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Die 100 Kilogramm schwere Goldmünze "Big Maple Leaf" wurde im März 2017 aus den Bode-Museum gestohlen.

© dpa

Bode-Museum: Prozess gegen mutmaßliche Goldmünzen-Diebe beginnt

Vor knapp zwei Jahren wurde die Goldmünze „Big Maple Leaf“ aus dem Bodemuseum gestohlen. Nun wird den Verdächtigen der Prozess gemacht.

Drei Männer kamen ganz in Schwarz und hatten die Kapuzen ihrer Jacken tief ins Gesicht gezogen. Sie stiegen über ein Fenster in das Bode-Museum ein und stahlen eine 100 Kilogramm schwere Goldmünze. Die „Big Maple Leaf“ mit einem Durchmesser eines Autoreifens und mit einem damaligen Goldwert in Höhe von 3,75 Millionen Euro wurde mit Rollbrett und Schubkarre zum Fluchtauto bugsiert. Knapp zwei Jahre nach dem ebenso dreisten wie spektakulären Coup stehen ab Donnerstag vier Männer vor dem Landgericht.

Der Zuschauerandrang wird enorm sein, wenn im Saal 700 der Prozess gegen Wissam R., Ahmed R., Wayci R. und Denis W. beginnt. Den 20 bis 24-Jährigen wird gemeinschaftlicher Diebstahl in einem besonders schweren Fall zur Last gelegt. Allerdings befindet sich keiner der Verdächtigen in Untersuchungshaft. Drei der Männer gehören zu einer einschlägig bekannten, weit verzweigten deutsch-arabischstämmigen Großfamilie. Die Brüder Ahmed R. und Wayci R. sowie ihr Cousin Wissam R. sollen in der Nacht zum 27. März 2017 unbemerkt über ein Fenster im 2. Obergeschoss in das Museum eingestiegen sein. Das Trio soll eine Vitrine zertrümmert und das Goldstück weggeschleppt haben.

„Big Maple Leaf“ gilt als die zweitgrößte Goldmünze der Welt

Der vierte Angeklagte war damals als Wachmann in dem Haus auf der Museumsinsel tätig. Der 20-jährige W., der bei einem Subunternehmen angestellt war, soll dem Trio wichtige Hinweise zu den Räumlichkeiten und Sicherheitsvorkehrungen gegeben haben. Die Staatsanwaltschaft geht in ihrer Anklage davon aus, dass die Angeklagten den Coup zehn Tage im Voraus planten.

Die „Big Maple Leaf“ gilt als die zweitgrößte Goldmünze der Welt. Sie hat einen Durchmesser von 53 Zentimetern. Es wurden nur fünf Exemplare von der kanadischen Münze mit dem Bildnis von Königin Elisabeth II. geprägt. Als Leihgabe eines Privatmannes war sie seit 2010 im Bode-Museum zu bestaunen. Doch was nach dem Diebstahl mit ihr geschah, ist ungewiss. Ermittler befürchten, dass sie zerteilt oder eingeschmolzen und Stück für Stück verkauft wurde. Viel Hoffnung haben die Ermittler jedenfalls nicht, die Münze wiederzufinden.

Überwachungsvideos des Bahnhofs zeigen die mutmaßlichen Münz-Diebe

Waren es die drei Mitglieder der Großfamilie R., die in jener Nacht um drei Uhr vom S-Bahnhof Hackescher Markt vermummt über die Gleise liefen? Überwachungsvideos des Bahnhofs zeigen die mutmaßlichen Münz-Diebe. Sie sollen bereits in zwei Nächten vor der Tat am Museum gewesen sein.

Die Einbrecher kletterten vermutlich vom Bahndamm über eine Leiter in eines der Fenster der Umkleidekabine für Mitarbeiter. Es war offenbar nicht an das Alarmsystem des Gebäudes angeschlossen. Sie schlichen dann zum Münzkabinett. Mit einer Axt sollen sie das Panzerglas der Vitrine, in der sich die „Big Maple Leaf“ befand, zerschlagen haben. Die Münze sei wohl per Rollbrett zum Fenster geschoben, auf die Gleise gekippt und schließlich mit einer Schubkarre zum Auto gebracht worden. Am Tag nach dem Coup fand die Polizei das schlichte Tatwerkzeug.

Die intensiven Ermittlungen führten zum Verdacht gegen den damaligen Wachmann Dennis W. Er war bereits in der Vergangenheit durch Straftaten aufgefallen. Und er soll nach der Tat für mehr als 10 000 Euro eine Goldkette gekauft und sich für einen Luxuswagen interessiert haben. Über ihn gelangten die Ermittler zu den drei Clan-Mitgliedern. Im Juli 2017 schließlich eine groß angelegte Razzia. Rund 300 Einsatzkräfte waren in Neukölln und Brandenburg im Einsatz. Die Verdächtigen wurden festgenommen, kamen aber bald wieder frei. In einem Wagen der Täter fanden die Ermittler Goldspuren.

Es geht um organisierte Kriminalität

Nach weiteren Ermittlungen gegen den Clan wurden im Juli dieses Jahres 77 Immobilien im Wert von 9,3 Millionen Euro beschlagnahmt, die Angehörige der Familie mit dem Erlös verschiedener Delikte erworben haben sollen – auch aus den Erlösen des Goldmünzen-Diebstahls, vermuten die Ermittler. Bei vielen Immobilien sollen Strohleute im Libanon für den Clan als Käufer aufgetreten sein.

Mitglieder der Großfamilie waren bereits in der Vergangenheit spektakulär durch Einbrüche aufgefallen. Es geht um organisierte Kriminalität. So war mit Toufic R. ein Mitglied des Clans auch an einem Überfall auf eine Sparkasse in Marienfelde beteiligt. Die Täter plünderten damals mehr als 300 Bankschließfächer. Sie nahmen Geld, Schmuck und Gold im Wert von insgesamt fast zehn Millionen Euro mit. Ein Bruder von Toufic R. soll sich Ermittlungen zufolge nach dem Überfall Eigentumswohnungen gekauft haben. Auch der Mord an einem Mann in Britz im Mai 2017 wegen eines Schuldscheins soll auf das Konto des Clans gehen.

Der Prozess um den Münz-Diebstahl läuft vor einer Jugendstrafkammer, weil zwei der vier Angeklagten zur Tatzeit noch unter 21 Jahre alt, also Heranwachsende waren.

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