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Berlin: Bloß kein Hollywood-Kitsch

Das Babylon in Mitte zeigt ab heute junges rumänisches Kino

Der Flughafen Tempelhof ist nichts dagegen. Palatul Parlamentului, der gigantische Palast im Herzen von Bukarest, ist gleich nach dem Pentagon das zweitgrößte Gebäude der Welt. Als der rumänische Diktator Nicolae Ceausescu ihn in den achtziger Jahren bauen ließ, kostete das 3,3 Milliarden Dollar und damit sagenhafte 40 Prozent des rumänischen Bruttosozialprodukts. Das klingt nach viel, selbst für einen Mann, der sich von seinen Untertanen am liebsten mit „Sohn der Sonne“ oder „Genie der Karpaten“ ansprechen ließ. Ceausescus Palast ist der Star der Installation „Palace“, die heute Abend im Rahmen des Filmfestivals „Bucuresti-Berlin“ im Kino Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz zu sehen ist. Sechs Tage lang zeigen Kuratorin Ulla Drenckhan und ihr rumänischer Kollege Julian Morar hier Produktionen aus und über Bukarest – nicht nur, weil Rumänien seit Anfang des Jahres EU-Mitglied ist, sondern weil sich in Bukarest eine junge, sehenswerte Filmszene etabliert hat. An Kreativität vergleichbar mit der Berlins, sagt Morar, nur die Infrastruktur aus Produktionsfirmen und Förderungsmöglichkeiten müsse noch wachsen.

Früher hatten es rumänische Filmemacher schwer: Im Kommunismus mussten sie Propaganda für Ceausescu drehen. Nach dem Sturz und der Hinrichtung des Diktators im Dezember 1989 konnten sie zwar frei arbeiten – aber kaum einer wollte ihre Filme sehen. Die eigene Bevölkerung zog Hollywood-Blockbuster vor, also waren Produzenten auf Einnahmen im Ausland angewiesen. Bis Cristi Puiu 2005 „Der Tod des Herrn Lazarescu“ herausbrachte und dafür 2005 in Cannes ausgezeichnet wurde. Das war der Startschuss der Szene.

Puius Werk wird am Sonntag im Babylon gezeigt, wie alle Produktionen im Original mit englischen Untertiteln. Viele handeln von den Tagen der Revolution oder der Unsicherheit des Einzelnen im Kapitalismus danach. Der heutige Eröffnungsfilm „The Paper Will Be Blue“ (Beginn ist um 19.30 Uhr) zeigt die Wirren des Umsturzes: Das sei vielleicht der einzige Krieg gewesen, „wo niemand wusste, auf wen man eigentlich zu schießen hatte“, sagt der Regisseur. Filme über Umbruchszeiten kennt man ja zuhauf, erklärt Kuratorin Drenckhan, gerade in Deutschland – aber keine, die so exakt und unpathetisch zeichnen wie die rumänischen. „Da fallen sich Menschen nicht in die Arme, da wird auch nicht auf Mauern getanzt.“ Nicht mal auf denen des Ceausescu-Palasts. Für das junge rumänische Kino gilt: Es ist niemals kitschig, nie glamourös, man findet weder dramatische Liebes- noch übertriebene Heldengeschichten. Und wenn doch mal ein Held vorkommt, ergänzt Julian Morar, dann sehe der „ganz anders aus als die in Hollywood“.

Das Festivalprogramm findet man unter www.babylonberlin.de. Tel.: 24 25 969.

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