Am BER-Flughafen gibt es intern nach Angaben eines Experten derzeit zusätzliche Investitionsanforderungen in Höhe von 500 Millionen Euro. Diese Summe wird als „notwendige Sofortmaßnahme“ eingestuft. Dies geht aus einem Schreiben des inzwischen entlassenen ehemaligen Leiters des Immobilienbereichs der Flughafengesellschaft, Harald Siegle, an Mitglieder des Aufsichtsrats hervor, das dem Tagesspiegel vorliegt. Nach Angaben von Flughafenchef Hartmut Mehdorn reicht das Geld noch bis Jahresende.
Nach Siegles Bewertung tritt das BER-Projekt immer noch auf der Stelle. Eine Inbetriebnahme des Flughafens 2015 hält er, wie berichtet, für „äußerst unwahrscheinlich“ und eine Inbetriebnahme 2016 für „akut gefährdet“. Eine Eröffnung im Oktober 2016 sei als bestmöglicher Fall zu betrachten, „der jedoch nur bei massiven strukturellen Verbesserungen“ erreichbar sei, heißt es in dem Schreiben, das Siegle an drei Aufsichtsräte geschickt hat: an den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), an Brandenburgs Flughafen-Staatssekretär Rainer Bretschneider sowie an Staatssekretär Rainer Bomba aus dem Bundesverkehrsministerium.

Sollte es nicht möglich sein, den BER bis Oktober 2016 in Betrieb zu nehmen, käme es zu einem weitereren erheblichen Terminverzug „mit allen Konsequenzen für Kosten- und Kapazitätsprobleme“ der Berliner Flughäfen, schreibt Siegle. Im Oktober 2015 erlischt die Baugenehmigung für den Hauptterminal, der für Air Berlin reservierte Pier Süd muss baurechtlich bereits im August 2016 fertig sein. Werden diese Termine überschritten, müsste der Weiterbau neu genehmigt werden – nach heutigen, oft verschärften Vorschriften. Nur im Nordpier, in dem Billigfluglinien angesiedelt werden, sind die Arbeiten beendet. Einen Probebetrieb dort hat Flughafenchef Hartmut Mehdorn aber abgeblasen. Ende 2014 wolle er einen Eröffnungstermin für den BER nennen, hatte Mehdorn vor kurzem angekündigt.

Siegle warnt: „Eine „einseitige Orientierung auf die rasche wie auch immer geartete bauliche Fertigstellung ohne Rücksicht auf Planung, Dokumentation und Betrieb war schon bisher ein wesentliches Problem des BER und hat ihn letztlich massiv verzögert und verteuert“, schreibt Siegle, der nach ersten Berichten über die Schreiben von Mehdorn entlassen worden ist. Immer noch werde aber „ohne ausreichende Planungsgrundlage“ weitergebaut. Mit der Folge, dass ausgeführte Arbeiten erneut verändert werden müssten.
Auf der Baustelle gibt es zudem Fehler, die kaum nachzuvollziehen sind. So verzögerte sich nach Siegles Angaben die Planung für den Umbau der Entrauchungsanlage, bei dem Siemens die Steuerung der Klappen für die Frischluftzufuhr übernommen hat, nach Siegles Angaben, weil Räume im Terminal falsch nummeriert worden waren. Raumnummern und tatsächlicher Standort hätten teilweise mehr als hundert Meter differiert, was Einsätze von Rettungskräften erschwert hätte. Mehdorn hat eine Neunummerierung bereits angekündigt. Aber selbst Mess- und Zähleinrichtungen für Energielieferungen an die Mieter im Flughafen seien unvollständig und entsprächen nach seiner Kenntnis nicht den gesetzlichen Vorschriften, schreibt Siegle weiter, dessen Abteilung Mehdorn auflösen wollte. Siegle, der unter anderem bei der Bahn und der Landesbank Baden-Württemberg leitende Funktionen hatte, sollte einen weniger wichtigen Posten übernehmen. Seine Prokura war ihm schon entzogen worden.
Die Flughafengesellschaft äußert sich zu Siegles Vorwürfen nicht. Senatssprecher Richard Meng sagte, Briefe von Mitarbeitern bewerte man öffentlich nicht. Dagegen nimmt die brandenburgische Landesregierung das Schreiben ernst und hält Siegles Darstellungen für glaubhaft. Der Inhalt sei „alarmierend“. Im Bund heißt es, ein Teil sei „überzogen dargestellt“, ein anderer Teil „hingegen real“.
Die Schreiben des inzwischen entlassenen Chefs des Immobilienbereichs am BER-Flughafen, Harald Siegle, setzen auch den Aufsichtsrat unter Druck. Dass es zum Desaster kommen konnte, ohne dass das Gremium eingriff, begründeten die Aufpasser bisher vor allem damit, dass sie von der inzwischen auch geschassten früheren Geschäftsführung nicht ausreichend informiert worden seien. Siegles Schreiben an den Aufsichtsrat und an Flughafenchef Hartmut Mehdorn mit harscher Kritik am früheren und aktuellen Verhalten können nun alle lesen. Hier können Sie das Schreiben in voller Länge herunterladen.
Hier finden Sie die wesentlichen Aussagen:
- Ein Protokoll des Scheiterns
- ERWEITERUNGSPLANUNG
- KABELTRASSEN
- SIEMENS
- UNTERNEHMENSKULTUR
- SPRINT
- PERSONAL
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