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Der italienische Garten ist das Herzstück des Botanischen Gartens in Berlin-Dahlem.

© Sven Darmer

Blühende Baustelle: So wird das Herzstück des Botanischen Gartens in Berlin saniert

Der Italienische Garten in Dahlem soll zu alter Schönheit zurückfinden. Ein Besuch zwischen Baggern und Bäumen.

Die Libelle hat den Menschen seit jeher fasziniert. Schon den Germanen galt sie als heilig, war der Frühlingsgöttin Freya zugeordnet, was sie den christlichen Missionaren verdächtig machte. Auch als Kunstmotiv hat sie sich bewährt. Renaissancekünstler Leonardo da Vinci etwa hat eine gezeichnete Libellenstudie hinterlassen und Zeitgenosse Albrecht Dürer nach seiner ersten Italienreise einen Kupferstich der Heiligen Familie geschaffen, mit dem sogar titelstiftenden Insekt winzig unten rechts.

Doch an diesem Tag im März sind im Botanischen Garten noch keine Libellen zu entdecken, jedenfalls keine echten. Aber wenn man, die großen gläsernen Dahlemer Gewächshäuser im Rücken, die amphitheaterartige Senke hinunterspaziert bis es nicht mehr weiter geht, sich umdreht und die Fantasie ein wenig spielen lässt: Ja, dann steht man am Ende einer riesenhaften Libelle, der Grundform des dortigen Italienischen, der Renaissance verpflichteten Gartens.

Genau abgezirkelt laufen zwei Reihen allerdings barocker Pflanzkübel mittig auf das Ensemble der Gewächshäuser zu, woran sich, dem dreiteilige Brustbereich einer Libelle ähnlich, der runde Dreiklang der Brunnenanlage anschließt, flügelhaft flankiert von den beiden einzigen offiziellen Liegewiesen des Botanischen Gartens.

Ein idyllischer Ort, für Gartenbetriebsleiter Thorsten Laute geradezu das „Herzstück des Gartens“, stilistisch eben an die italienische Renaissance angelehnt durch die symmetrische Anlage und die auf Form geschnittenen Gewächse, wie er erläutert. In der Grundform der Libelle aber sieht er eher den Einfluss des Jugendstils, in dem dieses geflügelte Motiv zu besonderen Ehren gelangt war.

Und der Jugendstil stand nun mal um 1900 in voller Blüte, als der berühmte Botaniker und Direktor Adolf Engler mit dem Architekten Alfred Koerner den Umzug des Gartens vom Kleistpark in Schöneberg nach Dahlem organisierte und die neue Anlage entwarf: 43 Hektar groß, mit derzeit etwa 20.000 Pflanzenarten.

Weiter keine Wasserspiele

Doch so schön und den Stammgästen des Garten vertraut der Italienische Garten auch sein mag – er ist doch baulich etwas in die Jahre gekommen, entspricht nicht mehr so ganz dem Original und damit auch nicht den Anforderungen des Denkmalschutzes, bedarf der Überarbeitung. Und so sieht und hört der Besucher, sei es, dass er sich vom Eingang am Königin-Luise-Platz oder von dem Unter den Eichen nähert, erstmal zwei Bagger.

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Der Italienische Garten ist in Baufelder aufgeteilt, man will ihn ja nicht komplett schließen, doch ein Teil ist nun durch Zäune abgesperrt, hinter denen die Baumaschinen den Boden aufreißen, erster Schritt zu einer neuen Wegebefestigung, dünn aus Asphalt mit sandähnlicher Deckschicht. Später kommt der Brunnen dran, soll wieder über unterirdische Rohre befüllt werden statt wie zuletzt nur noch per Schlauch. Wasserspiele wird es allerdings auch künftig nicht geben, sie erfreuen nur die Menschen, nicht die Seerosen.

Auch die Anlage der ornamentalen Zierbeete wird erneuert, alles wieder mehr auf Toskana getrimmt. Die beiden um 1928 hinzugefügten Figuren mit den davor befindlichen Brünnlein für durstige Besucher bleiben, verschwunden ist aber bereits die vor etwa 20 Jahren am Ende der Sichtachse aufgestellte Frauenfigur „Anbetung“.

