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Berlin: „Bloß keine Polizei“

Filmproduzent Artur Brauner wird mit Mord bedroht, doch seine Frau rät von einer Anzeige ab

Morddrohungen sind im Leben Artur Brauners nichts Ungewöhnliches. In unzähligen anonymen Drohbriefen und Anrufen ist dem Filmproduzenten und Holocaust-Überlebenden über Jahrzehnte regelmäßig der Tod gewünscht worden. Der 84-Jährige geht auf eigene Art mit der traurigen Routine um. „Er macht sich nichts mehr daraus“, sagt Maria Brauner, seit über 50 Jahren die Frau an seiner Seite, „und er redet auch nicht darüber.“

Jetzt hat Brauner doch gesprochen. Seit Wochen drohe man ihm telefonisch, er werde die Deutschland-Premiere seines Films „Babij Jar“ bei der Berlinale nicht mehr zu erleben, erzählte er in Los Angeles. Auch sei angekündigt worden, Kinos zu demolieren, die den Film über das Massaker der Wehrmacht an 30000 ukrainischen Juden 1941 zeigen. „Der Telefonterror ist furchtbar, doch ich habe keine Angst“, sagte Brauner.

Die Berliner Polizei weiß nichts von den Morddrohungen. Brauner verzichtete bisher auf eine Strafanzeige. „Da wir den Wortlaut der Drohungen nicht kennen, können wir auch nicht sagen, ob es sich um ein Offizialdelikt oder ein Antragsdelikt handelt“, sagte ein Beamter vom polizeilichen Lagedienst. Während Offizialdelikte verfolgt werden müssen, sobald die Behörden davon erfahren, kann die Polizei bei Antragsdelikten nur ermitteln, wenn der Geschädigte die Tat anzeigt.

Von einer Anzeige hält Maria Brauner allerdings nichts. „Bloß keine Polizei“, sagt sie, „dabei kommt doch nichts heraus. Am besten, man ignoriert diese Drohungen.“ Auch ihr Mann habe ihr nichts von den Anrufen gesagt. „Ich weiß nicht, wo und wann er das erzählt haben soll. Es war sicher nicht in seinem Interesse, das in die Öffentlichkeit zu tragen. Manchmal sagt man eben Dinge und bereut es hinterher.“

Maria Brauner will mögliche Nachahmer nicht zu neuen Taten herausfordern. Angst habe sie keine. „Wer das Todeslager überwunden hat, dem ist vor nichts mehr bange.“ Besonders viele Morddrohungen habe ihr Mann während der gerichtlichen Auseinandersetzung mit dem ehemaligen SS-Hauptsturmführer Erich Priebke erhalten. Ihm hatte Brauner im Februar 2000 in einem Zeitungsinserat vorgeworfen, als „Kriegsverbrecher (…) Zigtausende auf dem Gewissen“ zu haben. Priebkes Klage auf Unterlassung der Äußerung wurde abgewiesen. Drohanrufe erhielt Brauner auch vor dem Großbrand in seinen CCC-Filmateliers Anfang 1997. Die Polizei ging damals von Brandstiftung aus, der Täter blieb unbekannt.

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