollen zeigen, dass man auch in schwierigen Zeiten eine attraktive Zeitung gestalten kann“, sagte Giovanni di Lorenzo. Es gehe nicht nur um den Tagesspiegel, „obwohl wir an dessen Zukunft ganz besonders glauben“. Es gehe um alle Kollegen bei Qualitätszeitungen, die kämpfen müssen, aber keinen Grund zum Verzagen haben: „Wir werden das meistern. Und es geht um unsere Leser, deren Wünsche wir ernster nehmen müssen als je zuvor.“

Das vierte Element, das eine Hochzeit wie ein Zeitungsfest braucht, um wirklich rund und gelungen zu sein, ist etwas Geliehenes. Das soll Glück bringen. In diesem Fall hatte der Verlag Zelte und Heizstrahler gegen die Unwägbarkeiten des Frühlingswetters geliehen. Glück braucht man einfach bei aller Kompetenz, bei allem Fleiß und allem Kraftaufwand, den ein solcher Relaunch verlangt, immer noch dazu.

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