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Berlin: Botschaft mit Kreuzen

Wie gedenkt man der Mauer – lieber authentisch oder mit Gemüt?

Ein Montagmorgen an der Berliner Mauer: Zu Gast in der Gedenkstätte an der Bernauer Straße ist der Berliner Ruheständler Gerhard Kiesel. Er ist allein und fängt gleich an zu schimpfen: „Für die is det Kunst, für mich es det gar nischt.“ Er meint die Stahlwände, die außen rosten und innen spiegeln würden, wenn sie nicht so mattgrün angelaufen wären. Drüben, am Dokumentationszentrum, suchen ein paar Touristen den Eingang. Sie finden die Tür, nur leider ist sie verschlossen. Montags und dienstags macht das Mauergedenken an der Bernauer Pause.

Einige Kilometer weiter südlich am Checkpoint Charlie: Wieder die Berliner Mauer, nicht grau verputzt, sondern schön weiß gestrichen. Noch eine Mauergedenkstätte. Staunend stehen die Menschen vor den vielen Kreuzen, drängen sich zu den Hinweistafeln, knipsen, diskutieren. Wenn man ihnen lauscht, sind Kommentare wie „eindrucksvoll“ oder „gute Idee“ zu hören. Soviel spontane Zustimmung gibt es in der Bernauer Straße selten. Am Checkpoint Charlie erklärt sich die Symbolik der Mauer und ihrer Opfer unmittelbar und drastisch, an der Bernauer Straße entstehen dagegen unzählige Fragen, aber kaum Antworten.

Hubertus Knabe, Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen – im Stasi-Gefängnis wurden auch „Republikflüchtlinge“ eingesperrt – hat seine Meinung zum eigenen Erstaunen geändert. Als er hörte, ein Stück Mauer solle wieder aufgebaut werden, lehnte er das Vorhaben spontan ab. Nun hat er sich aber in den „Wald aus Kreuzen“ begeben und stellt fest, „dass dieser Wald aufs Gemüt schlägt. Die Botschaft kommt rüber.“ Knabe plädiert dafür, die private Gedenkstätte vorläufig stehen zu lassen. „Das ist das Beste, was wir bisher an Mauergedenken haben.“ Die offizielle Gedenkstätte in der Bernauer Straße sei „missglückt“, die künstlerische Gestaltung irreführend, die Dokumentation zu „kopflastig“.

Maria Nooke, Leiterin der Gedenkstätte Bernauer Straße, ist schon fast verzweifelt über die Diskussion um die Privatinitiative am Checkpoint. Einen Vergleich mit der „fragwürdigen Installation“ lehnt sie ab. „Es ist verheerend, wenn die Medien diesen Ort zum Mahnmal aufwerten.“ Dass die Gedenkstätte Bernauer Straße die beklemmende Wirkung der Mauer nicht vermittelt, räumt sie ein. „Die Mauer sah zum Schluss eben so harmlos aus. Das Schreckliche war nicht die Mauer allein, sondern das politische System.“ Deshalb müsse die Gedenkstätte als Ensemble gesehen werden – zusammen mit der Versöhnungskapelle und dem Dokumentationszentrum.

Die Politik hat den Bedarf an authentischen Stätten der Teilung unterschätzt und das Thema mit dem Mahnmal Bernauer Straße für erledigt erachtet. Die Diskussion um ein zentrales Gedenkstättenkonzept sei zäh gewesen, sagt die kulturpolitische SPD-Sprecherin Brigitte Lange. „Frau Hildebrandt hat uns wachgerüttelt“, betont CDU-Politikerin Monika Grütters. Und Alice Ströver von den Grünen erklärt, was bisher zur Mauer gemacht wurde, sei Stückwerk geblieben.

Was nun weiter am Checkpoint Charlie passieren soll, weiß niemand genau. Darüber müsse noch viel diskutiert werden, meint Monika Grütters. Es fehle vielleicht immer noch die zeitliche Distanz zur echten Berliner Mauer.

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