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Berlin: Blindwütige Passagiere

In der S-Bahn richten Vandalen immer größere Schäden an – und werden auch gegen Menschen zunehmend gewalttätig

Risse in der Frontscheibe, gesprungene Fenster, aufgeschlitzte Polster, herausgerissene Sitzbänke und überall Schmierereien: Der S-Bahnzug auf dem Bahnhof Potsdamer Platz macht einen erbärmlichen Eindruck. Techniker haben hier zu einer eindrucksvollen Collage vereint, was Chaoten in zwei Wochen an Zerstörungen hinterlassen haben. Nicht die Zahl der Fälle steigt, wohl aber der Umfang der Schäden. Vier Millionen Euro musste die S-Bahn Berlin 2003 für deren Beseitigung ausgeben, fast ein Drittel mehr als im Vorjahr. „Das ist nur ein Beispiel von dem, was wir erleben“, sagt S-Bahn-Sprecher Ingo Priegnitz. Er verweist auf ähnliche Randale in Parkanlagen, an Denkmälern und Hauswänden: „Berlin hat ein Vandalismusproblem.“

„Schauen Sie nicht weg“, ist das Motto der Kampagne, die bewusst am gestrigen „Tag der Kriminalitätsopfer“ gestartet wurde. Denn „Gewalt gegen Sachen ist eine Vorstufe zur Gewalt gegen Menschen“, so Sabine Hartwig, die Landesbeauftragte des „Weißen Rings“, der Kriminalitätsopfer unterstützt und Straftaten verhindern will.

Schon jetzt sind die Grenzen fließend. Gerade die Graffiti-Sprayer, die sich besonders gerne an den in den Wendekehren im Ostteil der Stadt geparkten Waggons austoben, sind zunehmend zu Gewalt bereit, sagt Ellen Karau, Sicherheitsberaterin der S-Bahn. Immer wieder werden Angehörige des Wachpersonals verprügelt, mit Steinen beworfen oder sogar mit Messern angegriffen. Rund 14 Viertelzüge sind ständig in der Werkstatt, weil Vandalismusschäden beseitigt werden müssen, berichtet der zuständige Fachbereichsleiter Arnold Nitsch. 145000 Schmierereien, 18000 zerstörte Sitzpolster und 2325 beschädigte Scheiben sind die Bilanz des vergangenen Jahres.

„Die Täter sind so mobil wie wir“, hat Nitsch festgestellt. Konzentrieren sich die Ordnungshüter auf vermeintliche Schwerpunkte, ziehen die Vandalen weiter. Oft sind es Wiederholungstäter. 131 Täter wurden laut Bundesgrenzschutz (BGS) im vergangenen Jahr ermittelt. Neben Strafverfahren kommen hohe Schadensersatzforderungen auf sie zu. Ein kaputtes Fenster kostet 600 Euro, der Ersatz einer demolierten Sitzbank 280 Euro. Der Verein „pad“ betreibt nicht nur Präventionsarbeit, sondern hat seit 1996 auch 542 Jugendliche betreut, die ihre Schulden bei der S-Bahn abgearbeitet haben. Bei einem Stundensatz von 5,50 Euro, beispielsweise für die Reinigung von Bahnhöfen, kamen so bisher rund 85 000 Euro zusammen.

Obwohl die S-Bahn bis zu 600 Euro Belohnung zahlt, gehen bisher jährlich nur etwa 120 Hinweise auf Vandalismus ein. Deshalb hofft die Allianz aus Verkehrsunternehmen, Polizei und Präventionsträgern auf mehr Zivilcourage. Niemand sollte aber versuchen, selbst einzugreifen, mahnt Polizeioberrätin Martina Leißner, Leiterin der BGS-Inspektion Bahnhof Zoo. Es reiche, entsprechende Taten mit einer genauen Täterbeschreibung telefonisch (BGS-Hotline 01805/234566) oder beim Personal des nächsten Bahnhofs zu melden.

Rainer W. During

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