Als allzu späte Ergänzung war die Nackte den Denkmalschützern suspekt und musste weg – einer älteren, zufällig vorbeischlendernden Dame ist das längst aufgefallen, und sie beginnt mit dem die nächsten Bauschritte erläuternden Thorsten Laute gleich zu schimpfen, freilich nur so zum Scherz, wieso man denn die Nackte weggeräumt habe, ausgerechnet jetzt, da wieder die Sonne scheine. Auf seinen tröstenden Hinweis, die Figur erhalte einen neuen Standort, ist sie wieder versöhnt.

Aber der kleine Wortwechsel gibt doch eine Vorstellung davon, wie sehr bei Arbeiten im Garten auf Stammgäste Rücksicht zu nehmen ist. Eine Bank entfernen, auf der die eine oder der andere vielleicht schon seit Jahrzehnten Platz genommen hat? Ganz schwierig.

Der Blick über den Botanischen Garten und das Tropenhaus.
Der Blick über den Botanischen Garten und das Tropenhaus.

© Sven Darmer

Alles lässt sich ohnehin nicht mehr dem originalen Konzept annähern. Und mancher Bewuchs muss erhalten bleiben, selbst wenn er nicht ins Bild passt. Die ursprünglich gestutzten, längst nach Lust und Laune wuchernden Eiben, die den Italienischen Garten zu den Gewächshäusern hin begrenzen? Sind schon 150 Jahre alt, wurden von Engler, dessen Ehrengrab sich auf den Gartengelände befindet, beim Umzug aus Schöneberg mitgebracht. Und die, aus dem Raum Südchina, Tibet stammenden, ganz und gar nicht italienischen Fichten? Hatte der botanische Weltreisende Joseph Francis Rock dem Garten geschenkt, Raritäten, die rührt man nicht an.

Hinter der Toskana liegt der Himalaya

So schlimm wird es mit dem Wandel im Garten ohnehin nicht kommen, die Arbeiten sollen die Besucher ja nicht verstören, sondern die Dahlemer Pflanzenwelt im Gegenteil touristisch ansprechender, durchschaubarer auch gestalten.

Denn wer weiß schon, dass hinter der Toskana gleich der Himalaya liegt und nebenan das zum Teich geschrumpfte Chinesische Meer, dass der ganze Garten als eine Art botanischer Miniaturausgabe des Globus angelegt ist, geordnet nach Erdteilen, mit Bella Italia als „Herzstück“. Das soll sich ändern: Insgesamt 23 Kilometer Wege durchziehen das Gelände, zehn werden Abschnitt für Abschnitt saniert, zudem entsteht ein neues Leitsystem mit Ausstellungstafeln und einer App.

Hauptbaustelle neben dem Italienischen Garten ist derzeit das am Eingang Königin-Luise-Platz entstehende, vom Büro heneghan peng architects entworfene Besucherzentrum mit Kassenhäuschen, Shop, Schließfächern und Informationen.

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Der Rohbau steht, ist bereits verglast, bis zur Eröffnung wird es aber wohl noch ein knappes Jahr dauern, während Thorsten Laute mit Abschluss der Runderneuerung des Italienischen Gartens bis Jahresende rechnet. Erst für 2023 ist dagegen die Wiedereröffnung des Botanischen Museums an der Königin-Luise-Straße avisiert, das derzeit modernisiert wird.

Anlage eines Nutzpflanzengartens soll in den kommenden Monaten beginnen

Allein die Arbeiten im Garten werden rund 16 Millionen Euro kosten. Noch in den kommenden Monaten soll auch die Anlage eines Nutzpflanzengartens beginnen, der in den alten Bassins des früheren Sumpf- und Wasserpflanzengartens entsteht. Die verwitterten Pergolen will man ebenfalls erneuern und am Eingang Unter den Eichen ein neues Schmuckbeet anlegen, als farbenprächtiges Entree von Gelb über Orange und Rot zu Violett und Blau.

Inspiriert wurde es von der Gartengestalterin Gertrude Jekyll (1843 – 1932), Vertreterin des englischen Arts & Crafts Movement. Einige ihrer schönsten Gärten liegen in Hampshire, Somerset und Surrey, wie die Renaissancegärten der Medicis sind sie derzeit nur schwer zu erreichen. In Dahlem dagegen sind es von England nach Italien nur wenige Schritte. Der Botanische Garten ist täglich von 9 bis 20 Uhr geöffnet, die Gewächshäuser sind coronabedingt geschlossen. Erforderlich ist ein Online-Ticket, zu erwerben auch telefonisch unter 030/201 696 006.

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