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Berlin: Brand in der Kita: Prozess beginnt nach fast vier Jahren

Zwei dreijährige Jungen wurden 1999 bei Proben für ein Krippenspiel schwer verletzt. Jetzt kommt der Fall vor Gericht. Eltern wehrten sich gegen Einstellung des Verfahrens

Es war die Generalprobe für den großen Auftritt. Liebevoll hatten die Eltern die Kostüme für die Kleinen gefertigt. Als Schäfchen sollten Tobias und Justin kurz vor Weihnachten 1999 bei dem Krippenspiel „Sei uns willkommen, schöner Stern“ auf der Bühne stehen. Viele Wattebäuschchen klebten auf den T-Shirts der damals Dreijährigen. Einige Kinder aus der Gruppe trugen brennende Kerzen mit einem beklebten Pappdeckel als Tropfschutz. Rote Tafelkerzen, etwa zwanzig Zentimeter lang. Dann geschah das Furchtbare: Tobias und Justin standen plötzlich in hellen Flammen. War es Fahrlässigkeit von Mitarbeiterinnen der Kindertagesstätte des Evangelischen Johannesstifts in Spandau, die zu den lebensgefährlichen Verbrennungen der Jungen führte? Die Eltern der beiden Freunde ließen nicht locker. Sie wollten die Frage der Verantwortlichkeit geklärt haben. Als das Verfahren Ende 2000 aus Mangel an Beweisen eingestellt wurde, legten sie Beschwerde ein. Auf einen Prozess mussten sie lange warten: Ab 27. Oktober soll der Fall nun vor dem Amtsgericht Tiergarten aufgerollt werden.

Neben der 48-jährigen Kita-Leiterin müssen sich ihre damalige Stellvertreterin und drei Erzieherinnen im Alter zwischen 28 und 48 Jahren wegen fahrlässiger Körperverletzung verantworten. Die Leiterin wies im Ermittlungsverfahren alle Vorwürfe zurück, die anderen Frauen wollten sich bislang nicht äußern. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Angeklagten „die von der Nachlässigkeit ihres Handelns ausgehenden Gefahren hätten erkennen können und müssen“. Sie hätten von den Kindern weder verlangen noch erwarten können, dass sie brennende Kerzen ruhig und aufrecht halten und genügend Abstand zueinander wahren würden.

„Es geht uns um Gerechtigkeit“, sagen die Eltern der Jungen, die im Prozess als Nebenkläger beteiligt sind. „Bis heute hat keiner die Verantwortung übernommen.“ Sie hatten den Eindruck, dass die Ermittlungen nicht gerade gründlich geführt wurden. Erst mit ihrer Beschwerde wurden Kleidungsstücke untersucht, die ihre Kinder unter den Kostümen trugen. Auch die Kerzen, die als Unglücksursache in Frage kamen, wurden offenbar nicht sofort beschlagnahmt. „Wir finden, dass da vieles schief gegangen ist“, sagen die Eltern. Von den 23 Kindern im Alter zwischen zwei und fünf Jahren, die für das Krippenspiel kostümiert im Hobbyraum der Kindertagesstätte standen, sollen mindestens zehn brennende Kerzen in die Hand bekommen haben. Der Gebrauch von Kerzen in einer Kita ist nicht verboten. Nun muss das Gericht die heikle Frage der Verantwortlichkeit klären.

Die Anklage geht nicht davon aus, dass Tobias und Justin Kerzen trugen. Ein „nicht ermitteltes Kind“ sei an das Kostüm eines der beiden Jungen gekommen. Ihre Kostüme fingen sofort Feuer. Sie erlitten schwerste Verbrennungen an Händen, Armen und im Gesicht. Beide Kinder mussten mehrere Wochen lang im Krankenhaus behandelt werden. Tobias und Justin sind jetzt sieben Jahre alt und gehen in dieselbe Klasse. Sie leben mit den körperlichen und seelischen Narben.

Kerstin Gehrke

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