zum Hauptinhalt
Update

Bluttat in Neukölln: Polizei sucht dringend Zeugen

Die Hintergründe der tödlichen Schüsse in Buckow in der Nacht zum Donnerstag sind der Polizei weiterhin unklar. Bislang gingen bei den Ermittlern rund zehn Hinweise ein. Darunter befand sich jedoch keine heiße Spur.

Auf einen der Hinweise hin wurde ein Mann untersucht, der Verdacht erhärtete sich aber nicht. Der Mann wurde wieder gehen gelassen. Die Polizei bittet darum erneut die Bevölkerung dringend um Mithilfe. Das Präsidium präzisierte, dass der gesuchte, etwa 1,80 Meter große Mann einen grün-schwarzen Kapuzenjacke mit Reißverschluss getragen habe. Nach der Tat sei er in den Möwenweg hineingelaufen.

Wer hat in diesem Bereich, auch vorher, ungewöhnliche Geschehnisse wahrgenommen? Wer wurde Zeuge des Vorfalls und hat sich bislang nicht bei der Polizei gemeldet? Wer kann Angaben zu dem unbekannten Schützen machen, fragt die Polizei. Hinweise nimmt die Polizei unter der Rufnummer (030) 4664 - 911 601 entgegen und in jeder Polizeidienststelle.

Am Tatort finden sich Spuren der Trauer. Vier Seiten DIN-A4-Karopapier voller Worte der Verzweiflung, Trauer und des Entsetzens liegen am Baum inmitten von Blumen wie vielen roten Rosen auf der Erde. „Burak, mein Schatz, Ich zittere noch am ganzen Körper, ich werde nie wieder deine Lippen berühren – In ewiger Liebe“, ist der Brief unterzeichnet.

An der Stelle, wo der 22-jährige Burak B. in der Nacht zu Donnerstag von einem bislang unbekannten Täter erschossen wurde und zwei junge Männer schwer verletzt wurden, ist noch das dunkle Blut auf den Gehwegplatten zu sehen. Am Tag danach halten hier, auf der Straßenseite gegenüber dem Vivantes-Klinikum Neukölln ständig Autos an, vor allem Männer aus Migrantenfamilien steigen aus, schütteln den Kopf, gedenken des Getöteten. Auch viele Passanten lesen die letzten Grüße von Familie und Freunden am Tatort an der Rudower Straße 51. „Burak – Zeiten vergehen, Erinnerungen bleiben...“ ist auf dem Leinwandplakat am Baum zu lesen, „Wir werden diese Tat nie vergessen“. Und direkt darunter steht: „Deutschland, wir wollen Gerechtigkeit“, mit einer Zeichnung, die ein durchgestrichenes Hakenkreuz darstellt. Doch derzeit ist völlig unklar, wer und aus welchem Grund auf eine Gruppe Migranten in Britz die Schüsse abfeuerte.

Das Opfer Burak B. ist in Neukölln groß geworden. Er besuchte die Hans-Fallada-Grundschule nahe der Sonnenallee. Seit etwa einem Jahr besuchte er im benachbarten Treptow regelmäßig eine Wing-Tsun-Schule, die Kampfsportart ist auch als Kung Fu bekannt. Sein Lehrer beschrieb Burak B. äußerst positiv: „Er ist nie negativ aufgefallen.“ Er habe auch nie mit teuren Dingen geprahlt. „Die Tat ist sehr schwer zu verstehen“, sagte Kenan Yilmaz von der Wing-Tsun-Schule.

Im Internet war B. in verschiedenen sozialen Netzwerken aktiv, darunter auch einer Online-Flirt-Vermittlung. Am Tatort kursierten Gerüchte, dass eine angeblich kürzlich gescheiterte Beziehung der Hintergrund sein könne, dies wurde von der Polizei nicht bestätigt. Dies sei schon deshalb nicht recht wahrscheinlich, weil auf gleich drei Männer gefeuert wurde. Neben dem 22-jährigen türkischstämmigen B. traf es einen 16-Jährigen aus Russland und einen 17-Jährigen arabischer Herkunft.

Die Polizei hat nur eine vage Täterbeschreibung

Vor knapp zwei Wochen fotografierte Burak B., wie offensichtlich Freunde von ihm auf dem Kurfürstendamm von der Polizei festgehalten und durchsucht wurden und postete diese auf Facebook. Anschließend machen sich die Freunde über die Polizeiaktion lustig. Worum es tatsächlich ging, wird nicht klar, auch nicht, ob B. selbst Ziel dieses Polizeieinsatzes war. Offen blieb gestern, ob die Opfer der Polizei in der Vergangenheit durch Straftaten aufgefallen sind, die Polizei hielt sich auffallend mit Informationen zurück. Es werde „in alle Richtungen ermittelt“, dieser Standardsatz war immer wieder zu hören. Türkische Medien kommen in ihrer Berichterstattung auf die Neonazi-Mordserie zurück, stellen aber keinen Zusammenhang her.

Am Donnerstag und am Karfreitag wurden zahlreiche Zeugen des Geschehens befragt. Einer der beiden verwundeten Jugendlichen konnte im Krankenhaus kurz von den Ermittlern befragt werden, auch er gab an, den Schützen nicht gekannt zu haben. Ergänzen konnte er die bislang bekannte sehr dürre Beschreibung durch die beiden unverletzt gebliebenen Männer aus der Gruppe nicht.

Unterdessen brechen erwachsene Männer am Tatort in Tränen aus, dort, wo dutzende Freunde die Gedenkplakate vor den Kerzen und Rosen unterschrieben haben. Ein Deutschtürke schüttelt den Kopf, er arbeitet im Krankenhaus Neukölln im Bereich Logistik und Transport und wohnt gleich nebenan. „Ich bin durch die Schüsse aufgewacht, habe noch die Männer am Boden liegen sehen.“ Waffen jeglicher Art gehörten verboten, sagt der Mann, er seit 35 Jahren in Deutschland lebt. „Unfassbar, dass der Täter noch frei herumläuft. Wo hat er seine Waffe her? Die gehören verboten, alle Schusswaffen, alle Stichwaffen.“

„Wir sind alle Gottes Kinder“ und: „Gib der Familie Kraft“, hat jemand auf das Leinwandplakat am Baum geschrieben. Davor steht auch ein junger Mann aus Kreuzberg, Sebastian. Er hat eine weiße Rose abgelegt, dann nimmt er sein Käppi ab und senkt den Kopf. „Unabhängig vom Hintergrund der Tat ist es mir wichtig, hierher gekommen zu sein“, sagt der junge Mann, „und sollte es wirklich ein rechtsradikaler Täter gewesen sein, dann noch um so mehr.“

Viele der jungen Männer mit migrantischer Geschichte wollen jedoch nicht mit der Presse reden, winken bei den Anfragen der Kamerateams ab. „Wenn das Ihr Verwandter gewesen wäre, würden Sie in einem solchen Moment gern mit Fremden reden?“, sagt einer. Und: „Ein Freund, ein Bruder, ist tot.“

Zeugen werden gebeten, sich mit der 6. Mordkommission des Landeskriminalamtes in der Keithstraße 30 in Tiergarten unter der Rufnummer (030) 4664 - 911 601 in Verbindung zu setzen oder sich bei einer anderen Polizeidienststelle zu melden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false